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Wie die Neue Rechte auf das Compact-Verbot reagiert

Hallo,

diese Woche schauen wir uns an, welche Narrative die Neue Rechte für das Verbot des Magazins Compact findet. Und wer eigentlich dieser Jürgen Elsässer ist.

Zuvor noch ein interessanter Nachtrag zu einem vergangenen Newsletter. Vor einigen Wochen haben wir uns die SA-Parole “Alles für Deutschland” (Abre numa nova janela) im Newsletter genauer angesehen, weil der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke wegen des Ausrufs dieser angeklagt war (und mittlerweile zu mehreren Geldstrafen verurteilt wurde).

Nun berichtete die Tageszeitung taz über eine Veranstaltung im sächsischen Freiberg. Statt der verbotenen Parole stand dort “Alice für Deutschland” auf AfD-Plakaten. So lassen sich Nazi-Sprech und Parteivorsitzende raffiniert kombinieren…

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Um was geht’s?

“Wir wollen dieses Regime stürzen. Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsägenarbeit auf den Markt bringen. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes.”

Das hat Jürgen Elsässer im vergangenen Juni auf der Webseite seines rechtsextremen Compact-Magazins geschrieben.

Es dürfte derzeit wohl eines seiner meistgeteilten Zitate sein – nicht nur, weil es prominent im aktuellen Verfassungsschutzbericht (Abre numa nova janela) auftaucht (S. 103). Sondern auch, weil es zuletzt einige Medien als Beispiel dafür herangezogen haben, wie das Innenministerium (BMI) unter Nancy Faeser das Verbot der Unternehmen hinter Elsässers Compact-Magazin begründen könnte.

Denn wie Legal Tribune Online schreibt, reicht eine verfassungsfeindliche Haltung alleine nicht aus, diese müsse auch in “aggressiv-kämpferischer Form (Abre numa nova janela)” vertreten werden. Und darauf will das BMI wohl hinaus. Denn genau dieser Wortlaut findet sich in einer Pressemitteilung (Abre numa nova janela) des Ministeriums wieder: Bei der Verwirklichung seiner verfassungsfeindlichen Ziele nehme die “COMPACT-Magazin GmbH” eine “aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung” ein. Deshalb sei zu befürchten, dass Rezipient:innen der Medienprodukte “aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden” könnten.

Und Elsässer hielt seinen Plan zum Regimesturz auch nicht gerade geheim - geradezu lapidar sagte er einmal auf einer Compact-Veranstaltung (Abre numa nova janela):

“Ein wichtiger Unterschied zu anderen Medien ist, wir wollen einfach das Regime stürzen.”

Jetzt ist also auf Grundlage des Vereinsrechts die “COMPACT-Magazin GmbH” und ihre Teilorganisation ”CONSPECT FILM GmbH” verboten worden. Das betrifft nicht nur das Magazin, sondern auch die Online-Angebote von den Webseiten bis hin zu den Youtube-, Telegram-, X-, Tiktok, Gettr-, Facebook-, Instagram.-, VK- und Whatsapp-Kanälen - alle offline. Hinzu kommen sämtliche Compact-Kennzeichen, die nicht mehr öffentlich verwendet oder geteilt werden dürfen, alle aufgelistet im Bundesanzeiger (Abre numa nova janela).

Rund eine Woche ist seit dem Verbot vergangen. Wir haben uns deshalb angeschaut, wie die Neue Rechte reagiert und welche Erzählungen sie bedient.

Wer spricht da?

Wer über Jürgen Elsässer bei Wikipedia nachliest, landet - nach seiner Biographie - im Teil “Wissenschaftliche und journalistische Rezeption”. Dort sind einige Zitate zusammengetragen, die zeigen, wie Journalist:innen oder Wissenschaftler:innen über Elsässer denken und wie sie ihn einordnen.

Politikwissenschaftler Clemens Heni, steht da, hält Elsässer für “seit einiger Zeit geistig abgedriftet”. Er schmiege sich “mittlerweile der Ideologie und der Sprache des Nationalsozialismus sowie des heutigen Rechtsextremismus an.”

Historiker Volker Weiß wiederum schreibt, Elsässer habe sich “von schrill links nach schrill rechts” entwickelt. Und Spiegel-Journalistin Melanie Amann nannte Elsässer einen “deutsche[n] Stephen Bannon”.

Allein, dass es diese Kategorie bei Wikipedia für ihn gibt und all diese Menschen sich Gedanken über ihn machen, dürfte Elsässer freuen. Zumindest, wenn man den Recherchen der Zeit-Journalisten Paul Middelhoff und Christian Fuchs folgt. Diese haben in ihrem Buch “Netzwerk der Neuen Rechten (Abre numa nova janela)” Elsässer bereits 2019 charakterisiert. Sie zitieren dort einen früheren Freund von Elsässer so: “Er ist ein radikaler Narzisst. Jürgen geht es immer nur um sich. Er giert danach, dass sein Name genannt wird.” Und eine Ex-Freundin kommt wie folgt zu Wort: “Jürgen möchte bewundert werden, dabei ist ihm egal, wer ihm zujubelt.”

Aber einmal von vorn: Schauen wir uns an, wer Jürgen Elsässer - zumindest biografisch - ist.

Jürgen Rainer Elsässer wird 1957 in Pforzheim geboren. Er ist der Sohn einer Büroangestellten und eines Uhrmachers und studiert nach dem Abitur Lehramt in Freiburg - Geschichte und Deutsch. 14 Jahre ist er als Lehrer in Stuttgart tätig, zunächst an der Grund-, später an der Berufsschule.

Schon während des Studiums wurde Elsässer Mitglied des Kommunistischen Bundes in Stuttgart und schrieb für die Zeitung “Arbeiterkampf”. Mit dem 1990 erschienen Artikel “Warum die Linke antideutsch sein muß” begründete er eine antideutsche Strömung innerhalb der radikalen Linken mit. Diese richtete sich gegen den neu erwachten deutschen Nationalismus. Die Deutsche Wiedervereinigung kritisierte er als “Anschluss” der DDR und warnte vor möglichen politischen Folgen, etwa dem Abbau des Sozialstaats in Deutschland oder einem Großmachtstreben Deutschlands in Europa.

Von 1994 bis 1997 war Jürgen Elsässer Redakteur der linken Zeitung “junge Welt”, mehrere Jahre auch Teil der Chefredaktion. Nach einem Konflikt innerhalb der Geschäftsführung gründete er 1997 die linke Zeitung “Jungle World” und gab sie bis 2000 mit heraus. Außerdem schrieb er bis 2009 für linke Blätter wie “konkret” oder “Neues Deutschland”.

“Lieber eine falsche steile These als gar keine These”, sei damals sein Motto gewesen, sagt ein Herausgeber der Jungle World heute über ihn im Buch Netzwerk der Neuen Rechten.

Stellt sich die Frage: Wo genau macht nun Jürgen Elsässers Biographie die 180 Grad-Wendung? Und stimmt das überhaupt?

Elsässer selbst bezeichnet den 11. September 2001 als “Erweckungserlebnis”. Seit diesem wollte er kein “uniformer Linker” mehr sein.

Doch schon vorher, in den 90er Jahren, hat Elsässer etwas erlebt, das er so noch nicht kannte. Während des Jugoslawien-Konflikts ergreift er früh Partei für den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević, der später vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt wird. Milošević lädt ihn zu sich ein. Die Journalisten Fuchs und Middelhoff schreiben: “In Serbien sieht er [Elsässer - Anm. d. Red.] zum ersten Mal, wie Kommunisten und Faschisten zusammen regieren. Rechts und links sind dort keine Gegensätze. So wird Elsässer Anfang des Jahrtausends zum Querfrontler.” Also einem, der linke und rechte Positionen miteinander vereint. Eine 180-Grad-Wende ist das nicht - eher 90 Grad.

Wie sich seine Überzeugungen im Laufe der Jahre wandeln, zeigt eine Auflistung von Publikationen und Texte, die Middelhoff und Fuchs zusammengetragen haben: “Im Jahr 1992 verfasste Elsässer noch ein Buch mit dem Titel ‘Antisemitismus - das alte Gesicht des neuen Deutschland’ [ein Buch, in dem er auf das Stereotyp des ‘Weltjudentums’ in gemäßigten Parteien hinweist - Anm. d. Red.], heute ruft er zum ‘Widerstand gegen das internationale Finanzkapital und seine Kriegsbrandstifter in Washington, London und Jerusalem’ auf. 1997 schrieb er im Neuen Deutschland über Flüchtlinge: ‘Den Leuten dort bleibt gar nichts anderes übrig, als um ihrer Existenz willen nach Westen zu strömen.’ Heute bezeichnet er Geflüchtete als ‘Migrationswaffe’, die in ‘Wirklichkeit eine gesteuerte Invasion’, der ‘globalen Eliten’ seien. […] 2007 prangerte er den Antiislamismus noch als Vorwand der Neokonservativen an, ‘überall Bürger -und Freiheitsrechte abzuschaffen’. Heute spricht er auf einer Demonstration vom Salafismus als ‘Islamofaschismus’. Früher lobte er den Antifaschismus der DDR, heute spricht er von der Antifa als ‘rot lackierte Faschisten’. Früher war er ein Antideutscher, heute ist die Nation das Zentrum seines Denkens.”

Sein Compact-Magazin gründete Elsässer 2010 - und hat es seitdem professionell ausdifferenziert. Er brachte monothematische Editionen heraus wie '“Schwarzbuch Lügenpresse”, Geschichtshefte und sogar ein eigenes “Personality-Magazin” namens “Compact Pirinçci” von und über den wegen Volksverhetzung verurteilten Autoren Akif Pirinçci. Außerdem gibt es einen Youtube-Kanal des Magazins, “CompactTV”, wo zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt vor fünf Jahren eigene Wahlsendungen liefen und der - vor dem Verbot vergangene Woche - rund 345.000 Abonennt:innen hatte. Es gibt Merchandise-Produkte wie “Ami Go Home”-T-Shirts und DVDs von den Aufzeichnungen der jährlichen “Compact-Konferenzen”.

Bereits 2015 gab Elsässer an, dass sein Magazin eine Auflage von 40.000 Exemplaren hätte - was rund sechs Prozent der Auflage des Spiegels sind. Den Journalisten Middelhoff und Fuchs sagte er: “Wir sind die Nummer eins der oppositionellen Medien.” Sein Vorbild sei Stephen Bannon, der es mit seiner rechtspopulistischen Webseite “Breitbart” sogar zum Chefberater von Ex-Präsident Donald Trump geschafft hatte. Im Gegensatz zu den Klicks auf Breitbart ist jedoch die Auflage von Compact nicht mehr gewachsen.

Neben Elsässer selbst, der unter verschiedenen Pseudonymen in Compact veröffentlichte, kommen im Magazin auch Identitäre, wie der Österreicher Martin Sellner, Mitglieder des von Elsässer mitgegründeten verfassungsfeindlichen Vereins “Ein Prozent” oder Autor:innen von rechten Blättern wie “Junge Freiheit” oder “Blaue Narzisse” vor. Auch AfD-Politiker und ein ehemaliger NPD-Landtagsabgeordneter haben bereits im Heft veröffentlicht.

Als außerparlamentarischer Arm der Neuen Rechten hat sich Elsässer mit Compact ein Mini-Imperium aufgebaut. Seine Verbindung zu Organisationen der rechtsextremen Szene wie der “Identitären Bewegung” beschreibt er in einer Ausgabe vom Januar 2018 (Abre numa nova janela)so: “Alle zusammen in großer Einheit: Pegida, IB, AfD, Ein Prozent, Compact! Fünf Finger, alle kann man einzeln brechen, aber alle zusammen sind eine Faust!”

Dabei macht auch Compact - so wie sein Chefredakteur - einige thematische Neuausrichtungen durch. Anfangs wird darin die konservative Familie propagiert und gegen die “sexuelle Umerziehung unserer Kinder” angeschrieben. Dann positioniert sich das Blatt gegen den Euro und in der Ukraine-Krise 2014 ergreift es Partei für Putin. Zum Angriffskrieg auf die Ukraine sagte Elsässer (Abre numa nova janela): “Ich bin kein Putin-Versteher, sondern ich bin ein Putin-Unterstützer. Jeden Kilometer, den die russischen Truppen vorrücken, kommt der Tag der deutschen Freiheit näher.”

Im Buch “Netzwerk der Neuen Rechten” heißt es dazu: “Mit jedem Thema erobert sich das Heft eine neue Zielgruppe. Es ist deshalb nicht nur rechtspopulistisch, sondern bleibt immer auch anschlussfähig zu allen Seiten - ein klassisches Querfrontprojekt.”

Schon seit Ende 2021 stuft der Verfassungsschutz die Compact-Magazin GmbH als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung ein. Der Verfassungsschutz Brandenburg warnt in seinem aktuellen Jahresbericht, das Magazin könne “zu gesellschaftlichen Verwerfungen und zur politischen Destabilisierung in Deutschland” beitragen.

Nun ist Redaktionsschluss im Querfront-Projekt. Das Bundesinnenministerium hat die Unternehmen hinter dem Magazin verboten. Ermittler durchsuchten die Geschäfts- und Wohnräume von Jürgen Elsässer in Falkensee und Werder in Brandenburg.

Elsässer selbst sagte noch während der Razzia zu anwesenden Medien: “Dieses Regime wird damit nicht durchkommen. Dieses Regime wird untergehen, wenn es weiter solche Maßnahmen gibt. […] Es ist der schlimmste Eingriff in die Pressefreiheit in Deutschland - wenigstens seit 1962.”

Damit spielte er auf die Spiegel-Affäre an. Damals wurden die Redaktionsräume des Magazins durchsucht und leitende Redakteure wegen des Verdachts auf Landesverrat festgenommen.

Bei dem Verbot von Compact handele es sich laut Elsässer “ganz klar um eine faschistische Maßnahme” von Innenministerin Nancy Faeser.

“Alice Weidel und Tino Chrupalla sprachen am Dienstag von einem 'schweren Schlag gegen die Pressefreiheit'. […] Das Verbot bedeute eine Verweigerung von Diskurs und Meinungsvielfalt.” Das schreibt die Tageszeitung taz (Abre numa nova janela) über die ersten Reaktionen aus der AfD zum Compact-Aus.

Es ist die 📰 die Erzählung vom Schutz der Pressefreiheit, der Weidel und Chrupalla hier folgen. Das Verbot des Magazins, so die Lesart, sei ein Akt staatlicher Willkür, um unliebsame Meinungen zu unterdrücken. Deshalb verletze das Vebot die Meingungs- und Pressefreiheit und richte sich gegen Grundrechte.

Ein Ziel dieser Erzählung ist, das rechtsextreme Compact-Magzin als gewöhnliches Presseprodukt darzustellen, das demokratisch legitime Inhalte veröffentlicht und für das dieselben Regeln gelten, wie für alle anderen Pressemedien auch.

Mit ihrer Bestürzung über das Verbot inszenieren sich Chrupalla und Weidel zudem als Demokrat:innen, die sich für allgemeine Grundrechte einsetzen. Diese Grundrechte müssen demnach auch für die Journalist:innen hinter Compact gelten.

👉 So normalisieren sie die Autor:innen und die Inhalte des Magazins, das seit Jahren schon als rechtsextrem eingestuft ist, weil es ”regelmäßig antisemitische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte (Abre numa nova janela)” veröffentlicht. Und weil es mitgeholfen hat, den neurechten Gesellschaftsentwurf zu popularisieren und damit wählbar zu machen.

Es sind aber nicht nur hochrangige Personen aus der AfD, die diese Strategie verfolgen. Auch Martin Sellner macht mit, wie der Volksverpetzer berichtet (Abre numa nova janela): Demnach sei mit dem Compact-Verbot laut dem Identitären-Gründer “in Deutschland an diesem 16.07. die Pressefreiheit gestorben”.

Ob das rechtsextreme Magazin den Kriterien eines Presseerzeugnisses entsprochen hat, wird in Zukunft eine gerichtliche Prüfung zeigen, sollte das Vorgehen des Innenministeriums juristisch angefochten werden. Dieser Schritt wäre ein wichtiger, schreibt die Tagesschau (Abre numa nova janela), “damit das Narrativ vom angeblichen Polizeistaat oder dem Anschlag auf die Meinungsfreiheit, das am rechten Rand nun verbreitet wird, nicht verfängt”.

Als das Innenministerium mit “339 Einsatzkräften in den Ländern Brandenburg, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf richterliche Anordnung 14 Objekte” der Unternehmen hinter dem Compact-Magazin durchsuchen ließ, stand Chefredakteur Elsässer vor einem der Häuser. Weil auch Journalist:innen da waren, gibt es davon Aufnahmen. Sie zeigen Elsässer in schwarzem T-Shirt mit Schriftzug “Ares”, Jeans, gereckte Faust und wie er in die Kamera sagt: “Fight, fight, fight.”

Damit sucht er ✊ den Anschluss an das Trump-Attentat.

Auf den ehemaligen Präsidenten der USA, Donald Trump, wurde geschossen. Getroffen wurde er am Ohr. Die Bilder gingen um die Welt und sind schon jetzt ikonisch. Sie zeigen, wie Trump nach dem Treffer sofort von seinen Bodyguards beschützt wurde. Doch anstatt in Deckung zu gehen, richtete er sich wieder auf, reckte mit blutverschmiertem Gesicht die Faust in die Luft und rief mit entschlossener Miene: “Fight!”

Schnell wurde das Wort zum neuen Slogan seiner Unterstützer:innen und erklingt seither auf allen republikanischen Wahlkampf-Veranstaltungen.

Wenn sich Elsässer den Slogan leiht, ahmt er aber nicht einfach nur Trump nach. Er versucht sich damit ebenfalls zum Widerstandskämpfer zu vergrößern, den ja Trump unter weiten Teilen seiner Anhänger:innen personifiziert.

Außerdem will Elsässer die Taten gleichsetzen, also das Verbot seines Compact-Magazins und das Attentat auf Trump. Er drückt damit aus, dass die beiden Vorfälle, der versuchte Mord an einem US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten und das Vorgehen des deutschen Bundesinnenministeriums gegen ein rechtsextremes Magazin, vergleichbar kriminell und brutal sind.

👉 Und beide, Elsässer und Trump, sind Opfer.

Im Gegensatz zu Trump aber, der die Worte aus dem Moment heraus rief, es sich also vermutlich um eine authentische Reaktion handelte, hatte Elsässer Zeit, sich seine “erste Reaktion” zur Razzia vor der Kamera zurechtzulegen. Das macht es wahrscheinlich, dass er das Fight-Narrativ mit Kalkül gewählt hat.

Auch wenn es hierzulande bislang nicht ganz so große Resonanz erzeugt hat, wie in den USA, so findet sich doch in vielen Kommentaren zum Compact-Verbot der Fight-Ausruf - gern verziert mit blauen AfD-Herzchen.

Die gleiche Strategie steckt auch im folgenden Kommentar unter einem Text zum Compact-Verbot auf Sezession.de (Abre numa nova janela). Da steht: “Erst der Anschlag auf Trump. Dann der Anschlag auf Compact.”

Hier wird ebenfalls die Parallele in die USA gezogen und es lohnt sich, die Wortwahl beim Duden nachzuschlagen. Dort lautet die Definition für “Anschlag”: ein “gewalttätiger, auf Vernichtung, Zerstörung zielender Angriff (Abre numa nova janela)”. Das also ist der Deutungsrahmen, in dem Neurechte das Compact-Verbot ausstellen wollen.

Was dieser Deutungsrahmen für einen Effekt haben kann, zeigt ein zweiter Blick auf Duden.de (Abre numa nova janela). Das Online-Wörterbuch listet zu vielen Begriffen “typische Verbindungen” auf - das sind andere Begriffe, die oft im Kontext auftauchen. Sie können einen Eindruck davon vermitteln, welche Assoziationen ein bestimmter Begriff beim Publikum hervorruft oder hervorrufen soll. Bei “Anschlag” sind das beispielsweise: Kampf, terroristisch, tödlich, blutig. Das also sind die Bilder, die im Kopf entstehen sollen, wenn Neurechte das Compact-Verbot mit einem Anschlag gleichsetzen.

Und wer ist die terroristische Vereinigung, die angeblich mit tödlicher Gewalt vorgeht? Die Regierung.

Online finden sich viele Kommentare, die das Vorgehen gegen Compact kriminalisieren wollen. Besonders weitreichend sind die, die Deutschland als diktatorischen Staat mit gleichgeschalteten Gewalten darstellen - der ähnlich wie im Nationalsozialismus gegen die “Opposition” vorgehen würde.

Eine Person schreibt beispielsweise, dass sie es “nie fuer moeglich gehalten haette, dass sich die Deutschen wieder einmal ein totalitaeres Regime mit Polizei- und Gesinnungsterror waehlen! Mit korrupter Justiz und politischer Polizei [sic!]”. Diese Person teilt damit die Verschwörungserzählung, dass es eine🔨 staatlich angeordnete Zerstörung der Opposition gebe.

Der Kommentar findet sich unter einer Petition (Abre numa nova janela), die derzeit zu Spenden für Compact aufruft. Aktueller Stand: über 18.000 Euro. Ins Leben gerufen hat sie ein Gerhard Vierfuß. Dabei könnte es sich um einen gleichnamigen bekannten Anwalt handeln, der bei den Kommunalwahlen in Brandenburg kürzlich als Kandidat für die Alternative für Deutschland angetreten ist. Wie das “Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus (Abre numa nova janela)” schreibt, hat sich Vierfuß online “mehrfach rassistisch, antisemitisch und völkisch-nationalistisch” geäußert, außerdem unterstütze er die rechtsextreme Identitäre Bewegung. Auf X nennt sich Vierfuß “DerRechteAnwalt (Abre numa nova janela)” und teilt dort beispielsweise das Bild eines Denkmals zu Ehren gefallener deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg, versehen mit einem Eisernen Kreuz. Dazu schreibt er: “Meine Eltern, Meine Großeltern, Mein Volk, #KeineVerbrecher.”

Auch Vierfuß hat sich auf dem Kurznachrichtendienst zum Compact-Verbot geäußert und teilt dort die Erzählung, dass es sich bei der Regierung um ein totalitäres Regime handeln würde: “Die #BRD geht zur offenen Unterdrückung der demokratischen Opposition über. Alle Grenzen sind gefallen. Meinungsfreiheit ist im real existierenden #Liberalismus antifaschistischer Prägung nicht vorgesehen. Es soll uns allen an den Kragen gehen.”

👉 Auch hier wird die Regierung, indem die Opposition als “antifaschistisch geprägt” beschrieben wird, als faschistisch geframt. Das Ziel: Der Staat (#BRD) wird zum Unrechtstaat erklärt.

Ähnlich argumentiert auch Götz Kubitschek auf Sezession.de: “Wer im Falle des Compact-Verbots juristisch denkt, hat das Wesen des Politischen nicht verstanden.” Und weiter schreibt der neurechte Vordenker: “Verfassungsschutz, Staatsmedien und Verbotsmöglichkeiten gegen die Opposition zu richten, ist nicht juristisch abgesichert, sondern war politisch gewollt und wird politisch durchgesetzt.” Das Vorgehen des Innenministeriums gegen Compact wird damit pauschal kriminalisiert, da es angeblich nicht juristisch abgesichert sei.

Aber das ist eigentlich zweitrangig. Denn es geht hier nicht mehr darum, warum Compact verboten wurde. Viel eher geht es den Kommentator:innen darum, die Gesellschaft zu polarisieren und zu radikalisieren.

Sie erschaffen mit ihren Spins das “Feindbild Regierung”, das zu allem bereit sei - und deshalb eine existenzielle Bedrohung für alle “Andersdenkenden” darstelle. Die neurechte Anhängerschaft soll auf diese Weise mobilisiert werden.

Aber nicht nur: Manchen könnte es auch darum gehen, mit der Bedrohungserzählung die Bereitschaft bei den eigenen Unterstützer:innen zu Gewalttaten - unter dem Deckmantel der Notwehr - zu steigern.

Notwehr, das ist an dieser Stelle wichtig, ist die einzige Form der Gewalt, die als legitim angesehen wird. Weil sie dem Schutz des eigenen Lebens dient. Dafür braucht es aber eben eine existenzielle Bedrohung - und die reden Neurechte immer wieder herbei - hier in Form der politischen Gegner:innen.

Das zeigt beispielhaft ein Kommentar, den das gemeinnützige Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Abre numa nova janela) auf Bluesky veröffentlicht hat. Darin heißt es: “Wenn Deutsche eines gelernt haben sollten, dann dass es eine Frage der Zeit sein, bis Terroristen wie Nancy Feser ganz offen die ersten Morde befehlen. Wir dürfen ihr und ihren Komplizen keinen weiteren Tag dazu Gelegenheit geben. [sic!]”

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