Botox hin oder her

Ich bin mit Rita in einer schicken Beauty Klinik im Grunewald verabredet. Es ist ein klassischer Januartag, das Licht ist mattgrau, nasser Schnee fällt bewusstlos vom Himmel, Trump ist Präsident der USA, Merz bald Präsident von Deutschland, nichts deutet darauf hin, dass je wieder irgendwas leben wird. 

Ich laufe durch die Villengegend, ein Haus ist übertriebener als das andere, eins versucht sich sogar in ein bisschen Rokoko, mit neckischen kleinen Türmchen, die aussehen, als wären sie nur zur Deko da, modelliert aus weißer Sahne. 

Leben hier wirklich Leute? Haben sie diese Häuser geerbt? Sind sie glücklicher als ich? Wo ich wohne, verkaufen sie Vapes, CBD in bunten Aluminiumdosen, Döner für mittlerweile skandalöse 7,50 und Plastik Möbel, die aussehen wie sich ein Kind die Schlafzimmereinrichtung vom Süleyman I vorstellt: selbstbewusster, ungebremster Kitsch. Hier weist ein dezentes Schild an einem schmiedeeisernen Tor in einer zurückhaltenden Serife darauf hin, dass innen Schlafzimmertextilien aus ägyptischer Baumwolle verkauft werden. 

In der Beauty Klinik, die in einem mittelprunkvollen Haus beherbergt ist, wartet Rita schon im Wartebereich, der wie eine extrem schicke Bahnhofshalle wirkt: Fenster auf das parkähnliche Anwesen draußen; mehrfarbiger, kleinteiliger Stuck erstreckt sich über die Decke wie Fresken in einer römischen Kapelle, auf den Tischen liegen keine Gossip Magazine, sondern hochglanz Bildbände von Landschaften; eine riesige, digitale Fotocollage von Blumen wirkt wie die große Schwester der Süleyman-Kitschmöbel, die es aus meinem Kiez rausgeschafft hat. 

Die Wände sind gesäumt von Recamières, auf denen die Patient:innen sitzen. Ein Dutzend Klinikangestellte schwebt in komplett weißen Klamotten mit digitalen Klemmbrettern über das Parkett und führen die Leute in unterschiedliche Räume. 

»Es ist alles ein bisschen wie bei Der Tod steht ihr gut.« sagt Rita leise. 

»Aber es hat auch irgendwie Schöne Neue Welt Vibes« sage ich.