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Danach

Der Zufall wollte es, dass ich unmittelbar nach den Wahlen in Thüringen Weimar und unmittelbar vor den Wahlen in Brandenburg einen kleinen Ort in der Nähe von Lübbenau besuchte. Anlässe waren jeweils 50igste Geburtstage; und alleine wie unterschiedlich die Akteure diesen Übergang vom tiefen Winter der Jugend in den Frühling des Alters handhabten, wäre eine Erzählung wert. Jedoch will es mir nicht gelingen, diese beiden privaten Marksteine mit den politischen, gesellschaftlichen, welche diese Wahlen bedeuten, zusammen zu bringen.

In leeren Turnhallen, schmucklosen Feuerwehrhäuschen oder anderen von den Gemeinden zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten standen die Urnen bereit und Zehntausende warfen Papierbögen hinein, die sich bei der Zählung dann auf wundersame Weise allesamt in Ziegelsteine verwandelten, mit denen sie sich und die restlichen zwei Drittel der Bevölkerung einmauerten. Ein Szenario wie in einem düster, absurden Fantasie-Film, in dem sich von Panik Befallene vor der Ankunft der vermeintlichen Bestie selber die Klippen hinuterschmeissen, an jeder Hand mit eisernem Griff zappelnde und schreiende Unwillige mitreissend.

Das alles geschehen in schmucken, blitzsauberen und pittoresken Dörfern, von einer hellscheinenden, spätsommerlichen Sonne ausgeleuchtet. Dörfer, die jetzt jedoch leer sind.

Nach diesen beiden Wochenenden ist nicht mehr übersehbar, dass sich die Gesellschaft in Deutschland (wahrscheinlich jedoch in ganz Europa) in einer tiefen Krise befindet. Dass es keinen Kern mehr gibt, auf den sich, trotz aller Auseinandersetzungen und Verschiedenheiten, bis vor wenigen Jahren alle noch einigen konnten. Nun sind die Verzerrungen der Wahrnehmumg, sind die Befindlichkeiten ganzer Schichten, die jeweiligen Quellen von Information, aus denen sich Weltbilder herausschälen, so grundverschieden, ist die Lüge der Wahrheit so nahe gekommen, dass sich diese Diskrepanz auch in Wahlen ausdrückt. Von nun an ist Demokratie keine Errungenschaft mehr, sondern ein gefährliches Instrument der Destabilisierung. Diejenigen, die sich aus Glauben ein Wissen zusammenstellen, denen Gefühltes realer erscheint, als wirklich Gelebtes, die Paranoia mit Tiefsinn verwechseln (ich zitiere hier meinen Song Oberhalb der Wahrnehmungsgrenze (Abre numa nova janela)), haben nun die Möglichkeit, Parteien zu wählen, welche diese Zerrüttungen gekonnt und mit ungeahntem Zynismus bewirtschaften. Das alles befeuert von den “Automaten der Entklärung”, als dass sich die sogennannten Sozialen Medien entpuppen. Erzähl den Leuten irgend etwas “Verhandlungen” und “Frieden” und sie sind bereit zu glauben, dass die eigene Regierung dafür verantwortlich ist, dass nicht verhandelt wird und kein Frieden herrscht. Warum? Weil diese Regierung ja auch für alle anderen Dinge steht, die nicht funktionieren. Wiederhole beständig, dass Kriminalität und Einwanderung eng miteinander verknüpft sind, nutze dazu unbedingt jede Messerattacke von durchgedrehten Islamisten und schon hast du die Angst vor Einwanderung als Ganzes in die Herzen der Leute gepflanzt. Und so weiter und so fort. Es ist ein altes Spiel, das hier gespielt wird. Die digitalen Werkzeuge dafür sind nagelneu und blitzschnell, das Spiel jedoch ist uralt, so alt wie der Teufel selbst.

Was mich nach wie vor aber erstaunt ist, mit welcher Arglosigkeit, ja geradezu treuherzig die beständig schrumpfende Mehrheitsgesellschaft diesem Treiben gegenüber steht. Und hier komme ich dann doch zurück zu einem der Geburtstage, dem in Brandenburg. Akademisches Milieu. Architektinnen, Juristen, Hobby Djs, Väter, Mütter. Man hat ein Vierseitenhof in Brandenburg gekauft, vor zwei Jahren. Es gibt noch enorm viel zu tun, bis sich hierher zurückgezogen werden kann. Ist man sich aber bewusst. Überhaupt ist man sich seiner gewiss. Isst richtig. Kauft richtig ein. Ist gefestigt in seinen Ansichten. Die Karrieren bestätigen es doch. Erzieht auch die Kleinen, wie es sich gehört. Versäumt aber komplett, wirklich komplett, den Kontakt mit der Dorfbevölkerung zu suchen und wird hier deshalb immer fremd bleiben. So ist halt eine Chance vertan, können sich die gegenseitigen (Vor)urteile eben weiter auftürmen. Ist nur ein kleiner Ausschnitt, womöglich nicht mal repräsentativ, jedoch gross genug, dass ich ihn nicht ignorieren will.

Hier will man aus dem “Dritten Reich” einen Weg machen.

Wenn 2024 solche Plakate bei Wahlen aufgehängt werden können in Deutschland, dann hat dieses Land ein ganz massives Problem, egal wie freiheitlich es eigentlich gedacht ist, egal wie hehr sein Grundgesetz daher kommt, egal, wie schwer es darin ist, Parteien zu verbieten.

Das Problem scheint zu sein, das weite Teile der Gesellschaft in einer Illusion leben. Entweder zu glauben, dass es keine ernstzunehmenden Kräfte gibt, welche die aktuelle Staatsform, mit all ihren Freiheiten und Verpflichtungen bekämpft. Oder dass es, wenn es den soweit kommen sollte und diese Leute an die Macht kommen, schon nicht so schlimm werden wird. Macht euch darauf gefasst, dass es dann ganz schnell wieder politische Gefangene geben wird, dass man sich dann ganz schnell wirklich - und nicht nur gefühlt - fragen muss, was noch gesagt werden darf und was nicht. Dass die Überwachung aber perfekt sein wird; mit den neuen Technologien bis in die Gedanken hinein. Und dass sie immer einen Grund finden werden, einen Notstand, den Asunahmezustand, ja, auch das Kriegsrecht, ausrufen zu können. Die Blaupause dafür ist Putins Russland, auf das sie voller Ehrfurcht und Unterwürfigkeit, mit vor Bewunderung feuchten Schweinsäuglein, schielen. Voller Stolz schlagen sie sich jetzt auf die Brust, im Wissen darum, nun in gleich drei Bundesländern für ihren Hirten und Ernährer Wahlen gewonnen zu haben. Ihr Auftreten eben jetzt, während der Eröffnung des Thüringer Parlaments, während ich dies aufschreibe, zeigt, was auf uns zukommen wird.

Es ist wahrlich unbegreiflich, wie die anderen Parteien, mit ihren Jahrzehnten von Erfahrung, diesem Treiben so ratlos, so schwach, so eingeschüchtert gegenüber stehen können. Entweder sehen sie die Gefahr nicht, was einfach nicht vorstellbar ist, oder aber die jeweiligen Akteure sind dieser Destruktivität tatsächlich nicht gewachsen.

In Brandburg setzten die Grünen durch, wohl im Glauben, die Teenager des Landes würden sie in Scharen wählen, dass 16 Jährige wählen dürfen. Sie sind sich ihrer Sache wohl so gewiss, dass sie auf den für diese Altergruppe wichtigen Medien nur marginal und wenn, dann unbeholfen bieder, stattfinden. Diese Lücke füllt dann die Partei, die es auch geschafft hat, das Wort “alternativ” aus seiner eigentlich linken, progressiven Ecke herauszuzerren und nun breitbeinig mit Ressentiments, Hass und Gewalttätigkeit auf diesem Wort herumtrampelt. Die Sprache dieser Partei war immer gewalttätig, der Tonfall hasserfüllt. Sie haben daraus noch nicht einmal einen Hehl gemacht. Ihre Funktionäre schreiben Bücher, halten Reden, agieren im öffentlichen Raum. Es ist alles offen einsehbar. Warum also diese Zaghaftkeit, dieses Zaudern? Kann man womöglich gar nicht mehr kämpfen? Hat man es verlernt? Wenn dem so ist, hat nun der erste Akt einer Tragödie begonnen, eine Tragödie, die in diesem Haus bereits zum zweiten Mal aufgeführt wird. Was für ein Jammer. Dazu eine Buchempfehlung: Paul Lynch "Das Lied des Propheten" (Abre numa nova janela) . Lynch erzählt von der Machtergreifung der Faschisten in Irland, lässt das Land in einen Bürgerkrieg versinken und die Leserschaft erleben, was es bedeutet, vor so einem Krieg auf der Flucht zu sein. Es ist ein wenig wie mit der selbst verursachten Erderwämung. Noch nie wussten so viele Menschen, so genau, was passieren wird und trotzdem rasen wir alle zusammen ungebremst auf den Abgrund los.

Nun, auch ich habe zur Feder gegriffen, wie sich mittlerweile wohl herumgesprochen hat. Erstaunliches Feedback gab es von unterschiedlichster Seite. Offenbar höchst aufgeschlossene und verständige Lesis schreiben mir zahlreich und beflügelnd zurück.

“Ein Stück Literatur, das mit großer Stilsicherheit, klugen Gedankengängen, präziser Beobachtungsgabe und  vor allem mit feinem Witz und Ironie  aufwartet.”

“Grossartig! Ein scharfsinniges und poetisches Gesellschaftsportrait.”

“Was für ein Aufschlag! Einfach- ja fantastisch!
Nach langem wieder ein Buch, bei dem ich mir am gesagt habe: schade dass ich’s schon gelesen habe…Bei vielen Romanen von Kurt Vonnegut
gings mir übrigens so.”

Oder aber einfach ein kurzes “Weiter so!”

Das alles ist höchst ermutigend und beflügelt mich tatsächlich! Vielen Dank für diese Ermutigung! Tatsächlich taste ich mich nun an eine Erzählung heran. Mit “Risikoappetit” habe ich die Wohnung meiner Sprache aufgeschlossen und bin eingetreten. Ich werde diese Wohnug nun langsam aber hoffentlich beständig mit Möbeln einrichten und Ihr werdet alle meine Gäste sein.

Das Büchlein ist bei mir bestellbar. Mit Signatur und Stempel oder aber hier (Abre numa nova janela) zu bestellen. Auch Musik (Abre numa nova janela) gibts neue. Auf bald, liebe Freundis!