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Der Sommer ist überbewertet

Der Sommer ist überbewertet. So. Ich hab’s gesagt. Lange Fahrradtouren, Erdbeerfelder und dösige Tage am See, ja ja, alles sehr schön. Szenen unbeschwerten Glücks. Man braucht nichts. Man riecht einfach an einer Blume und schon ist man satt. Abends fällt man gebräunt ins Bett und morgens steht man entspannt auf, weil man weiß, dass man ohne Jacke rausgehen darf. Man postet Fotos von sich unter einem Sonnenschirm auf Social Media, trinkt eiskalte Limonade und auf völlig unerklärliche Weise ertönt immer irgendwo Kinderlachen (aber nicht die nervige Sorte, sondern die erheiternde). Das wollen Sommer-Fans einem weismachen, aber ich sage dir: Lass dich nicht verarschen. Sie erzählen nur die halbe Wahrheit. Sie verschweigen die reibenden Oberschenkel und den unruhigen Schlaf in überhitzten Wohnungen. Sie wollen nichts davon wissen, dass du über Monate hinweg entweder schwitzige oder dreckige Füße hast. Außerdem ständig Durst. Dass du vermutlich mehr als in jeder anderen Jahreszeit darüber nachdenkst, wie deine nackten Beine aussehen (beim Gehen, beim Rennen, beim Sitzen – Und ist das normal, dass Knie so knubbelig sind?). Sie haben gute Laune, während du in einem stickigen Büro sitzt oder versuchst, den stechenden Menschengeruch in der U-Bahn zu ignorieren. Wenn du Brillenträger:in bist, brauchst du ein ausgeklügeltes System optischer Optimierung, um 1. etwas sehen zu können und 2. nicht ständig geblendet zu werden. Achja, und: WESPEN. Das eigentlich belastende am Sommer sind aber nicht die reibenden Oberschenkel oder die dreckigen Füße. Es ist das Gefühl, dass man irgendetwas falsch macht, wenn man sich nicht völlig der kollektiven 30-Grad-Euphorie hingibt.

Als ich noch regelmäßig unter depressiven Verstimmungen litt, ging es mir tatsächlich im Sommer oft schlechter. Ich fühlte mich kränker, wenn ich keinen Bock hatte, mich in die Sonne zu legen oder das schöne Wetter zu nutzen. Ich fühlte mich undankbar, wenn ich nicht mitmachte beim Freizeitimperativ: Grillen! Park! Urlaub machen! Sonne tanken! Ich fühlte mich schuldig, dass ich das Leben nicht genießen konnte, obwohl es doch so schön draußen war. Erst wenn die Zeichen langsam auf Frühherbst standen, stellte sich eine Art Erleichterung ein, in die sich aber auch Scham darüber mischte, schon wieder einen Sommer »verpasst« zu haben, das Gefühl, dass mein Leben an mir vorbeizog und die unerklärliche Sehnsucht, in kurzen Hosen auf einem Erdbeerfeld zu stehen. 

Der Sommer war natürlich nie das eigentliche Problem. Das Problem war, dass es mir nicht gut ging und sich alles wie ein Auftrag anfühlte. Auf meine innere Müsste-Mal-Liste gesellte sich nun eben neben »Leute zurückrufen«, »Hausarbeit schreiben« und »Leben auf die Reihe kriegen« auch noch der Punkt »Sommer genießen«.

Der Sommer, mit seinem aggressiv vermarkteten Ideal, machte mir schmerzlich bewusst, wie weit mein Zustand von diesem Ideal entfernt war. Und in die Lücke zwischen Ist und Soll passt jede Menge Leid.

Besonders im Sommer, aber auch bei allen anderen Dingen, die gemeinhin als »schön« gelten: Silvester zum Beispiel, oder Festivals oder Yoga oder Saufen oder die Jugend. Alles, was ausgekostet werden muss. 

Erst mit der Nüchternheit und etwas später mit der ADHS-Diagnose begann ich herauszufinden, was ich selbst eigentlich als Spaß, Entspannung und Erholung empfand. Wer zum Beispiel mit so einem inneren Motor ausgestattet ist, empfindet einen ruhigen Strandnachmittag unter Umständen als intensive Übung in Selbstkontrolle. Und wer mit seinem Körperbild struggled, findet im Freibad vielleicht keinen inneren Frieden. Wer schnell von Menschenmengen überfordert ist, kommt von einem Festival vielleicht nicht beseelt und ausgepowert, sondern ziemlich gestresst zurück. Damit sage ich nicht, dass sich diese Dinge nicht auch lohnen können. Ich sage nur, dass man nicht von sich verlangen muss, dabei das zu empfinden, was (scheinbar) alle anderen empfinden. Für manche Menschen mag das offensichtlich klingen, aber für mich war es das lange Zeit nicht. Wenn deine Erholungszeit anstrengend ist, dann erholst du dich nicht. Wenn du den Gedanken an Erholung als stressig empfindest, wirst du ihr keinen Raum in deinem Leben machen. Und wenn du ein schlechtes Gewissen hast, irgendwas nicht genug zu genießen, dann genießt du es nicht. Du bist nicht das Problem. Du hast nur ein anderes Bedürfnis.

Letztes Jahr war ich mit Anne am Meer. Wir liefen einmal am Strand entlang und sprangen dann ins Wasser. Nach fünf Minuten sagte ich: »Ey, das ist super schön und alles, aber auch ein bisschen langweilig« und sie rief »Oh Gott, DANKE! Ich will wieder an Land.« Wir lachten und gingen zurück an Land, ließen uns kurz trocknen und gingen weiter. Früher hätte ich ein schlechtes Gewissen gehabt: gegenüber Anne, dass ich ihr den Spaß verdarb. Gegenüber mir selbst, dass ich nicht einfach mal einen Moment genießen konnte. Gegenüber dem Meer (?!), dass ich es nicht genug wertschätzte. Heute ist das genau meine Erholung: Mein Ist nicht ständig mit einem empfundenen Soll zu vergleichen, dem ich mehr schlecht als recht hinterherlebe. Witzigerweise habe ich mich so auch mit dem Sommer versöhnt. Wenn ich eine Weile ohne schlechtes Gewissen in einem abgedunkelten Wohnzimmer saß, weil mir die Kontraste draußen zu hart waren, habe ich irgendwann von alleine Lust und Energie, zum See zu fahren. Wenn ich eine zeitlang alleine vor mich hin gedümpelt bin, habe ich wieder Kapazität für andere. Und wenn ich den Sommer auch zwischendurch mal richtig kacke finden kann, dann kann ich ihn auch wieder lieben. 

Also, wo auch immer ihr gerade seid: Im Urlaub oder im Netflix-Binge, im Café oder mit Pizza auf dem Sofa: Ich hoffe, es gefällt euch dort.

Love,

Mika

Tópico Weekly

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