Zelenskyj vs. Trump: Wahrheit? Optional.
.png?auto=compress&w=800&fit=max&dpr=2&fm=webp)
Guten Morgen,
worum es uns heute gehen soll, das ist vor den Augen der ganzen Welt passiert. Der Präsident der Ukraine reiste nach Washington, um dort mit dem Präsident der USA ein Abkommen über Seltene Erden abzuschließen.
Was dann auf die Bildschirme in aller Welt übertragen wurde, war ein absurdes Gespräch. Ein Teil des Dialgos lief so:
Trump: “Sie spielen Karten. Sie setzen das Leben von Millionen Menschen aufs Spiel. Sie riskieren einen Dritten Weltkrieg.”
Zelenskyj: (Akustisch nicht zu verstehen.)
Trump: “Sie riskieren einen Dritten Weltkrieg. Und was Sie machen, ist sehr respektlos gegenüber dem Land.”
Wenn du unsere Arbeit unterstützen möchtest, kannst du mit wenigen Klicks Mitglied werden - und dann den Newsletter auch als Podcast (beispielsweise via Spotify (Abre numa nova janela)) hören. Das geht ab 1,50 Euro / Ausgabe. Herzlichen Dank!
Zelenskyj: “Ich spreche mit allem Respekt...”
Trump: “Respektlos gegenüber diesem Land, das Sie weit mehr unterstützt hat, als viele Leute sagten, dass man Sie hätte unterstützen sollen.”
Vance: “Haben Sie einmal Danke gesagt?”
Zelenskyj: “Viele Male.”
Vance: “Während dieses Treffens? Während dieses ganzen Treffens, haben Sie Danke gesagt?”
Zelenskyj: “Sogar heute, sogar heute.”
Es ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was sich viele Menschen mit offenem Mund angesehen haben. Aber was ist hier eigentlich passiert? Ein Erklärungsansatz: Zelenskyj wurde Opfer eines gestörten Diskurs - in dem Wahrheit optional ist.
Heute schauen wir uns an, wie sich die Welt so wandeln konnte, dass dieses Gespräch zustande kam.
Alles Liebe und einen kämpferischen Frauentag!

Um was geht’s?
“What we’re witnessing in America is what happens when disordered discourse captures a political party, then the state itself. The Republican Party was the first to fall - abandoning truth for conspiracy, ideology for grievance, and policy for performative outrage.”
Deutsch: “Was wir in Amerika erleben, ist, was passiert, wenn ein gestörter Diskurs erst eine politische Partei und dann den Staat selbst erobert. Die Republikanische Partei war die erste, die fiel - sie gab Fakten durch Verschwörungen, Ideologie durch Wut und Politik durch ‘performative Empörung’ auf.”
So beginnt ein Bluesky-Thread (Abre numa nova janela), den wir so erschreckend wie erhellend fanden.
Geschrieben hat ihn Eliot Higgins, Gründer der Rechercheplattform Bellingcat. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der Wirkung von Propaganda. In seinem Beitrag zeigt er nun auf, wie ein disordered discourse - was etwas beschönigend vielleicht als “gestörter Diskurs” übersetzt werden kann - die Voraussetzung dafür schaffen kann, eine demokratische Wahl zu gewinnen und dann eine Demokratie von innen heraus abzuschaffen.
Nichts weniger als das passiert gerade in den USA unter Donald Trump und der Republikanischen Partei (GOP), die das zugelassen hat. Sie war laut Higgins “first to fall” und hat “Wahrheit durch Verschwörungen, Ideologie durch Wut und Politik durch ‘performative Empörung’” ersetzt.
Wie es dazu kommen, wollen wir anhand von Higgins Thread nachzeichnen - auch, um daraus zu lernen.
Den ersten Schritt in dieser Entwicklung könnte man so bezeichnen:
🗣️🗯️Die Veränderung der Diskurslandschaft
Früher formten Institutionen durch strukturierte Diskurse eine gemeinsame Realität. Das ist ein diskurstheoretischer Angang an die Konstruktion von Wirklichkeit, die im Kern sagt (Abre numa nova janela): “Ein Diskurs produziert Wahrheiten. Werden diese Wahrheiten in einem Diskurs für ungültig erklärt, fallen diese aus dem Diskurs heraus.” So steht es in einem Übersichts-Wiki der Uni Freiburg zu Michel Foucaults “Ordnung des Diskurses”.
Ungültige Wahrheiten aus dem Diskurs zu entfernen, dafür sind Institutionen verantwortlich. Sie schließen “Situationen, Themen […] aber auch Aussagen, die nicht als wahr verifiziert wurden”, aus. Universitäten, die Wissen schaffen, sind beispielsweise solche Institutionen oder auch die demokratische Presse, die (idealerweise) mit redaktioneller Sorgfalt überwiegend überprüfbare Fakten - als Teil des sogenannten Gatekeepings - in den Diskurs bringen. Klar, dieses Gatekeeping war nie absolut, aber weitgehend erfüllte es diese Aufgabe.
Schon lange erleben wir eine Verschiebung hin zu einem “engagement-driven ecosystem”, das nicht zwischen wahr und unwahr unterscheidet. Stattdessen verbreitet sich vor allem, was Menschen berührt. Man könnte sagen, dass emotionale Resonanz den Diskurs bestimmt - ob stimmt, was verbreitet wird, ist nachrangig. Eliot Higgins beschreibt:
“We’re living through a fundamental shift in how discourse is created. Institutions once shaped a shared reality through discourse - imperfectly, but with structure. Now, that reality has splintered. In its place, engagement-driven ecosystems amplify whatever resonates, truth optional.”
Deutsch: “Wir erleben einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise, wie Diskurse entstehen. Einst prägten Institutionen eine gemeinsame Realität durch Diskurs - unvollkommen, aber mit Struktur. Heute ist diese Realität zerbrochen. An ihre Stelle sind engagementgesteuerte Ökosysteme getreten, die alles verstärken, was Anklang findet - Wahrheit optional.”
Diese Entwicklung treiben vor allem Social-Media-Plattformen wie Facebook, X oder Instagram voran. Ihre Algorithmen entscheiden für viele Menschen, was “wichtig” ist. Parallel dazu verlieren traditionelle Medien Reichweite, Vertrauen und Bedeutung.
Nur: Tech-Unternehmen haben kein Interesse daran, die Gatekeeping-Rolle zu übernehmen und Diskurse freizuhalten von “ungültigen Wahrheiten”. Zwar haben sie jahrelang versprochen, konsequent(er) gegen Falschinformationen vorzugehen, davon haben sie sich aber seit Donald Trumps Amtsantritt verabschiedet.
So hat beispielsweise Mark Zuckerberg entschieden, dass Meta den Weg von X geht und keine Faktenchecks mehr macht. Der angebliche Grund (Abre numa nova janela): “[…] fact checkers have just been too politically biased and have destroyed more trust than they've created, especially in the U.S.” (Deutsch: “[…] Faktenprüfer waren einfach zu politisch voreingenommen und haben mehr Vertrauen zerstört, als sie geschaffen haben, besonders in den USA.”)
Unter dem Vorwand einer gefährdeten free speech durch Faktenchecks wurden diese abgeschafft. Laut Zuckerberg sei die Fact-Checking-Politik als zu politisch wahrgenommen worden, weshalb man jetzt auf eine vermeintlich neutralere Lösung setze: Community Notes, wie bei X.
Expert:innen sind sich sicher, dass dieser Schritt zu einer Schwächung faktenbasierter Debatten führt. Aber nicht nur das: Meta hat auch Regeln zu Hassrede gelockert. Das zeigt eine aktuelle Befragung von Chris Yiu (Abre numa nova janela), dem Leiter des Bereichs Policy von Meta, vor einem Aussschuss des britischen Parlaments. Darüber hat unter anderem der Standard berichtet. Die Befragung zeigte demnach, dass laut Meta die Aussagen, Transgender-Personen seien “geisteskrank” oder Migrant:innen “allesamt Diebe und nicht mehr wert als Kotze” oder “dreckige Stücke Scheiße” ab sofort im Bereich des Diskurses zulässig seien.
🧩Die Fragmentierung der öffentlichen Wahrnehmung
In “engagement-driven ecosystems” dominieren virale Inhalte den Diskurs. Und viral gehen häufig emotionale Inhalte, die nicht in erster Linie wahr sind. Ein Beispiel dafür ist die Behauptung Trumps, dass Migrant:innen Katzen und Hunde essen würden. Der Ursprung dieser Lüge war ein anonymer Facebook-Beitrag (Abre numa nova janela), der in der extrem rechten Bubble geteilt und von immer reichweitenstärkeren Accounts übernommen wurde - auch Elon Musk und JD Vance beteiligten sich. Bis sie später in einer Wahlkampfdebatte vom jetzigen US-Präsidenten Donald Trump verbreitet und so in die ganze Welt gesetzt wurde.
Das zeigt, dass durch soziale Netzwerke mehrere “Deutungen” der Welt nebeneinander existieren können. Die Folge ist laut Higgins eine Zerstückelung des öffentlichen Diskurses. Algorithmen spielen einem “more of the same” (Deutsch: “Mehr von demselben”) vor, Echokammern entstehen und schaffen parallele Realitäten, in denen manche glauben, dass Migrant:innen Haustiere bei lebendigem Leibe verspeisen. Ein rationaler Dialog wird so erschwert.
Eine Folge davon: Die Gesellschaft polarisiert sich. Das Zwei-Parteien-System in den USA verstärkt diese Entwicklung. Der Soziologe Steffen Mau nennt die Folge davon “Kamelgesellschaft”. Also eine Gesellschaft, in der sich zwei gesellschaftliche Gruppen gegenüberstehen (die Höcker) - dazwischen befindet sich ein großer Graben: “Die Differenzen erscheinen unüberbrückbar (Abre numa nova janela)“.
Das wird durch den digitalen Tribalismus (Abre numa nova janela) verstärkt. Das bedeutet, Informationen werden “nicht anhand von Kriterien wie wissenschaftliche Standards der Beweisführung oder gar der Anschlussfähigkeit an das allgemeine Weltverständnis beurteilt, sondern einzig und allein danach, ob sie den Werten und Zielen des Stammes (zu Englisch “Tribe” - Anm. d. Red.) entspricht.” So verschmelzen “gut für unsere Seite” und “wahr”. Higgins schreibt:
“The result? A fragmented public consciousness where competing realities coexist, each self-reinforcing and resistant to correction.”
Deutsch: “Das Ergebnis? Ein fragmentiertes öffentliches Bewusstsein, in dem konkurrierende Realitäten nebeneinander existieren, sich selbst verstärken und gegen Korrektur resistent sind.”
Diese Fragmentierung hat gravierende Konsequenzen: Unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen entwickeln widersprüchliche Realitätsvorstellungen, die sich gegenseitig verstärken und immun gegenüber Korrektur sind - wenn es der eigenen Sache dient.
Das untergräbt die Grundlage für demokratische Debatten und gibt denjenigen, die die effektivsten Narrative verbreiten, mehr Macht.
💪Die Macht der Narrative
In einem Umfeld, in dem Fakten durch emotionale Erzählungen ersetzt werden, “gewinnt” zunehmend an Macht und Unterstützung, wer die erfolgreicheren Narrative setzt. Higgins schreibt:
„When truth is no longer a shared foundation, power shifts to those who control the most compelling narrative - no matter how detached from reality it is.”
Deutsch: “Wenn Wahrheit nicht mehr gemeinsame Grundlage ist, verlagert sich die Macht zu denen, die die überzeugendste Erzählung kontrollieren - egal, wie weit sie von der Realität entfernt ist.”
Der “Trumpismus (Abre numa nova janela)” der Republikanischen Partei setzt genau darauf - auf wirkmächtige und emotionalisierende Erzählungen, die Anhänger:innen mobilisieren. Und das ist keine neue Entwicklung. Die GOP hat sich darauf schon lange strategisch ausgerichtet. In ihrem Rechtspopulismus wird laut Bundeszentrale für politische Bildung “die politische Elite als Gegenspielerin der Interessen des ‘wahren Volkes’ dargestellt”, Ängste vor und Ressentiments gegen Migrant:innen geschürt und “kulturelle und demographische Veränderungen als Bedrohung für die nationale Identität inszeniert”.
Ein wichtiges Instrument sind Verschwörungserzählungen, um die Dynamik zu verstärken. Wie die Journalisten Matthew Sweet und Gabriel Gatehouse in einem Beitrag des Thinktanks Chatham House erklären, sind viele Akteur:innen der neuen Trump-Regierung selbst überzeugte Anhänger:innen von Verschwörungsmythen (Abre numa nova janela) oder nutzen diese als politische Waffe.
So habe Elon Musk einmal Joe Biden und Kamala Harris als “Marionetten” bezeichnet, die nicht selbst über ihr Handeln entscheiden würden. Um dann ihre Marionetten-Spieler:innen mit dem verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epsteins zu verbinden. “Musk ist schlau, ich glaube, das war eine bewusste Instrumentalisierung einer Verschwörungserzählung”, schreiben die Journalsiten. Higgins schreibt dazu auf Bluesky:
“Now, with its grip on institutions, disordered discourse isn’t just shaping politics - it has overtaken those in power, who now govern as if manufactured narratives were reality, eroding the state and democracy itself from within.”
Deutsch: “Nun, da es die Institutionen fest im Griff hat, beeinflusst der gestörte Diskurs nicht mehr nur die Politik - es hat die Machthaber selbst vereinnahmt. Sie regieren, als wären konstruierte Narrative die Realität, und untergraben so den Staat und die Demokratie von innen heraus.”
🗳️Narrative formen Politik
Die Republikanische Partei und Donald Trump haben die Präsidentschaftswahl gewonnen und setzen in die Praxis um, was sie angekündigt haben. Sie hölen den demokratischen Staat aus - ein Staatsstreich auf Basis des Projects 2025 (Abre numa nova janela) der Heritage Foundation.
Annika Brockschmidt hat dazu einen Beitrag geschrieben (Abre numa nova janela) und zahlreiche Beispiele aufgeführt, wo und wie die Trump-Regierung gegen die Verfassung verstößt. Das beginnt bei der fehlenden Legitimation des nicht gewählten “Special Government Employees” Elon Musk und seines inoffizielles “Department of Government Efficiency” (DOGE), das geht weiter mit illegalen Zugriffen auf hochsensible Steuerdaten von Millionen Bürger:innen und der Entlassung staatlicher Angestellter bis hin zur illegalen Streichung von USAID.
Und dass Trump nicht vor hat, sich an Gesetze zu halten, zeigt dieses Zitat, das Brockschmidt wiedergibt: “Ganz in diesem Sinne postete Trump kürzlich ‘Er, der sein Land rettet, bricht kein Gesetz’ - ein Zitat, das oft Napoleon zugeschrieben wird, und sich auch im Manifest des rechtsextremen Massenmörders Anders Behring Breivik findet. Auch der neue Oligarch in Chief, Elon Musk, stellt sich und die MAGA-Bewegung über die Gerichte und die Verfassung.”
Und das sind nur wenige Beispiele. Andere sind das massive Vorgehen gegen die freie Presse (Abre numa nova janela), die zahlreich dokumentiert sind - auch hier wieder: eine gezielte Schwächung der Institution, die sich gegen einen disordered discourse stellt.
Ein umfassenderes Bild zueichnet der Project 2025-Tracker (Abre numa nova janela). Dafür wurden insgesamt 299 Vorhaben identifiziert, die das Project 2025 skizziert. In die Praxis umgesetzt wurden demnach mittlerweile 91, über 40 sind derzeit in der Umsetzung.
Zentraler Bestandteil davon ist die “Schedule F”. Eine Verordnung, die es erlaubt, zehntausende Beamt:innen durch Loyalist:innen zu ersetzen. Auch das geht auf die Heritage Foundation und ihren Plan zu massenhaften Entlassungen in der Bürokratie zurück, um sämtliche Institutionen auf Trump-Kurs zu bringen. Dafür hat die Foundation in den vergangenen Jahren Millionen US-Dollar ausgegeben, um eine Armee von bis zu 54.000 Loyalist:innen zur Besetzung von Regierungsposten zu finden.
Aber selbst die, die nicht aktiv am disordered discourse beteiligt sind, müssen sich daran orientieren, weil seine Macht (oder besser: seine Vertreter:innen) so groß geworden ist. Higgins beschreibt es folgendermaßen:
“Disordered discourse doesn’t just govern through those who believe its manufactured narratives - it forces even those who don’t to submit. To stay in power, they must either bend the knee to the lies or become the next target of the machine they helped create.”
Deutsch: “Gestörter Diskurs regiert nicht nur durch diejenigen, die an seine konstruierten Narrative glauben - er zwingt selbst jene, die es nicht tun, sich zu fügen. Um an der Macht zu bleiben, müssen sie entweder vor den Lügen niederknien oder selbst zum nächsten Ziel der Maschinerie werden, die sie mit erschaffen haben.”
🌉 Der Übergang zum Autoritarismus
Das führt dazu, dass Institutionen, die einst den Diskurs frei vom disordered discourse gehalten haben, jetzt dafür eingesetzt werden, eben diesen zu befördern. Higgins formuliert es so:
“When governance becomes a battle between competing fictions rather than policy and truth, institutions designed for debate and compromise become tools for enforcing narratives. […] The end result is what we’re seeing in the U.S. - a democracy struggling to function because its institutions are trapped in disordered discourse. Governance isn’t about solving problems; it’s about demonstrating loyalty to manufactured narratives.”
Deutsch: “Wenn Regierungsführung nicht mehr auf Politik und Wahrheit basiert, sondern zu einem Kampf zwischen konkurrierenden Fiktionen wird, verwandeln sich Institutionen, die einst für Debatte und Kompromiss geschaffen wurden, in Werkzeuge zur Durchsetzung von Narrativen. [...] Das Ergebnis sehen wir in den USA: eine Demokratie, die kaum noch funktionsfähig ist, weil ihre Institutionen im chaotischen Diskurs gefangen sind. Regieren bedeutet nicht mehr, Probleme zu lösen - sondern Loyalität gegenüber konstruierten Erzählungen zu beweisen.”
Die USA befinden sich an einem kritischen Punkt: Mit der Verschmelzung von Verschwörungskultur und Regierungsapparat wird der Staat selbst als Waffe eingesetzt.
Trumps zweite Amtszeit zeigt, dass gezielte Desinformation offizielle Regierungsstrategie ist und er sie nutzt, um Macht zu festigen und seine autoritären Versprechungen wahrzumachen - beispielsweise “seine Rivalen zu verfolgen, kritische Medien zu bestrafen und die Armee zur Unterdrückung von Protesten einzusetzen”. All das hat er offen angekündigt.
Der Politologe Steven Levitsky bestätigt das in anderen Worten (Abre numa nova janela), was Higgins sagt und nennt das “kompetitiven Autoritarismus”. Dahinter steht “ein System, in dem Parteien bei Wahlen miteinander konkurrieren, aber der Machtmissbrauch des Amtsinhabers jeweils das Spielfeld zuungunsten der Opposition verändert”. Deshalb sei “das Spiel” manipuliert, weil der Regierungsapparat eingesetzt werde, um Gegner:innen anzugreifen und Kritiker:innen zu vereinnahmen.
Ein aktuelles Beispiel: Wired berichtet darüber, dass Mitarbeiter:innen einiger staatlicher Behörden auf ihren Geräten nicht mehr auf kritische Berichterstattung über das Vorgehen Trumps und Musks zugreifen dürfen - so seien unter anderem die IP-Adressen der New York Times, der Washington Post und eben Wired auf den Geräten der Behörden blockiert worden.
❓❓❓ Und jetzt?
Die Entwicklungen und der Umbau des Staates in den USA sind rasend. Es zeigt, wie “gut vorbereitet” die GOP in die zweite Amtszeit von Trump gegangen ist. Und es zeigt: An diesem Punkt ist Widerstand sehr viel schwerer als zu einem früheren Zeitpunkt.
Wie das aussehen kann, hat Eliot Higgins in einem zweiten Thread verfasst (Abre numa nova janela). Denn: Das alles könne nicht nur in den USA geschehen, jede Demokratie könne einem disordered discourse zum Opfer fallen - wenn sie keine systemische Antwort darauf gebe. Grundlegend für diese Antwort sei demnach Bildung. Sie erlaube es, dass sich eine Gesellschaft auf eine geteilte Wirklichkeit einigen und kritisch nach- und hinterfragen könne.
Denn einfach nur Verschwörungserzählungen wieder und wieder faktenzuchecken - das reicht nicht aus:
“We can’t fact-check our way out of this crisis. Disordered discourse isn’t just about false claims - it reshapes power, identity, and how people engage with reality itself. There’s no single fix, but one crucial pillar of the response is education.”
Deutsch: “Wir können uns nicht einfach mit Faktenchecks aus dieser Krise befreien. Gestörter Diskurs dreht sich nicht nur um falsche Behauptungen - er formt Macht, Identität und die Art, wie Menschen mit der Realität interagieren, grundlegend um. Es gibt keine einfache Lösung, aber ein entscheidender Pfeiler der Antwort ist Bildung.”
Higgins fordert deshalb, kritisches Denken umfassend in Lehrpläne zu integrieren:
“Critical thinking isn’t abstract; it’s the ability to assess information, recognise manipulation, and engage thoughtfully.”
Deutsch: “Kritisches Denken ist nicht abstrakt - es ist die Fähigkeit, Informationen zu bewerten, Manipulation zu erkennen und reflektiert zu handeln.”
Ziel sei es, bereits junge Menschen dazu zu befähigen, “to navigate a fragmented information landscape” (Deutsch: “in einer fragmentierten Informationslandschaft zu navigieren”)
Und als zweiten wichtigen Baustein nennt Higgins, das Vertrauen in die Demokratie und die demokratischen Institutionen selbst zu stärken. Denn wenn Menschen das Gefühl haben, dass der Staat ihnen nicht dient, sondern nur einem eigenen Zweck oder dass er dysfunktional ist, dann wenden sie sich ab - und fordern ein neues System.
Das zeigen die Journalisten Sweet und Gatehouse anhand einer Umfrage der New York Times , die kurz vor der Präsidentschaftswahl durchgeführt wurde. Demnach glaubten 58 Prozent der Amerikaner:innen, das System der USA müsse grundlegend verändert oder komplett abgebaut werden.
Gatehouse sagt dazu: “Trump ist zum Avatar dieser Desillusionierung geworden.”
→ Dir hat unser heutiger Newsletter gefallen und / oder du hast was dazugelernt? Dann unterstütze uns gern und werde Mitglied (das geht ab 1,50 Euro / Ausgabe). Damit hilfst du uns und sicherst die Zukunft von Wie Rechte reden - vielen Dank 🫶
Um hinter die Paywall zu gelangen, musst du Mitglied werden - ab 1,50 Euro / Ausgabe.
Zur Mitgliedschaft (Abre numa nova janela)
Já é um membro? Iniciar sessão (Abre numa nova janela)