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Verbot und Fortschritt

Technologieoffenheit dürfte in diesem Februar das Unwort des Monats gewesen sein: Unter diesem Label war die FDP innerhalb der Ampelkoalition nun in ihrem Vorhaben erfolgreich, den Stop von Neuzulassungen von Verbrennerautos ab 2035 zu verhindern. Das Argument (Abre numa nova janela): Hier werde eine ganze Technik gesetzlich verboten, ganz unabhängig davon, ob sie künftig durch technische Innovationen vielleicht günstiger in Preis und Klimaeinfluss sein könnte. Es gibt viel, was man dem entgegnen (Abre numa nova janela) kann, das letzte Wort ist sicher noch nicht gesprochen – mir persönlich ist es tatsächlich eher egal, ob es nach 2035 noch ein paar Leute gibt, die sich unbedingt einen teuren Sportwagen als Hobby leisten wollen und dafür dann 5-10€ pro Liter Sprit bezahlen; der Verbrennermotor würde dann den Weg anderer überkommener Techniken gehen, die als Luxus zum Spartenmodell werden: das Pferd, die Kerze, der Federkiel.

Was mich aufhorchen ließ, war die Behauptung, dass noch nie eine Technik durch staatlichen Eingriff abgeschafft worden sei, sondern immer nur durch technologische Innovationen und damit verbundene Vorteile für die Verbrauchenden. Das ist natürlich eine schöne Meistererzählung über Vorzüge und Sieg der Marktwirtschaft über den Fünfjahresplan, aber es ist auch falsch.

Gehen wir nämlich zurück zur oben erwähnten Kerze: Lange Zeit waren Kerzen und Öllampen die einzige verbreitete Möglichkeit, um im Dunkeln noch etwas sehen zu können, sieht man mal von einem offenen Feuer ab. Diese Leuchtmittel lieferten zwischen 10 und 20 Lumen, außerdem verbrauchten sie konstant Leuchtmittel und Docht und rußten zudem die Räume auf lange Sicht ein. Nicht besonders praktisch. Abhilfe schuf eine Neuheit, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts erstmals als realistische Zukunftsoption angenommen wurde: Der in die USA ausgewanderte Engländer Ebenezer Kinnersley hatte nachgewiesen, dass man mit elektrischer Energie Drähte zum Glühen bringen kann, nur 40 Jahre später begannen diverse Forscher damit, das Prinzip auszuweiten, was hauptsächlich daraus bestand, mit enormem Aufwand so viel Strom zu erzeugen, dass man damit Drähte aus verschiedenen Materialien kurz zum Glühen kriegen konnte bis entweder die Energie ausging oder der Draht durch war.

1835 war der Stand der Technik so weit, dass der Schotte James Bowman Lindsay staunenden Interessierten ein Licht zeigte, mit dem er nach eigener Aussage ein Buch in einem halben Meter Entfernung lesen könne. Es sollte trotzdem noch einige Jahrzehnte dauern, bis verschiedene Menschen nahezu zeitgleich handelstaugliche Glühbirnen auf den Markt bringen sollten, der bekannteste darunter der unvermeidliche Thomas Alva Edison. Das erste vollständig elektrisch beleuchtete Gebäude in Deutschland war das Café Bauer in Berlin, Unter den Linden, dort, wo heute das VW-Automobilforum langsam aus der Zeit fällt. Ab da wurde die Birne stetig weiterentwickelt, die Drähte getauscht und in andere Form gebracht, das Behältnis entweder mit einem Vakuum oder wechselnden Gasen ausgestattet, aber das Grundprinzip blieb gleich: Ein Draht wurde mit Strom über 1.500 Grad Celsius erhitzt, was dazu führte, das ein Fünfzigstel der hineingesteckten Energie in Licht umgewandelt wurde. Nach etwa 1.000 Stunden war dann eine schwächere Stelle im Draht gefunden die durchbrannte und ein neues Leuchtmittel musste eingeschraubt werden – die 1.000 Stunden wurden übrigens aller Wahrscheinlichkeit nach vom „Phoebus-Kartell“ internationaler Lichtmittelproduzenten in den 1920er Jahren festgelegt. Auch nachdem das aufflog hat sich die Lebenszeit nicht mehr verändert, nach etwa 1.000 Stunden ist Schluss So haben das vermutlich noch alle Leser:innen kennengelernt, und es erschien lange unrealistisch, dass sich das ändern würde.

Bis es zu einem nach wirtschaftsliberalen Maßstäben ungeheuren Markteingriff kam: Im März 2009 schuf die EU-Kommission einen Sechsstufenplan, der die alte Glühbirne nach und nach verbot. Bereits produzierte Birnen durften natürlich noch verkauft werden, aber über kurz oder lang sollten Verbraucher:innen komplett auf Energiesparbeleuchtung umsteigen. Das waren zu diesem Zeitpunkt meist Leuchtstofflampen, die diverse Nachteile hatten: Sie brauchten eine gewisse Zeit bis sie ganz hell wurden, das Licht war sehr kalt, außerdem mussten die Quecksilber beinhaltenden Geräte über den Sondermüll oder im Handel entsorgt werden. Das allein reichte für einen Sturm der Empörung, insbesondere in Deutschland: Neben dem Komfortverlust wurde die ganze Fortschrittsangst, die Deutschland so oft erfasst, durchexerziert: Herzkreislauferkrankungen, Krebs, Osteoporose und Diabetes würden sich durch Leuchtstofflampen künftig noch weiter ausbreiten, das Quecksilber aus dem Restmüll ins Grundwasser gelangen, die eingebaute Elektronik eigne sich potenziell zur Überwachung des Wohnraums.

Bevor die Verordnung in Kraft trat, produzierten alle Hersteller noch einmal herkömmliche Glühbirnen in Übermengen, um der Nachfrage möglichst lange nachkommen zu können. Über halbseidene Kanäle kauften Deutsche massenweise im Ausland und lagerten die Wolframleuchten im Keller ein. Bastian Pastewka widmete dem Phänomen eine ganze Folge (Abre numa nova janela) seiner großartigen Serie, in der er in Polen tausende Glühbirnen als Altersvorsorge bestellt (allerdings versehentlich nicht 60-Watt-Strahler, sondern 6-Watt-Funzeln).

Auch politisch war der Schritt umstritten: die FDP nannte ihn „klimapolitischen Aktionismus“ und „überzogene Regulierung“, CSU-Abgeordnete „Beglückungsgesetzgebung“. Die damals noch promovierte FDP-Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin forderte unmissverständlich, den „Eurokraten“ gehöre „endlich das Handwerk gelegt!“. Ökonomen geißelten den „staatlichen Interventionismus“, der „die Ablehnung klimapolitischer Maßnahmen durch die Bürger fördere“.

Allein: Das Verbot hat funktioniert. Nach einer Übergangsphase des Grummelns, der falsch entsorgten Quecksilberlampen und des ungeduldigen Wartens auf die volle Leuchtkraft haben wir im Jahr 2023 einen Markt an Leuchtmitteln, der so breit ist wie nie zuvor und zudem Energie spart: Eine herkömmliche 80-Watt-Birne würde an einem heutigen Wintertag alleine an Strom 40 Cent für eine Kilowattstunde kosten, die handelsübliche LED-Lampe hingegen vielleicht ein Zehntel davon. Wir haben die freie Auswahl zwischen Leuchten mit warmem oder kaltem Licht, es gibt ausgefeilte Systeme mit WLAN-Zugang oder einer Fernbedienung, durch die der Raum in jede denkbare Farbe getaucht und fast stufenlos gedimmt werden kann.

All diese Innovationen wären womöglich auch so irgendwann gekommen, aber die Einengung des Leuchtmittelmarktes schuf einen hohen Wandelsdruck, der zudem die Preise senkte. Zwar kosten heutige Leuchtmittel immer noch mehr als die Glasbirne im Jahr 2008, sie halten aber auch 15 bis 20 mal so lange, auch im alltäglichen Gebrauch also mitunter Jahrzehnte. Es ist mittlerweile nachhaltiger, sich eine Deckenlampe mit fest installierten LEDs zu kaufen als eine alte mit wechselbaren Glühbirnen auszustatten. All das wäre in einem vollständig liberalisierten Markt kaum möglich gewesen, weil der sich nicht immer langfristig finanziell vernünftig verhält, sondern die kurzfristige Kostenersparnis priorisiert.

Was sonst noch war:

Die „Super Illu“ hat mit Uwe Steimle und dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk zwei Menschen mit sehr unterschiedlichen Sichtweisen auf DDR und BRD zum Streitgespräch geladen. Entgegen aller Befürchtungen liest sich das sehr konstruktiv, weil Kowalczuk so eine gute Figur macht: https://www.superillu.de/magazin/stars/uwe-steimle/steimle-und-kowalczuks-streit-gespraech-2055 (Abre numa nova janela)

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