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Der 27. Januar - kein Tag wie jeder andere

Hallo,

morgen ist es 79 Jahre her, dass die Rote Armee Auschwitz befreit hat. Das Vernichtungslager, das wie kein anderes symbolisch für den Holocaust steht. Deswegen wird am 27. Januar international des Holocausts gedacht. An runden Gedenktagen meist größer als an solchen wie in diesem Jahr. Aber dieses Jahr fällt der 27. Januar auf einen Samstag, und da fällt eins dann schon auf. Der 27. Januar ist in diesem Jahr vor allem ein normaler Samstag. Schaut man in kommerzielle Partykalender ist gar kein Unterschied zu einem gewöhnlichen Samstag festzustellen, auch zahlreiche linke Orte haben ein normales Programm mit Partys und Konzerten.

Nun habe ich ein durchaus kritisches Verhältnis zur Gedenkkultur in Deutschland. Viel ist doch zu sehr Ritual und scheint der Selbstdarstellung und Vergewisserung von Akteur*innen aus Politik und Zivilgesellschaft zu dienen. Auch der dazu passende Netzaktivismus, mit Schildchen und betretenem Gesichtsausdruck, spricht mich nicht wirklich an.

Dennoch ist das Gedenken wichtig. Ich glaube, die Demonstrationen gegen Rechts wären in den letzten Tagen und Wochen nicht so groß gewesen, wenn die Menschen in diesem Land nicht immer wieder an den Nationalsozialismus und seine Vernichtungspraxis erinnert würden. Sei es der Stolperstein in der Nachbarschaft, die Zeitungsmeldung über eine Gedenkveranstaltung oder eben das #weremember-Schildchen auf Instagram. Außerdem verdanken wir den Geschichtsarbeiter*innen immer wieder neue, spannende Informationen. Im Aufruf (Abre numa nova janela) für den Gedenkrundgang in Wuppertal wird an den 93-jährigen Jochanaan Meinrath erinnert, der seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober vermisst wird. Meinrath ist ein Enkel von Josef Norden, der von 1907 bis 1935 Rabbiner in Wuppertal-Elberfeld war. Josef Norden starb im KZ Theresienstadt.

Und da kommen wir ins Heute. In Magdeburg findet die Gedenkveranstaltung des Landtags wegen einer Bauerndemo nicht statt. Zwar haben die Landwirt*innen ihren Protest verschoben (Abre numa nova janela), die Gedenkveranstaltung findet aber trotzdem nicht statt. In den Familien Porsche und Wagenknecht/Lafontaine scheint man über noch weniger Geschichtsbewusstsein zu verfügen. Ein Sprößling der Auto-Dynastie veranstaltet am Samstag ein fragwürdiges Spaßrennen (Abre numa nova janela). Die anderen treffen sich zum ersten Parteitag des Bündnisses Sahra Wagenknecht.

An Dreistigkeit nicht zu überbieten ist allerdings, was die deutsche Palästina-Solidarität am 27. Januar so veranstaltet. In Mannheim planen sie eine Demonstration unter dem Motto: “Nie wieder, für niemanden. - Nie wieder Faschismus. Nirgendwo!” Dass die Veranstalter*innen hier eine Kontinuität von Auschwitz zum Gaza-Krieg herstellen, ist unbestreitbar. Auch in Wuppertal soll für Palästina demonstriert werden, unter dem unverfänglichen Motto “Gegen die Aggression in Gaza”. Ob die Reden bei der Demonstration ähnlich unverfänglich sein werden, bleibt abzuwarten. Ich vermute, das wird nicht der Fall sein. Die große Aufregung über antisemitische Demos ist vorbei, Polizei und Medien schauen nicht mehr so genau hin, da spricht es sich doch gleich viel freier.

Keine schönen Aussichten. Jüd*innen haben sich in den letzten Tagen vermehrt zu Wort gemeldet, sich über die Massendemos gegen AfD und Rechtsruck gefreut, aber auch ihr Bedauern geäußert, dass ihnen nicht so viele Menschen zur Seite standen. Möglichkeiten, das nachzuholen wird es geben. Am 27. Januar und darüber hinaus. Damit “Nie wieder ist jetzt!” nicht nur eine Floskel bleibt.

Das wars für diese Woche. Diesmal ohne Links und Verweise auf Texte von mir. Ich habe Urlaub.