Brief an die Staatsanwaltschaft
Von Karina Finkenau

Sehr geehrte Damen und Herren der Staatsanwaltschaft!
Dringend möchte ich Sie ermutigen, dass Sie die Beschuldigten nicht anklagen nach §129 StGB. Für mich ist es außerordentlich wichtig, dass sich dieser Paragraph nur auf terroristische Beschuldigte bezieht! Da ich sonst den bürgerlichen Einsatz zur Verteidigung der lebensnotwendigen Richtlinien unmöglich gemacht sehe.
Die Zivilgesellschaft muss ermutigt werden sich für die Demokratie, die Lebensgrundlagen, die Menschenrechte und für das Grundgesetz einzusetzen. Dringend ist es notwendig, dass alle Bürger einer Gesellschaft Verantwortung übernehmen. Auch ist es eine nicht zu unterschätzende, notwendige Kontrolle und Hilfe für die Regierung den Kompass zu behalten.
Die Letzte Generation ruft weder zu Gewalt noch zu Terror auf! Sie allein versucht, alle aufmerksam zu machen auf eine Gefahr. Man würde sich auch Menschen entgegenstellen müssen, die mit brennenden Zigaretten in einen zu trockenen Wald gehen bei hohen Temperaturen. Das ist kein krimineller Akt, sondern ein Akt des weitsichtigen Behütens auch dieser Menschen selbst und anderer Menschen, Tiere und Pflanzen.
Warnend mit allen Mitteln auf sich aufmerksam machen kann kein krimineller Akt sein! Es ist Zivilcourage und es wäre angebracht, das zu schätzen und sofort das Gespräch zu suchen, Austausch zu leisten. Manchmal ist es bei großer Gefahr nicht möglich die üblichen, notwendigen Schritte zu gehen. Man stelle sich vor es gäbe einen Übermittlungsdefekt, Stromkreisdefekt oder so, die Alarmanlagen fielen aus, zum Beispiel im großen Bundestag, wie dankbar wäre man dem im Keller Fegenden, der mit schlampiger Schürze herein stürmte, vorbei an allen Barrieren und die Bühne stürmte, zu der er niemals Zugang hätte und mitten hinein schrie: “Es brennt, rettet euch!”
Was wenn er überhaupt gedacht hätte: Oh nein, die denken, ich breche ein, und erschießen mich. Wenn er nicht warnte, aus solch einer Angst heraus, wäre es für viele zu spät. Er vergisst sich aus der Not einer Gefahr heraus und ist somit etwas absolut vollkommen anderes, als einer, der den Bundestag stürmt. Eben auf keinen Fall ist dieser Erste kriminell. Was wenn er nicht gewarnt hätte aus Angst, sich nicht an Regeln zu halten, wenn er es nicht zu seinem Problem gemacht hätte? Die Minister wären verbrannt! Spielt es dann eine Rolle, dass er nicht hinein dürfte, dass er niemals berechtigt wäre, zu diesen Damen und Herren zu sprechen, dass er nicht gut gekleidet ist, keinen Antrag gestellt hat.
Jede Situation im Leben verlangt neben allen Regelungen und auch notwendigen und guten bürokratischen Wegen dennoch die volle Aufmerksamkeit und den Einsatz der Eigenverantwortung. Es wäre nicht richtig diesen Retter zu verklagen und auch nicht, wenn er sich mit Küchenhilfen zusammengeschlossen hätte, auch nicht, wenn, dank Hilfe der herbeigerufenen Feuerwehr, der Brand noch hätte gelöscht werden können, und auch nicht, wenn niemand ernsthaft zu Schaden gekommen wäre. Jede Situation ist abhängig von unserem aktiven, immer einsatzbereiten Gewissen.
Die Gesetze müssen in ihrer positiven Weise, d.h. dem Erhalt der freien Gesellschaft dienend eingesetzt werden und nicht als Selbstzeck über Mensch und Leben ausgeübt werden. Sie dürfen nicht zusammenhangslos gesehen werden, in dem Fall, in dem das Gesetz aus diesen Konstanten als Selbstzweck über Leben und Tod gesetzt wird, haben wir keine Demokratie mehr.
Bei einer großen Bedrohung ist es meistens nicht für einen Menschen möglich, es allein zu schaffen, darum muss das Zusammenfinden in einer Demokratie gefördert werden. Sie tun sich zusammen im Auftrag, uns auf eine uns bedrohende Gefahr aufmerksam machen.
Es ist an der Regierung dann durch sofortiges Gespräch die Situation wahrhaftig zu klären und somit ja auch weitere Blockaden überflüssig zu machen, das wäre doch eine zivile, achtsame, Demokratieausübung.
Auch besteht die Tat der Letzten Generation darin, sich am falschen Ort festzukleben. Ist es verboten sich irgendwo anzukleben? Und wäre das Auf-der-Straße-kleben nicht ein Verstoß gegen das Halteverbot, und könnte somit eigentlich nur ein hoher Strafzettel für Falschparken und Abschleppkosten ausgestellt werden? Was hat das mit Vereinigung zu tun und mit kriminell ?
Auch macht mir große Sorge, dass weltweit zur Zeit Märtyrer gebaut werden, die ja nicht aus terroristischen, aus kriminellen Mordtaten, Zerstörungstaten entstehen; sondern zu Märtyrern werden sie gemacht, weil sie einer Sache zu Diensten handeln, die der Gemeinschaft und allen dient, die dem Leben der Wahrheit, dem Umweltschutz, dem Erde-Erhalt dient. Diese zu Märtyrern Werdenden müssen großes Leid ertragen, Ausgrenzung und Opfer auf unerträglichster Weise erfahren, gegebenen Falls ihr Leben opfern, durch ihre Taten, die für die anderen Glück bringend sind.
Wollen wir Märtyrer schaffen? Eine Demokratie sollte keine Märtyrer brauchen. Jeder Mensch sollte in einer Demokratie mitdenken, fragen, aufmerksam machen, einander helfen. Und dies alles geht nur im Zusammenhalt, einem sich Vereinen im Erhalten der Lebensgrundlagen der Erde und dem Erhalten der Demokratie.
Allenfalls muss oft daraus Ziviler Ungehorsam entstehen, aber niemals darf dieses Verhalten kriminalisiert werden, denn dann haben wir die Demokratie verloren, die Angst geschürt, die Zivilgesellschaft zum Schweigen und Verschweigen gebracht. Und damit führt die demokratische Regierung ihre Aufgabe nicht aus, geradezu bringt sie sich selbst in die Lage krimineller Täterschaft, eben unterdrückend, ausgrenzend gegen das Wohl des Volkes, gegen das Überleben des Menschen auf Erden zu handeln.
Bitte bedenken sie ihre Anklage und ihre nächsten Schritte im Blick auf die gesamte Lage unserer Demokratie und handeln sie zum Schutz der Demokratie und lassen Sie die Dinge, wo sie sind. Es ist nicht Erpressung, was die Letzte Generation macht, es zeigt nur den Grat der Verzweiflung, die diese empfinden angesichts der Bedrohung allen Lebens.
Wer weiß, welche Drohung man ausüben würde, wenn einer seinen Grill in den leicht abbrennbaren Wald stellen will?
Wer weiß, ob wir nicht etwas sagen würden, das einer Art Erpressung gleich käme, sicherlich eine schlechte Kommunikationsweise, aber eine zu verstehende und ins Verhältnis zu setzende, sein muss.
Die Letzte Generation hat keine Fabrik angezündet, hat nicht mit Zerstörung gearbeitet! Sondern mit demokratischen, friedlichen Mitteln aufmerksam gemacht auf einen wahren Sachverhalt: wenn wir unser Leben nicht jetzt Hand in Hand mit der Heilung der Natur bringen, werden wir sowieso niemals mehr zur Arbeit fahren können, pünktlich irgendwo sein. Es ist scheinbar eine notwendige Erfahrung, die für die Gesellschaft zu machen ist um ihre Betroffenheit zu erfahren, um sich selbst zu retten. Auch um die Möglichkeit der Wahl eines Weges nahe gebracht zu bekommen und zu ahnen. Das durch Stress ausgelöste Erfahren können, wo der umweltunfreundlich Weg, der umweltvergiftende Weg hinführt, den wir wider besseres Wissen weitergehen.
Ist das Schweigen der Regierung nicht auch sehr in Frage zu stellen, als rechtliche Handlung, der schweigende Zuschauer ist immer auf der Seite der Täter, unterlassene Hilfeleistung?! Und ist nicht jede Parteisitzung eine Versammlung?
Ich bitte sie, dies alles zu durchdenken und zu handeln mit großer Verantwortung für eine freie Zukunft aller in einer funktionierenden Demokratie und Rechtsprechung.
Alles Gute für Ihre wichtige, verantwortungsschwere, weitreichende Entscheidung.
Karina Finkenau
Mehr zur Autorin:

Karina Finkenau
Philosophin, Künstlerin & Schriftstellerin

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die nach vorne gehende Tat
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Karina Finkenau

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