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Schiller

Elektronische Popmusik neu denken

Hinter dem erfolgreichen Musikprojekt Schiller verbirgt sich seit 1998 der Komponist, Musiker und Produzent Christopher von Deylen. Seine letzten vier Schiller-Alben sowie „Colors“, 2020 unter eigenem Namen veröffentlicht, konnten jeweils in Folge den 1. Platz der deutschen Charts belegen. Mit „Summer In Berlin“ (Sony Music) präsentiert das Multitalent jetzt ein neues Studioalbum, im Boxset ergänzt durch vier Live-Konzerte auf zwei CD´s und 2 Blu-Rays, Dokumentationen, Videoclips sowie ein Foto-Artbook. Die Suche nach neuen Ideen und Herausforderungen ist für den Norddeutschen damit aber lange noch nicht beendet, wie er im Gespräch deutlich macht.

Du hattest bereits als Kind Klavierunterricht und nach dem Abitur n Lüneburg angefangen Kulturwissenschaften zu studieren. Parallel hast Du Erfahrungen in Hamburger Tonstudios gesammelt. Kam es zum Studienabschluss?

Nein, ich habe Abitur und Führerschein (lacht). Ich wuchs mit elektronischer Musik auf, geprägt von Tangerine Dream, Kraftwerk und Jean Michel Jarre. Die Studioerfahrungen machten mir Mut ab 1994 eigene Projekte umzusetzen und mich der Unsicherheit der Musikbranche hinzugeben, nicht zuletzt durch den Zuspruch meines Vaters. 1998 habe ich dann das Projekt Schiller gegründet.

Deine umfangreiche Diskografie wurde seit dem Debüt „Zeitgeist“ (1999) durch die Zusammenarbeit mit namhaften Gästen, unter anderem Mike Oldfield, Lang Lang, Peter Heppner, Unheilig und sogar Sharon Stone veredelt.

Ich bin meistens und sehr gerne mit mir alleine, ohne dass sich daraus eine Limitierung ergibt. Aber ich schätze auch den respektvollen ´Film im Film´, wertvolle Momentaufnahmen mit den unterschiedlichsten Künstlern.

Gibt es Veröffentlichungen und/oder Konzerte/Tourneen, die Du als Meilensteine Deiner Karriere bezeichnen würdest?

Ein ´game changer´ war mein erstes Konzert im Hamburger Gum Club für den Kabelsender Arte. Ich wollte eigentlich nie auf die Bühne. Und dieser Abend, eine Stunde vor 30 Besuchern, hat alles verändert. Ich würde viel dafür geben, dieses einmalige Gefühl nochmals zu erleben. Und das zweite Erlebnis war eine Einladung in den Iran, um dort 2017 ein Konzert zu spielen. 2018 und 2019 folgten dort dann weitere Auftritte. Ich konnte nicht glauben, dass es dort tatsächlich eine so große Schiller-Fangemeinde gibt.

Viele Deiner Alben stehen in direktem Bezug zu Reisen in die ganze Welt. Ob USA, China oder die Arktis. Sind diese Reisen Deine wichtigsten Inspirationsquellen?

Meine Erfahrung ist, dass Inspiration unberechenbar und nicht planbar ist. Man ist ihr willenlos ausgeliefert. Zum Glück (lacht). Aber durch gewisse Entscheidungen im Leben kann man sie anlocken, ohne Garantie. Dazu gehört auch das Reisen. Sich neuen Umgebungen und Menschen aussetzen. Mit diesen Schritten aus der Komfortzone und dem unterwegs sein maximiert man auch seinen Freiheitsgrad.

Lüneburg, Hamburg und Berlin sind hierzulande eng mit Deinem Lebenslauf verbunden. Wo bist Du aktuell heimisch geworden?

Seit über einem Jahr habe ich mein Basislager wieder in Norddeutschland, in der Gegend um Lüneburg. Das Nomadenleben der letzten Jahre ist erst einmal wieder vorbei. In meinem Studio-Atelier habe ich jetzt mein komplettes Instrumentarium und ein Studio untergebracht.

Kommen wir auf „Summer In Berlin“ zu sprechen. Gibt es eine konkrete Idee, eine Art ´Roten Faden´ dahinter?

Ja, den gab es. Das gesamte Werk spannt sich auf zwischen zwei Konzertfilmen. Zwischen dem Abschlusskonzert der Tournee 2019 in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin und der Elektronik-Session die ich mit Thorsten Quaeschning von Tangerine Dream im Berliner Lido gemacht habe. Das ist der Ausgangspunkt des Albums mit seinen 14 neuen Songs inklusive dem Titeltrack, einem Remake des gleichnamigen Alphaville-Klassikers. Der opulente Klang der Großstadt gefiltert durch das Schiller-Universum.

Haben sich die Elektronik-Sounds bei Stücken wie zum Beispiel „Miracle“ oder „Der Goldene Engel“ im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen verändert?

Die Sounds sind analog entstanden. Ich habe das identische Tour-Instrumentarium für das Album benutzt. Das hat bei mir eine gewisse Entscheidungsfreude hervorgerufen. So sind die Stücke zugleich luftiger und kraftvoller geworden.

Muss man ein ´Die Hard´-Fan von Schiller sein, um sich das aufwändige „Summer In Berlin“-Boxset zuzulegen?

Nein, das glaube ich nicht. Es geht ja nicht darum, diese acht Stunden im Block zu bewältigen, sondern sie als einzelne Werke zwischen Elektronik, Ambient und Club zu genießen. Es ist ja auch eine aktuelle Bestandsaufnahme meines Schaffens der letzten Jahre, die eigentlich ohne konkreten Plan entstanden ist. So bekommt man am Ende einen guten Überblick über Schiller.

Wie groß ist das Team das für eine solche Veröffentlichung auch gerade im Hinblick auf die Live-Mitschnitte, Videos und Laserperformance auf Deiner Gehaltsliste steht?

Das wechselt und ist projektbezogen. Bei der kunstvollen Laserperformance „Berlin Moskau“ waren wir zum Beispiel acht Leute. Es ist ein Team, aber keine Fabrik.

Gewöhnt man sich an die enormen Charterfolge und wird dadurch bereits die Erwartungshaltung vor der Veröffentlichung sehr groß?

Nein. Es ist nicht der Grund, weswegen ich Musik mache. Ich erstelle ein Angebot und wundere mich seit der ersten Single „Das Glockenspiel“ dass meine Musik mehr Menschen gefällt als nur mir. Aber eine Formel für Erfolg gibt es für mich nicht, ich freue mich aber natürlich über den anhaltenden Zuspruch.

Hast Du heute noch die gleiche Begeisterung für elektronische Musik wie zu Karrierebeginn?

Auf jeden Fall. Über die Jahre ist die Beschäftigung mit Lichtdesign, mit Visuals und grafischer Kunst langsam als Ergänzung hinzugeschlichen. Und im Idealfall wächst es mehr und mehr zusammen.

Text: Frank Keil. Bild: PR

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