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Mit Antifeminismus den Haushalt flicken

Wie auch immer die Sache ausgeht: Das Raunen, die sich formierende Koalition aus CDU, CSU und SPD könne beim Elterngeld kürzen, es gar in Gänze streichen (Abre numa nova janela), muss als Signal dahingehend ernstgenommen werden, was sich aktuell politisch verschiebt.

Eine vollständige Kürzung des Elterngeldes würde zum einen die Armutsgefährdung geringverdienender Eltern noch einmal deutlich erhöhen und damit zum wiederholten Male unterstreichen, welche Familiengründungen in Deutschland erwünscht sind und wie aufrichtig das Bekenntnis ist, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Die Bundesrepublik macht Bevölkerungspolitik durch die Blume. Zum anderen würde die Idee der Versorgerehe, in der ein cis Mann Partnerin und Kind_er mit einem Gehalt versorgen kann, geistig beatmet und damit auch ungleiche und starre Geschlechterrollen, in der Männlichkeit eng verbunden ist mit finanzieller Stärke und kluge Weiblichkeit sich einen Versorger sucht und Glück in der finanziellen Abhängigkeit imaginiert. Die politische Verschiebung ist mehr als konservativ: sie ist antifeministisch – ganz ohne Zutun der AfD. Nicht nur im Bereich der Migration gelingt rechtsradikalen Akteur_innen die Diskursverschiebung.

Ich möchte an dieser Stelle zunächst aus feministischer Perspektive betonen, dass eine Diskussion über das Elterngeld (der Präsident des Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, hatte vor Kurzem die vollständige Streichung ins Spiel gebracht (Abre numa nova janela)) auch als ein Ablenkungsmanöver wirken kann, wenn die Empörung über Kürzungen für Familien die Aufmerksamkeit für beabsichtigte Härten beim Bürgergeld oder die Pläne für Migrations- und Asylpolitik schwächen würde, die ebenso Gegenstand von feministischer Kritik sein müssen. Beispielsweise listet das Sondierungspapier von Union und SPD auf, die Bezahlkarte für Geflüchtete deutschlandweit zum Einsatz kommen soll, obwohl sie erheblich einschränkt, wie Menschen damit ihren Alltag organisieren können. In Hamburg hatte beispielsweise eine Schwangere erfolgreich gegen die Bargeldgrenze der Karte geklagt (Abre numa nova janela), da sie Babykleidung mit der Kartee nicht günstig auf Flohmärkten kaufen konnte.

Als die vorausgegangene Bundesregierung eine Kappung der Einkommensgrenze beim Elterngeld diskutierte und beschloss, die vorsieht, dass ab April 2025 Paare und Alleinerziehende, die ein in zu versteuerndes Jahreseinkommen von über 175.000 Euro haben, kein Elterngeld mehr bekommen werden, hatte die Empörung darüber parallele Diskussionen über die Kindergrundsicherung verdrängt, die viele Familien und Kinder aus der Armut hätten holen können, während der Ausschluss vom Elterngeld vergleichsweise wenige Familien betrifft, die zudem mit ihrem Haushaltseinkommen zu einer kleinen Gruppe von Spitzenverdiener_innen in Deutschland zählen, die Lichtjahre von der Armutsgefährdung entfernt leben. In der Diskussion gewann man kurzzeitig den Eindruck, mehr als 200.000 Euro pro Jahr zu verdienen, sei in Deutschland die Norm. Die Realität sieht dann so aus: 

(Abre numa nova janela)
Quelle: ifo Schnelldienst 8 / 2023

Familien- und Frauenpolitik sind nicht Dasselbe

Feministische Interventionen während der Koalitionsverhandlungen dürfen sich daher jetzt nicht einseitig aufs Elterngeld und seine Gleichstellungsaspekte fokussieren, sondern müssen sozialpolitische Vorhaben insgesamt kritisieren und aufzeigen, welche Gruppen weitergehend marginalisiert und in schlimmer Armut gedrängt werden und welche Menschen über die Pläne der neuen Koalition als nicht und weniger zugehörig zur Gesellschaft markiert werden. Für Asylsuchende, Migrant_innen, Menschen mit wenig Geld, Erwerbslose, queere Menschen wird das politische Klima sowie konkrete Lebensbedingungen noch rauer, sowie für Frauen und Familien auf unterschiedliche Weise, die zudem auch in allen der genannten Gruppen beheimatet sind. Feministische Kritik darf nicht den Fehler machen, Frauen vor allem als (potenzielle) Mütter zu sehen, Frauen vor allem als Staatsbürgerinnen und weiße Menschen zu sehen, sie nur aufgrund von zugewiesener Geschlechterrolle diskriminiert zu sehen, denn obgleich Care-Verantwortung für den größten Teil aller Frauen nach wie vor (phasenweise wiederkehrend) zu einem zentralen Lebensbereich zählt, ist Geschlechterpolitik mehr als Familienpolitik.

Frauen und Mütter sind auch Migrant_innen, Asylsuchende und PoC, sie sind Bürgergeld-Bezieher_innen, Geringverdiener_innen, sie leben mit Behinderungen, in queeren Beziehungen, sind trans. Frauen sind zuvor Mädchen, sie werden zu älteren Frauen und immer mehr von ihnen (Abre numa nova janela) sind im Alter arm. Eine fortwährende feministische Aufgabe ist es, Frauen- und Familienpolitik immer wieder auseinanderzuflechten und sie eigenständig zu entwickeln sowie eine differenzierte Geschlechterpolitik zu entwerfen, die genderspezifische Bedarfe und Rechte aller Menschen berücksichtigt und Nachteile ausgleicht. Eine gerechte und inklusive Gesellschaft braucht Familien- und Frauenpolitik, Familien- und Geschlechterpolitik, Familien- und Queerpolitik, Familien- und eine eigenständige Politik für Kinder- und Jugendliche.

Zum einen müssen Feminist_innen aktuell also versuchen zu verhindern, dass Familienpolitik mehr und mehr synonym zu Frauen- und Gleichstellungspolitik gelesen wird, zum anderen müssen sie innerhalb dieser Politikfelder die Unterschiedlichkeit von Familien und Personengruppen herausarbeiten und insbesondere dort Vorschläge machen, wo Menschen starke Marginalisierung erfahren, ihnen Rechte vorenthalten oder diese verletzt werden. Insbesondere von einer konservativen Regierung ist zu erwarten, dass sie Schwerpunkte im Bereich der Familienpolitik setzt, die vor allem auf Bedarfe von gut situierten Kleinfamilien mit anerkannten rechtlichen Verbindungen zugeschnitten ist, sie hingegen Gleichstellung, Antidiskriminierung und Armutsbekämpfung wenig berücksichtigen wird.

Das Elterngeld feministisch verbessern

Das Elterngeld eignet sich gut als Beispiel, um zu zeigen, wie herausfordernd eine feministische Weiterentwicklung sein kann, aber auch, wie ein Instrument, das von vielen Menschen als ein gutes politisches Instrument erlebt wird, feministische Prinzipien verletzen kann.

Die aktuellen Regelungen des Elterngeldes sowie des Mutterschutzes behandeln Menschen finanziell nicht gleich entlang der Anerkennung ihrer Schutzbedürftigkeit und Leistung als Eltern. Über die Konzeption des Elterngelds als Lohnersatzleistung bekommen die Menschen mehr Geld, deren Einkommen schon vor der Geburt höher war und die eher Rücklagen bilden können, obwohl alle Eltern während der Elternzeit Vergleichbares leisten und Anschaffungen für ein Baby das monatliche Budget fordern.

Nach Ablauf von zwölf Monaten wird die finanzielle Erziehungsarbeit eines Elternteils zudem auf null gesetzt, selbst dann, wenn es keinen Betreuungsplatz für ein Kind gibt. Hieran wird deutlich, dass weniger die Leistung als Elternteil anerkannt wird, sondern die zeitliche Struktur des Elterngeldes einen starken Impuls für die Rückkehr in den Beruf setzen soll. Genau dieses Ziel des Elterngeldes – durchschnittlich kürzere berufliche Unterbrechungen – ist auch erreicht worden, was man allen entgegnen sollte, die nun schwadronieren, das Elterngeld habe nicht erreicht, dass Menschen mehr Kinder bekommen. Das war nie das primäre Ziel des Elterngeldes (Abre numa nova janela), bei Akademinkerinnen stieg die Geburtenrate sogar, und zudem weiß man mittlerweile, dass die Entscheidung von Menschen für Kinder (Abre numa nova janela) so komplex ist, dass sie sich durch einzelne politische Instrumente kaum beeinflussbar ist. Jedoch gibt es Hinweise, dass Gleichberechtigung sowohl auf gesellschaftlicher Ebene als auch innerhalb von Partnerschaften (Abre numa nova janela) die Entscheidung für Kinder begünstigt, was für umfassende Gleichstellungspolitik insbesondere in der Berufswelt, aber auch flexible, gleichberechtigte Geschlechterrollen spricht, die Menschen von der Kindheit an beobachten und erlernen können sollten. 

Familienpolitik für die Mittelschicht

Das Elterngeld wurde 2007 eingeführt und löste das bisherige Erziehungsgeld ab, was geringverdienende Eltern schlechter stellte als vor der Reform. Denn das Erziehungsgeld konnte für maximal 24 Monate in der Höhe von 300 Euro bezogen werden oder max. zwölf Monate lang in der Höhe von 450 Euro – die gleiche Summe für alle Eltern – während der Mindestsatz des Elterngeldes nur noch 14 Monate lang bezogen werden kann. Für geringverdienende Mütter, die zwei Jahre lang beruflich pausieren oder nicht erwerbstätig sind, bedeutete das eine Leistungskürzung um 50 Prozent oder um 3.600 Euro, daher zeigte sich der Effekt schneller in den Beruf zurückzukehren stärker bei geringverdienenden Frauen als bei Frauen mit höheren Einkommen vor der Geburt.

Im Vergleich zum Erziehungsgeld bekommt eine Mutter, die jetzt den Maximalsatz Elterngeld beziehen kann, nun pro Monat das Sechsfache des vorigen Betrags bekommt. (Prozentual beziehen deutlich mehr Väter den Maximalsatz des Elterngeldes, sodass ironischerweise ihre famlliäre Care-Arbeit durch das Elterngeld durchschnittlich höher bewertet wird als die Arbeit von Frauen.)

Kaum ein Beispiel zeigt derart drastisch – Halbierung vs. Versechsfachung – wie die Priorität der Familienpolitik auf besserverdienende Eltern wechselte und wie stark die Umverteilung finanzieller Mittel in die Mittelschicht über das Elterngeld erfolgte – auf Kosten geringverdienender Menschen. Zwar verbesserte sich die finanzielle Lage von Eltern in der Gesamtbetrachtung durch das Elterngeld und milderte Armutsrisiken für einige Familien ab, für die Eltern, die nur den Mindestsatz beziehen, trat diese Wirkung hingegen nicht ein.

Hierzu ist es wichtig zu wissen – auch dann, wenn man über Mobilisierungsstrategien nachdenkt – wie viele Eltern nur den Mindestsatz des Elterngelds beziehen, gerade dann, wenn als Argument gegen die Streichung des Elterngeldes argumentiert wird, es diene insb. Müttern als eigenständige Existenzsicherung. Nur wenige Mütter beziehen ein so hohes Elterngeld, das sie als finanziell unabhängig gelten können. Die größte Gruppe der Mütter, die Elterngeld bekommen, erhält aktuell nur 300 Euro. Rund ein Drittel der Mütter und etwa zehn Prozent der Väter erhalten lediglich den Mindestsatz (Abre numa nova janela). Die Gruppe der jungen Mütter ist hier überrepräsentiert: 64 Prozent der Mütter unter 25 Jahren erhalten nur den Mindestbetrag, während es bei den 25- bis unter 35-Jährigen nur noch 28 Prozent sowie 26 Prozent bei den 35- bis unter 45-Jährigen sind.

Das zeigt auch, dass das Elterngeld die Verzögerung der Familiengründung finanziell rational erscheinen lässt, denn eine abgeschlossene Ausbildung oder die Gehaltsentwicklung über die Berufsjahre führen zu höheren Elterngeldbezügen. Von einer Erhöhung des Mindestsatzes oder einer grundlegenden Reform könnten aktuell vor allem junge Eltern, Familien mit mehreren Kindern (insb. mit geringem Altersabstand) und Geringverdiener_innen profitieren. Möchte man eine große Gruppe von Frauen über das Thema Elterngeld ansprechen, muss man sich vergegenwärtigen, dass finanzielle Abhängigkeiten und wenig finanzieller Spielraum für Mütter ein besonders wichtiges Thema sind, das oftmals eine existenziellere Bedeutung hat als die Frage, ob die Sorgearbeit hälftig geteilt wird oder die Karriere nach der Elternzeit weitergeht.

Dass in den vergangenen Jahren zum einen die Armutsbekämpfung politisch unwichtiger wurde und Care-Verantwortliche in Elternzeit finanziell schlechter gestellt wurden als andere Gruppen, zeigt sich auch daran, dass das Elterngeld seit der Einführung 2007 nie angepasst wurde und damit jede Höhe von ausgezahltem Elterngeld deutlich weniger kaufkräftig ist (minus 27 Prozent) als zu seinem Start. Matthias Collischon vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat den Wertverlust des Elterngeldes im Vergleich zu anderen Sozialleistungen in dieser Woche in einer Grafik aufbereitet. Besonders gravierend wirkt sich der Wertverlust für Bezieher_innen des Mindestsatzes aus.

(Abre numa nova janela)
Grafik von Matthias Collischon | IAB

Lesetipp: „Reformvorschläge für die Ausgestaltung des Elterngeldes“ (Abre numa nova janela) von Svenja Pfahl, Stefan Reuys, unter Mitarbeit von Maike Wittmann.

Das alte Erziehungsgeld war zudem unterstützender und ,empathischer‘ gegenüber Eltern mit sehr wenig Geld, denn es stellte für alleinerziehende Mütter eine „existenzsichernde finanzielle Situation knapp oberhalb der Armutsschwelle“ (Abre numa nova janela)her, da es nicht auf die Sozialhilfe angerechnet wurde. Diese Regelung hatte zunächst auch für das Mindest-Elterngeld und den Bezug des Arbeitslosengeldes II Bestand, das Elterngeld für Erwerbslose wurde jedoch 2010 im Zuge eines Sparpaketes gestrichen und wird seitdem vollständig auf das ALG II angerechnet. So wurden einkommensschwache Eltern in einem weiteren Schritt gegenüber einkommensstarken Eltern benachteiligt. Die Forderung, auch Bürgergeld-Bezieher_innen wieder ein Elterngeld zu zahlen oder Alleinerziehende besonders zu berücksichtigen, hört man in feministischen Diskursen kaum.

Die Unterstützung für Eltern in den ersten Babyjahren muss heute also als „klassenselektiv“ bezeichnet werden; die aktuelle Elterngeldregelung hat demnach eine hochambivalente Fortschrittsgeschichte, die zwar die Erwerbsmuster von Müttern und Vätern sanft hin zu mehr Partnerschaftlichkeit, finanzieller Eigenständigkeit und besseren beruflicher Perspektiven von Müttern verändert hat (mit unterschiedlichen Effekten je nach Bildungs- und Einkommensgruppen) sowie in Verbindung steht mit dem Ausbau von Kinderbetreuung, zeitgleich jedoch eine Abkehr vom Prinzip sozialer Gerechtigkeit und dem Fördern sozialer Mobilität bedeutet. Wer sich fragt, warum armutsbetroffene Menschen sich von den feministischen Diskursen des Mainstreams nicht vertreten fühlen, findet hier eine Antwort.

Elterngeld wirkt auch auf Kinder

Der Politikwissenschaftler Jörg Nowak (Abre numa nova janela) verweist zudem darauf, dass Erziehungs- und Elterngeld nicht nur in ihrer Wirkung auf die Eltern analysiert werden müssen, da finanzielle Möglichkeiten signifikant auf die Entwicklung von Kindern wirkt:

„Anstatt relativ arme Eltern in der Weise zu fördern, dass sie finanziell mehr Spielräume haben, was nachweislich Bildungskarrieren beeinflusst, werden gut ausgebildete und relativ gut verdienende Eltern dazu ermuntert, mehr Kinder zu bekommen.“ – Jörg Nowak

Wenn die familienpolitische Strategie – unabhängig davon, ob sie aufgeht oder nicht – also ist, höher formell gebildete und einkommensstarke Menschen zum Kinderkriegen zu ermutigen, ärmeren Menschen die Unterstützung zu entziehen und sie so ggf. von der Familiengründung oder mehreren Kindern abzuhalten, ist das auch Ausdruck davon, dass sich der Staat aus der Rolle zurückzieht, allen Kindern gute Bildungsangebote zu machen und soziale Mobilität zu ermöglichen, und Bildungsaufgaben zurück in Familien und die von ihnen selbst bezahlte zusätzliche Bildung verlagern will, denn besser gestellten Eltern können diese Aufgaben eher übernehmen. Bildungsverläufe werden somit stärker in die „Eigenverantwortung“ von Eltern gegeben, Ungleichheiten entpolitisiert, was kaum dazu führen wird, dass sie sich schließen werden.

Anti-emanzipatorische Diskurs-Impulse

Schon das laute Nachdenken über die Streichung des Elterngeldes von konservativer Seite muss in seiner Stoßrichtung verstanden werden: An dieser Stelle geht es auch darum, die Befürworter_innen des Elterngeldes jetzt dahingehend zu mobilisieren, den Verlust des Status-quo zu fürchten und ihn erhalten zu wollen. Denn würde das Elterngeld an sich in den kommenden Wochen tatsächlich zur Debatte stehen, wäre das naheliegende Ziel, diese Idee abzuwehren oder es nur mit leichten Einschnitten oder ohne Verbesserungen zu behalten.

Die Debatte wird durch die frühen Vorstöße nun dahingehend beeinflusst, das größere Reformen des Elterngeldes noch schwieriger durchzusetzen sind und als überzogen erscheinen. Feminist_innen würden, sollte am Ende das Zugeständnis stehen, das Elterngeld in seiner jetzigen Form zu behalten, dann den Stillstand feiern sowie das Bestehen eines familienpolitischen Instruments, das sozial nicht gerecht ist und nur mäßig auf partnerschaftliche Arbeitsteilung wirkt.

An dieser Stelle müssen feministische und progressive Akteur_innen von Konservativen und Rechtspopulist_innen lernen: Wenn Ideen früh und provokant in die politische Debatte gegeben werden, haben sie eine größere Chance, ihre Richtung mitzubestimmen.

Ob frühe feministische Interventionen geplant werden und medial aufgegriffen werden, findet auch innerhalb ungleicher Machtverhältnisse statt. Feministische Publizist_innen oder Wissenschaftler_innen werden nicht in gleicher Weise rezipiert wie die Chefs von Wirtschaftsinstituten, deren Einwürfe es leichter in die Meldungen von Nachrichten-Agenturen schaffen und dann medial breit aufgegriffen werden. Umso wichtiger ist es, dass sich die feministische Zivilgesellschaft und politische Akteur_innen, die Rückschritte verhindern wollen, stärker vernetzen und sowohl antizipieren, welche Angriffe auf politische Instrumente und Themen innerhalb von Koalitionsverhandlungen erfolgen könnten, und dann frühzeitig überlegen, über welche Expert_innen nicht nur andere Einschätzungen zu Ideen wie der Streichung des Elterngeldes gesetzt werden können, sondern wie insbesondere eigene Ideen und Prioritäten in die öffentliche Debatte getragen werden können.

Das Elterngeld weiterdenken

Feministische Entgegnungen auf die Idee, das Elterngeld zu streichen, können jetzt sogar subversiv an den Vorschlag anknüpfen und sagen:

„Ja, wir wollen das Elterngeld in dieser Form auch nicht mehr. Wir wollen eine Kompensation für diese essentielle Arbeit, die alle Eltern und ihre Kinder stärkt und gute Voraussetzungen für sowohl Familienleben und Bildungschancen der Kinder schafft. Wir wollen ein politisches Instrument, das sowohl Partnerschaftlichkeit in der Familie mit großen Sprüngen nach vorn bringt sowie die finanzielle Eigenständigkeit einzelner Eltern sichert. Wir nehmen eine Verschärfung des Armutsrisikos für geringverdienende Menschen durch Elternschaft und Pflege nicht hin und unterstützen insbesondere armutsbetroffene Familien. Wir erkennen die Leistung, sich um ein Baby und um andere von Care abhängige Personen zu kümmern, für alle in Deutschland lebende Menschen an, da ihre Arbeit sowohl Zukunftsinvestition als auch Daseinsvorsorge ist, die von materiellem Wert ist und ohne finanzielle Anerkennung eine Form der Ausbeutung darstellt. Wir schlagen ein Care-Einkommen vor, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt, das Sicherheitsempfinden und die Teilhabe von viel mehr Menschen stärkt sowie dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichberechtigung gerecht wird. Denn durch Krisen kommt man nicht, indem Menschen weniger Sicherheit, Anerkennung und Teilhabe erfahren, sondern durch stärkere sozial-integrative und antidiskriminierende Politik. Daher braucht es gerade jetzt neue und umfassende Vorschläge, Care-Verantwortliche materiell zu unterstützen, statt Familie und Gleichstellung in der politischen Wertigkeit herabzustufen.“

Die Debatte betrifft auch pflegende Angehörige
Eines muss zudem klar sein: Wird das Elterngeld jetzt gestrichen oder stark gekürzt, sieht es auch für die überfällige Einführung einer finanziellen Leistung bei Pflege von Angehörigen düster aus. Zwar steht im Wahlprogramm der Union: „Pflege darf kein Armutsrisiko sein – das ist unser Anspruch“ sowie bei der SPD: „Mit einer Familienpflegezeit und einem Familienpflegegeld, ähnlich wie beim Elterngeld, ermöglichen wir die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ohne finanzielle Einbußen“ – doch für Care als weiblich konnotiertes Thema sieht es aktuell schlecht aus.

Die Strategie, aktuell nur den Status-quo zu verteidigen, läuft in der Kompromissfindung auf Einschnitte in der Familienpolitik hinaus. So ungünstig die aktuellen politischen Konstellationen auch für feministischen Fortschritt erscheinen mögen, so wichtig ist es, die eigenen politischen Forderungen nicht zu beschneiden, sondern das Gegenteil davon zu tun: Sie müssen kreativer, inklusiver, selbstbewusster werden. Denn wie soll Gleichstellungspolitik ernstgenommen werden, wenn sie zufrieden ist, wenn sich nichts verschlechtert?

Wenn konservative Publizisten wie Rainer Hank (FAZ) plötzlich kritisieren, das Elterngeld privilegiere Besserverdiener (Abre numa nova janela) und dort könne gespart werden, muss man schon fragen, warum nicht auch zahlreiche andere politische Instrumente zur Debatte gestellt werden, die Reichen zu Gute kommen oder Erbschafts- und Vermögessteuer ins Spiel gebracht werden, sondern denjenigen, die gerade so fleißig mitdenken, vor allem eine Leistung einfällt, die vor allem von Müttern genutzt wird und sich an jüngere Menschen richtet, die Eltern werden wollen.

Bettina Kohlrausch (Abre numa nova janela), Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschaft- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, bringt zudem auf den Punkt, dass Sparkurse von Regierungen oftmals in ihrer geschlechtsspezifischen Wirkung auf Kosten von Frauen gehen (und Investitionen und Wirtschaftshilfen Frauen benachteiligen, weshalb die Einführing von Gender-Budgeting überfällig ist):

„Wenn Sparen jetzt bedeutet, jede noch so kleine finanzielle Kompensation vormals vollständig unentgeltlicher Sorgearbeit in Frage zu stellen, bedeutet das, dass Frauen Deutschland mit zusätzlicher unbezahlter Arbeit aus der Krise holen sollen. Da bleibt wirklich nur noch Streik als Option.“ – Bettina Kohlrausch

Wer darf Familie sein?

Noch ein letzter Aspekt: Eine Streichung des Elterngeldes würde – ohne es überhaupt erwähnen zu müssen – die Vielfalt von Familienformen zurückdrängen und Lebensentwürfe wie Single Mothers by Choice oder Co-Parenting-Konstellationen erschweren. Allein ein Kind zu bekommen, es von Anfang an mit unterschiedlichen Haushalten zu erziehen oder sich in einer Schwangerschaft zu trennen, ist ohne Elterngeld eine völlig andere Entscheidung. Wem es also aus seiner Weltsicht ein Dorn im Auge ist, dass eine wachsende Anzahl von Frauen ihre Entscheidung für ein Baby nicht mehr von dazu passenden Partner_innen abhängig macht – was vor allem ein Angriff auf Macht und Bedeutung von cis Männern ist – kann diese Selbstbestimmung darüber angreifen, Elternschaft zu einer größeren finanziellen Herausforderung zu machen, die zu zweit leichter zu stemmen ist als allein. Auch die Eheschließung würde mit einer Streichung des Elterngeldes noch einmal mehr zum ökonomischen Zwang, da der Steuervorteil durch das Ehegattensplitting besonders dann, wenn ein Elternteil nach einer Geburt kein eigenes Einkommen mehr hat, das fehlende Elterngeld kompensieren könnte.

Wer an dieser Stelle des Textes noch Humor übrig hat, kann die Streichung des Elterngeldes auch als Botschaft deuten, dass es finanziell klüger ist, in Mehrelternkonstellationen zu dritt, zu viert, zu fünft usw. eine Familie zu gründen – auch wenn diese Familien unter einer Merz-Regierung sehr sicher nicht rechtlich anerkannt werden.

Den Backlash nicht kleinreden

Die Zeichen eines antifeministischen Backlashs finden sich überall. Für sich genommen wirken sie zufällig und manchmal verschmerzbar; sie sind es nicht, weil ihre Summe bereits jetzt bedeutsam ist und zeigen, dass Gleichstellung, Vielfalt, Geschlechterpolitik, im besten Fall als Nice-to-have gesehen werden – so wie Clemens Fuest es tat – nicht aber als Selbstverständlichkeit sowie geteilte, unverrückbare Werte. Doch Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit gehören zusammen.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil kündigte kurz vor den Sonderierungsgesprächen mit der Union an, seine Partei wolle sich dafür einsetzen „dass das Leben der normalen Leute konkret besser wird“ (Abre numa nova janela). Ich möchte an dieser Stelle wohlwollend sein und glauben, dass er es nicht in der Manier von Rechtsradikalen gedacht hat, die damit implizieren, dass es auch „unnormale Leute“ gebe, die keinen Anspruch auf Gleichbehandlung haben und nicht zur Gesellschaft gehören sollen. Die AfD plakatierte im Bundestagswahlkampf 2021: „Deutschland. Aber normal.“ Dennoch wäre ich neugierig zu erfahren, an wen Klingbeil denkt, wenn er von „normalen Leuten“ spricht, warum er diesen Ausspruch wählt und was damit politisch verbunden ist.

Schon als Allein- und Getrennt-Erziehende frage ich mich, ob ich davon gemeint bin, ober ob der falsche Glaube, der Erfolg der AfD erkläre sich mit der Vernachlässigung der „arbeitenden Mitte“, auch impliziert, dass solch eine vermeintliche Mitte eher weiß, ohne Migrationshintergrund, heterosexuell, cis, verheiratet und männlich ist. Denn wenn Politik für die „arbeitende Mitte“ alle Geschlechter meint, sowie alle Eltern und nicht primär Väter, muss sich noch sehr viel tun und die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen müssten dann zeigen, dass care-geprägte Lebensrealitäten wichtig sind.

Und jetzt?

Denke ich an die Möglichkeit, das Elterngeld könne vollständig gestrichen werden, fällt mir ein Satz aus dem AfD-Wahlprogramm 2025 wieder ein: „Familien sollten idealerweise von einem Gehalt leben können und nicht auf eine Doppelberufstätigkeit angewiesen sein.“ Die Sehnsucht nach dieser übersichtlich geordneten Welt, nach dem Alleinernährer, nach klaren Rollen, könnte größer werden, selbst dann, wenn man nichts mit rechtem Gedankengut zu tun haben will. Doch warum bedienen dann auch Menschen, die sich politisch nicht in der Neuen Rechten verorten, die sie vielleicht sogar gern zurückdrängen würden, aktuell Bilder, bei der die AfD zufrieden lacht?

Wer aktuell politisch Verantwortung trägt, hat nicht die Aufgabe, mit den schnellsten Ideen am meisten zu sparen, sondern die demokratischen Konsequenzen der eigenen Ideen genau zu durchdenken. Wird das nicht getan, könnten sie als Bumerang zurückkommen.

Bis bald
Teresa

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Lesungen, Gespräche, Moderationen mit mir 2025

teresabuecker.de/termine (Abre numa nova janela)

26.03.2025 – Nürtingen-Geislingen
Vortrag und Diskussion: »Zeitgerechtigkeit ist keine Utopie«
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU)
Sigmaringer Str. 25
72622 Nürtingen
19-20:30 Uhr

Infos & Anmeldung (Abre numa nova janela)

27.03.2025 – Saarbrücken
Lesung aus »Alle_Zeit« im Rahmen des Internationalen Frauentages 2025
im Schloss Saarbrücken
Schlossplatz 15
66119 Saarbrücken
19 Uhr

Infos (Abre numa nova janela)

28.03.2025 – Karlstadt
Lesung aus »Alle_Zeit« im Rahmen des Internationalen Frauentages 2025
Historisches Rathaus in Karlstadt
Am Schnellertor 8
97753 Karlstadt
19 Uhr 

Eintritt: kostenfrei, Spenden willkommen

Infos (Abre numa nova janela)

02.04.2025 – Karlsruhe
Lesung
Jubez
Kronenplatz 1
76133 Karlsruhe

19 Uhr
Infos und Anmeldung (Abre numa nova janela)

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