Botox und Dosenbier
Mia denkt auf einem Rosenheimer Rauchbalkon über Privilegien nach
Die ZEIT hat gerade einen Artikel (Abre numa nova janela) darüber veröffentlicht, dass die Feministinnen dieses Landes immer nur um sich selbst und ihr Äußeres kreisen und darüber die wahren Belange—nämlich die der weniger Privilegierten, wer auch immer das gerade sein mag—aus den Augen verlieren.
Ich veröffentliche nicht gerne Bilder von mir selbst auf Instagram. Ich schreibe lieber kleine Caption-Essays und illustriere sie mit interessanten Fotos. Aber wenn ich ein Bild von mir veröffentliche, bekommt das dreimal so viele Likes wie irgendwas anderes. Auch komplett ohne Caption. Und Likes sind eben auch eine Währung. Und Social Media Profile sind ungefähr das erste, was ein Verlag sich anguckt, wenn er Bücher einkauft. Ich habe immerhin viel zu wenige Follower, um als instaprivilegiert zu zählen.
Wir sind in Rosenheim bei Nathalie und lassen es uns gut gehen.
Wir wohnen in einem rustikalen Hotel mit schnörkelig verzierten Hinweisschildern und den Geruch aus Jahrzehnten des sorglosen Rauchens in den Mauern, wie Mika beim Eintreten feststellt. Jetzt gibt es nur noch einen Rauch Balkon auf unserer Etage.
Am Ende des Tages, als es schon dunkel ist, schließe ich mich der Gruppe an, die schon da ist; ein paar Typen Mitte Fünfzig in Arbeitsklamotten, mit einer kleinen Box, aus der sowas wie Metal wummert, einer Batterie 0,5 l Bierdosen und einem überquellenden Aschenbecher.
Sie drehen die Musik vorsichtshalber aus, als ich erscheine, und schieben mir, nachdem sie mich kurz taxiert und sich überzeugt haben, dass ich in Frieden komme, den Ascher rüber. Sie haben glasige, verwundete Augen. Sie sind schon ganz schön dicht. Ich lächle und rauche und sie bieten mir ein Bier an.
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