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Die Schnapspraline

Mia trinkt aus Versehen Alkohol

Manchmal fragen Leute, wie ich das eigentlich immer wieder machen kann, mich mit Alkohol zu beschäftigen, Jahr um Jahr, tagein, tagaus. Erstaunlicherweise beschäftige ich mich in meinem Alltag gar nicht so sehr mit Alkohol. Ich denke nie persönlich über Alkohol nach. Ich denke an Alkohol eigentlich nur in Verbindung mit wissenschaftlichen Fakten, soziologischen Überlegungen oder wenn wir für den Podcast mit jemandem reden. Ich gehe in Meetings, weil ich da Leute treffe, die ich mag, weil es ein lieb gewonnenes Ritual ist, und weil ich neuen Leuten helfen und der Gemeinschaft etwas zurückgeben will. Nicht, weil ich Sorge hätte, zu trinken.

Ich glaube durchaus, dass man seine Nüchternheit pflegen muss, damit sie frisch und knackig bleibt. Aber ich glaube, in Jahr acht muss man sie anders pflegen als in Jahr eins. Nüchternheitspflege wird mehr und mehr Teil der allgemeinen Persönlichkeitsarbeit, eine grundsätzlichere spirituelle Praxis.

Mit dem Alkohol bin ich persönlich sehr, sehr fertig. Ich habe mein Trinken durchreflektiert, ich will es schon lange nicht mehr, ich erwarte schon lange nichts mehr davon, ich finde es nicht verführerisch, ich muss mich dafür nicht anstrengen, ich muss keine Disziplin aufbringen, ich muss es nicht durchziehen, ich bin nicht getriggert, wenn ich über nen Weihnachtsmarkt gehe, ich finde, den Gedanken, nie wieder Alkohol zu trinken nicht mal ansatzweise beängstigend, sondern sehr schön, ich denke nie, ich verzichte, ich habe kein Problem mit den Regalen im Supermarkt oder wenn Leute am Nebentisch trinken oder wenn ich mit Leuten zu tun habe, die trinken. Ich bin nicht nur eine Armlänge vom Glas entfernt. Ich bin nicht chronisch krank. Ich bin nicht rückfallgefährdet, wenn ich alkoholfreies Bier trinke oder Saft aus einem Weinglas. Nüchternheit ist ein ganz selbstverständlicher Teil meiner Identität geworden. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich—zu welcher Gelegenheit auch immer—wieder denken könnte, ein Glas Wein sei die Antwort auf irgendeine Frage oder die Lösung für irgendein Problem.

Alkohol als Substanz ist für mich persönlich mittlerweile vollkommen uninteressant geworden; ich denke über ihn immer nur als ein Stellvertreter nach, ein Proxy, der zeigt, was Menschen verdrängen und betäuben wollen. Der Alkohol ist eigentlich nie das Thema, sondern immer alles andere. Wenn ich also jemals wieder Lust bekommen sollte, Alkohol zu trinken, dann hätte das sehr wenig mit Alkohol zu tun und sehr viel mit allem anderen.

Umso irrer war es, als ich neulich aus Versehen drei große Schlucke alkoholisches Bier trank und fast eine Panikattacke hatte.

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Ja, ich will alles (Abre numa nova janela)

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