Nicht schon wieder die RAF…
Jetzt hat der Staat also eines der ehemaligen RAF-Mitglieder festnehmen können. Daniela Klette, im “hippen” oder von “Linksextremen” geprägten Kreuzberg. So halb hatte ein RBB-Podcast (Abre numa nova janela) sie schon entdeckt. Mit Gesichtserkennung (Abre numa nova janela). Und das alles wirft viele Fragen und Gedanken in mir auf. Deswegen wird es heute wieder ein bisschen monothematisch.
Ich vermute, so gut wie alle Menschen, die irgendwann zwischen 1970 und 2010 Berührungspunkte zu linken Bewegungen hatten, haben sich in irgendeiner Form mit der RAF auseinandergesetzt. Als der Baader-Meinhof-Komplex verfilmt wurde, war es besonders unangenehm. Viele jüngere Genoss*innen fanden die RAF nach dem Kinobesuch besonders cool. Es gab viel zu diskutieren, darüber wie erfolgsversprechend es so ist, als bewaffnete “Avantgarde” ohne soziale Basis zu agieren. Wie systemkritisch es ist, einzelne Funktionsträger von Staat und Kapital zu ermorden, aber gleichzeitig überhaupt nichts an den Strukturen ändern zu können. Und dann natürlich noch der Antisemitismus (Abre numa nova janela). Ich vertiefe das jetzt alles nicht.
Nun ist die RAF schon lange Geschichte. Die drei letzten Gesuchten sollen in den letzten Jahren mehrfach Raubüberfälle begangen haben und wurden deswegen gesucht. Kriminalität, bei der man davon ausgehen kann, dass sie dazu diente, ihr Leben in der Illegalität zu finanzieren.
Fürs nd habe ich ein sehr angenehmes und anregendes Gespräch (Abre numa nova janela) mit dem Historiker Robert Wolff (Abre numa nova janela) geführt. Der sagt, auch wenn Klette jetzt festgenommen wird, und die anderen auch, werden wir nicht mehr über die RAF erfahren. Weil Gerichtsprozesse halt nur den Zweck einer Verurteilung haben und es von keiner Seite ein Interesse an der “historischen Wahrheit” gibt. Das wurmt mich. Am Telefon haben Robert und ich ein bisschen mehr darüber gesprochen, als dann tatsächlich in die Zeitung gekommen ist. (Ich hatte etwas Platzmangel.) Was Robert im Interview betont, ist, wie wichtig es wäre, dass die Verfassungsschutzämter ihre Akten öffnen. Das wäre gut. Dadurch würde klar, wie der Staat in dem Kontext agiert hat. Da gäbe es definitiv noch einiges aufzuarbeiten.
Als Linken würde mich aber natürlich auch interessieren, was die RAF-Mitglieder sich bei ihren Aktionen gedacht haben und wie sie heute darüber denken. Das wäre für die gesamte Gesellschaft und für Hinterbliebene und Opfer der Anschläge natürlich auch von höchstem Interesse. Nun, die ehemaligen RAF-Mitglieder, ob noch in der Illegalität oder nach Jahren im Knast sich irgendwie in der Gesellschaft durchschlagend, sagen dazu nichts. Und das ist auch dass Beste, was sie tun können. Die Wortwahl bei der Pressekonferenz (Abre numa nova janela) zur Festnahme von Daniela Klette war eindeutig. Auch wenn die RAF schon lang besiegt ist, war das Triumphgeheul riesig.
Eine Aufarbeitung, die vor allem der Wahrheitsfindung dient, wird es so wohl nicht geben. Welche Täter*in soll reden, wenn ihr unabsehbar lange Gefängnisstrafen drohen. Auf der politischen Bühne oder in der Mitte der Gesellschaft gibt es derzeit wohl niemanden, der das Gewicht und das Interesse hat, Lösungswege auf den Tisch zu bringen, bei denen die Opfer die Wahrheit erfahren und die Täter*innen ihre Motive schildern können, ohne dass ihnen eine neue Strafe droht. Wahrscheinlich wird es nicht zu so einer Lösung kommen. Die Gesellschaft vergibt sich damit aber eine Chance.
Am letzten Wochenende hab ich schon die erste Jahreshauptversammlung der kleinen, roten Partei, in die ich kürzlich eingetreten bin, hinter mich gebracht. Das war nett, ich hab sogar ein bisschen Propaganda (Abre numa nova janela) geschrieben und bald schreib’ ich auch ein paar Sätze übers Parteileben. Weniger nett ist, was die verbliebenen Abgeordneten der Linken im Bundestag so veranstalten. Und der Kommentar (Abre numa nova janela), den ich in der Jungle World geschrieben habe, ist eher keine Propaganda.
Dinge, auf die ich euch noch aufmerksam machen mag:
Es gibt diesen Endlos-Podcast von der Zeit (Abre numa nova janela). Und ich hab noch nie eine Folge bis zum Schluss gehört, meistens bin ich bei dem exaltierten Gelaber übers Essen raus. Nun, die aktuellen fünfeinhalb Stunden hab ich gehört, weil Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu Gast war. Sie erzählt ganz viel über ihr Verständnis von Liberalismus (wenn alle Liberalen so wären, hätten wir weniger Ärger), Leserbriefe, die ihr Vater über ihre Politik in der FAZ veröffentlicht hat, und über Hunde. Lohnt sich!
Das mit dem Kiffen wird doch nicht so einfach. Auch der Grüne Justizminister aus NRW hat jetzt Bedenken (Abre numa nova janela), dass die Justiz es geregelt kriegt, Menschen zu entkriminalisieren. Er ist für eine Verschiebung auf Oktober.
Das war’s für diese Woche. Entschuldigt, dass es Samstag geworden ist. Die Frau, die auch gleichzeitig Lektorin von dem Quatsch hier ist, hat am Freitagabend schon geschlafen und heute früh wollten wir erstmal Feld, Wald und Wiese mit dem Hund erkunden.