Slow News: „Wir sind überrascht von der Kraft und Wärme der Leser:innen, die uns unterstützen“
Das italienische Online-Magazin Slow News (Abre numa nova janela) bietet seinem Publikum entschleunigten und überlegten Journalismus. Das Team produziert Serien zu ausgewählten Themen und berücksichtigt dabei immer das Interesse und Wissen ihrer Mitglieder.
Schon seit Beginn des Projekts finanziert sich Slow News durch die Community und bezieht diese in die Arbeit mit ein. Steady hat mit Mitgründer und Herausgeber Alberto Puliafito darüber gesprochen, wie das Team dabei vorgeht und warum es so gut klappt.
Alberto Puliafito, Mitgründer und Herausgeber von Slow News.
Ihr macht keinen klassischen Nachrichten-Journalismus. Was ist stattdessen der Gedanke hinter Slow News?
Unserem Publikum würde es nichts Neues bringen, wenn wir klassische Nachrichten produzieren würden. Eine Nachricht ist nur so lange aktuell, bis eine andere Nachricht aufkommt. Deswegen stellen wir unseren Leser:innen eine Sammlung an Geschichten bereit, die auch langfristig Mehrwert bieten. Unsere Geschichten enthalten Details und Hintergründe, die nach dem Lesen noch nachwirken. Im besten Fall nehmen die Leser:innen also was für ihr Leben und ihren Alltag mit. Das ist unser Anspruch ans Informieren: erkennen, was wichtig ist, und dieser Sache dann den nötigen Raum geben.
Wie bezieht ihr eure Community in eure Arbeit ein?
Unsere Mitglieder stehen im Zentrum unserer Arbeit. Sie finanzieren uns, entscheiden aber selbst, wie viel sie für Slow News bezahlen wollen. Außerdem sind sie ständig an unseren redaktionellen Entscheidungen beteiligt. Einige von ihnen helfen auch mit, wenn unsere Autor:innen Recherchen oder Studien durchführen, um die Konzepte für ihre Serien zu erstellen. Solche Mitglieder nennen wir „consu-reader“. Das ist eine Wortneuschöpfung, die sich aus „Berater:in“ („consultant“) und „Leser:in“ („reader“) zusammensetzt. „Consu-reader“ sind Mitglieder der Slow-News-Community, die sich als Quellen, Berater:innen, Faktenchecker:innen oder einfach als Leitfiguren in unseren Serien engagieren.
Eine Auswahl von Slow-News-Serien zu Themen von der Bierproduktion bis hin zu Campotosto, der 2017 von einem Erdbeben verwüsteten Stadt.
Was hat euch an der Arbeit mit Mitgliedschaften überrascht?
Jeden Tag sind wir überrascht von der Kraft und Wärme der Leser:innen, die uns unterstützen. Das ist die Kraft, die von Mitgliedschaften ausgeht: Es ist, als hätte man eine Familie, mit der man teilen und gemeinsam wachsen kann, anstatt einsam und verloren in einer Welt ohne Hoffnung zu leben.
Wie habt ihr eure Arbeit finanziert, bevor ihr zu Steady gekommen seid?
Slow News war von Anfang durch Mitglieder finanziert. Der große Unterschied ist, dass wir die Mitgliedschaften vorher alle mit einem ineffizienten System verwaltet haben.
Dank Steady haben wir jetzt mehr Zeit für unsere eigentliche Arbeit. Für unsere Leser:innen ist es auch deutlich einfacher.
Früher haben wir viel Zeit auf unser altes und übermäßig komplexes System verwendet, die uns dann für den Austausch mit unseren Mitgliedern gefehlt hat. Wir haben unglaublich viel Zeit verloren, um technische Probleme zu beheben, statt mit unseren Leser:innen zu sprechen, Geschichten für sie zu schreiben und so weiter.
Das Konzept der Mitgliedschaften, und wie wir sie verwalten, hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt, aber unsere Beziehung zu unseren Leser:innen ist immer noch dieselbe: eng und vertrauensvoll. Mithilfe von Steady können wir uns jetzt auf diese Beziehung konzentrieren, um sie noch kooperativer und lebendiger zu machen.
Das Team von Slow News bei der Arbeit.
Wie teilst du dir, Alberto, deine Arbeitszeit zwischen Slow News und anderen Jobs auf? Und wie machen es deine Team-Kolleg:innen?
Wir versuchen alle, so viel Zeit wie möglich Slow News zu widmen. Wir haben beschlossen, unsere anderen freiberuflichen Jobs zu behalten, bis wir bei Slow News Break-even erreichen. Wenn wir diesen Punkt erreichen, was hoffentlich bald sein wird, können wir uns voll und ganz der Arbeit bei Slow News widmen.
Ihr habt auch lange an einem Dokumentarfilm über entschleunigten Journalismus (Slow Journalism) gearbeitet. Kannst du uns darüber mehr erzählen?
Unseren Dokumentarfilm Slow News (Abre numa nova janela) haben wir während des Corona-Shutdowns fertiggestellt. Wir hatten die Ehre, für das Thessaloniki Documentary Festival (Abre numa nova janela) ausgewählt zu werden, eines der wichtigsten Dokumentarfilmfestivals der Welt. Unser Film wurde online gezeigt, während viele andere Festivals wegen der Pandemie abgesagt wurden.
Es ist immer eine große Freude, einen Schlusspunkt hinter ein solches 5-Jahres-Projekt zu setzen. Wir sind allen Menschen sehr dankbar, die mit uns an diesem Projekt gearbeitet haben. Wir haben wirklich viele tolle Erfahrungen gemacht. Das tragen wir alle in unseren Herzen, und wir nutzen diese Erfahrungen auch, um Slow News jeden Tag für unsere Mitglieder ein bisschen besser zu machen.
Jetzt warten wir noch darauf, ob unser Film in die Kinos und in den internationalen Vertrieb kommt. Das ist ja wegen des COVID-19-Notstands nicht selbstverständlich. Das Abenteuer ist also längst nicht zu Ende. Jetzt beginnt sogar der schwierigste und wichtigste Teil: daran arbeiten, dass der Film von vielen Menschen weltweit gesehen wird!
Auf Steady kann jede:r Mitglied von Slow News werden und entschleunigten Journalismus unterstützen: