Ich, eine Autorin? (September-Logbuch)
Es ist September. Ich trauere Kastanien hinterher und verliebe mich in ein besonders unschönes Exemplar. Es ist September. Ich lasse mir die Haare abschneiden, bereue es sofort, mache das Beste daraus. Es ist September und ich gestehe mir ein, dass mir der Mut fehlt. Es ist September. Ich lasse los. Es ist September, als ich damit aufhöre, ständig freundlich zu sein. Es ist September. Jemand sagt: “Du siehst anders aus.” Es ist das beste Kompliment. Es ist September, und dann: werde ich plötzlich ganz ruhig.
Tatsächlich ist bereits Oktober, als ich diese Zeilen zu tippen beginne. Es klingt sehr klischeemäßig, wenn ich jetzt schreibe: Wie schnell ist bitte dieser Monat vergangen? Er hat doch gerade erst angefangen!
Ich tendiere ja dazu, im September bereits Bilanz über das Jahr zu ziehen. Das liegt einerseits am Geburtstag, andererseits daran, dass ich weiß: Ab jetzt wird es ein Sprint. Keine Urlaube mehr, stattdessen Hunderterlei, was zum Jahresende noch fertig werden soll - als würde es danach nicht weitergehen. Irgendwer dreht immer am Tempo-Regler. Obwohl das Pensum in diesem Jahr ungleich höher ist, fühle ich mich auf seltsame Weise bereit. Und das, obwohl es mich gleich zu Beginn des Monats körperlich aus dem Rennen genommen hat. Vielleicht ja gerade deswegen.
Selbst die Angst hat mehr Mut
Seit April schiebe ich eine Entscheidung vor mir her, nur um dann im letzten Moment doch noch zu kneifen. Klingt vielleicht schräg, aber ich bin ein bisschen stolz darauf. Weil ich mir die ganze Zeit eingeredet habe, den Mut dafür um jeden Preis aufbringen zu müssen, mit der Folge, dass ich keinen einzigen ruhigen Moment mehr hatte. Wirklich gar keinen.
Eventuell wiederhole ich mich, aber ich habe es satt, mich freizusprengen. Ich habe es satt, meine Räume auf verbrannte Erde zu bauen und dann erst einmal die Zeit zu überstehen, in der alles nach Asche schmeckt. Nein, ich pflanze mich diesmal einfach dahin, wo ich gerade bin. Vielleicht male ich die Wände, wenn sie mich wieder einmal einengen, ja einfach in meinen Farben an.
Der Plottwist geht auf’s Haus
Im Juni schrieb ich darüber, wie sehr es mich zermürbt hat, um einen Platz auf dem Buchmarkt zu kämpfen - und wie sehr ich mich danach sehnte, das Gefühl wieder zuerst kommen zu lassen.
Das klappte ja ganz gut. Ich mit so viel Schreibfreude bin in den September hineingetanzt, und mit der festen Überzeugung, nun erst einmal mein eigenes Ding zu machen. Die letzten Absagen, haben sich mehr nach einem Ja zu mir als nach einem Nein zu meiner Kunst angefühlt.
Tja, was soll ich sagen? Das Leben hat wirklich ein Händchen für Plottwists. Meistens finde ich die nicht so toll, aber dieser hier war wirklich gut. Denn gerade, als ich mit meinem Schaffen so richtig im Reinen war, kam die Zusage einer Agentur. Moment, ich muss das nochmal schreiben: Ich habe jetzt eine Agentur. Ähm, ja. Ist immer noch real. Okay.
Wenn ich vorher drüber nachgedacht habe, war da immer die Angst, ich müsste dann auch abliefern. (Hallo, Schreibblockade.) Ein Stück weit habe ich die immer noch. Ich meine, es ist echt gruselig, wenn jemand nicht aus reiner Sympathie an meine Arbeit glaubt, sondern … Ja, warum eigentlich? Was aber auch passiert ist: In meinem Kopf wurden plötzlich Kapazitäten frei, die ich vorher in Bewerbungen gesteckt habe oder in den Gedanken an die nächste Bewerbung. Stattdessen durfte ich endlich tun, was ich mir so sehr gewünscht habe: Einfach nur schreiben.
Dabei hatte ich doch dafür gar keine Zeit! Eine Tatsache, um die sich meine Kreativität bekanntlich wenig schert. Die hat nur gelacht und ist kopfüber in ein Rabbithole aus neuen Ideen gesprungen. “Guten Tag, Sie können gerade kein Chaos gebrauchen? Alles klar, hier, bitte. Geht auf’s Haus.” Ich will mich da eigentlich gar nicht drüber beschweren. Aber ist es vertretbar, wenn ich alle Projekte liegenlasse, um diese Fanfiction zu schreiben, die gerade mietfrei in meinen Tagträumen wohnt? Nein? Okay, schade.
Nehme ich das alles nicht ernst genug?
Gelegentlich frage ich mich ja, ob ich überhaupt das Zeug dazu habe, eine “richtige” Autorin zu sein. Ich sehe mich selbst mehr als Künstlerin, meine Stärke liegt im Spontanen, immer mehr Herzblut als Gedankentinte. Wenn ich es anders versuche, merkt man das. Ebendas zeigt mir auch gerade das Lektorat meines New Adult Romans, den ich nächstes Jahr im Selfpublishing herausbringe. Die Lieblingslektorin ist mir dort sofort auf die Schliche gekommen, denn dieses Projekt begann im Kopf und kroch mir erst mit der Zeit ins Herz. Vielleicht darf das ja auch so sein? Wir werden sehen.
Also muss ich jetzt nach Plan arbeiten, um mich als Autorin ernstnehmen zu dürfen? Oder darf ich auch zwischen drei Geschichten herumspringen, weil jede auf ihre Weise ein Gefühl verkörpert? Macht mich das unproduktiv?
Mit etwas Ermutigung habe ich es ausprobiert, und die Antwort lautet: Nein. Wenn es darum geht, im Flow zu bleiben, gibt es nichts Schlimmeres als Sätze, die mit “Ich müsste doch eigentlich …” beginnen. Ich muss mich vor allem bewegen können. Und wenn ich dafür erst einen Berg an Impulsen wegschaufeln muss, dann ist das so. Bei meinem Debütroman habe ich wahrscheinlich um die 500.000 Wörter “umsonst” geschrieben. Und ich habe sie alle gebraucht, um am Ende da hinzukommen, wo ich jetzt bin. Egal, ob es Morgenseiten waren, hingekritzelte Herzgedanken oder Quatsch-Manuskripte: Bisher hat mich jedes Wort weitergebracht.
Ich kann doch niemandem etwas beibringen!
Das war das inoffizielle Motto meines ersten Schreibworkshops, den ich am 20.09. via Zoom gegeben habe. Irgendwie hatte ich damit gerechnet, dass wir da zu zweit sitzen. Wäre völlig okay gewesen. Aber nein, es haben sich ganz dreist gleich vier Leute angemeldet, die haben sogar Geld dafür bezahlt, und ich muss jetzt sicher nicht ausführen, dass mein Hochstaplersyndrom das nur zu gern genutzt hat, um eine VIP-Party zu feiern. Mit extra Konfetti.
Das Lustige im Zoom ist: Ich sehe sofort die Reaktionen, wenn ich einen Schreibimpuls präsentiere. Wer dabei war, darf mich gern korrigieren, aber dafür lief es doch ganz gut, oder? Denn trotz der teils überraschten, vielleicht sogar überforderten Gesichter, sind da wirklich coole Texte herausgekommen. Und ich glaube, wir hatten sogar Spaß. Hatten wir doch, oder?
Man merkt, ich muss mich da noch eingrooven. Und ich habe vor, zu grooven! Mein Ziel ist, das jetzt einmal im Monat zu machen. Kein Anspruch auf Vollständigkeit. Und nein, ich will niemandem etwas beibringen. Ich will genau das: Freude. Es soll Spaß machen. Und im besten Fall soll es den Teilnehmenden die Hand reichen, um direkt weiterzuschreiben.
Jedenfalls hat es das Potenzial, ein Lieblingsding zu werden. Und weil der Herbst auch ein Lieblingsding ist, machen wir doch ein Pärchen daraus. In der nächsten Schreibpause wird es kuschelig, vielleicht ein bisschen stürmisch, wir lassen die Blätter tanzen und fädeln bunte Wortketten. Hast du Lust?
Die Schreibpause im Oktober findet am 26.10. um 15 Uhr (Achtung, neue Zeit!) via Zoom statt.
Wie immer reicht eine formlose E-Mail an hej@karla-eklund.com (Abre numa nova janela), dann bekommst du alle weiteren Infos zur Anmeldung.
Well, you look like yourself
Ach, und dann hatte ich ja noch Geburtstag. Und ich habe da irgendwie die Vorfreude verlernt. Als depressiver Mensch war es für mich jahrelang ein schwieriger Tag, weil die Leute einem da gern eine Dankbarkeit diktieren, die man einfach nicht fühlt - das schlechte Gewissen deswegen aber schon. Dieses Jahr hatte ich mich dann endlich so weit aus den Erwartungen herausgeschält, dass ich weder geplant noch gehibbelt habe.
Und dann war’s so, so, so, so schön! Nicht nur der Herbst hat geliefert und uns (also die Familie und mich) mit traumhaftem Wanderwetter beschenkt. Ich habe auch wirklich verdammt tolle Dinge und noch viel liebere Worte bekommen, über die ich mich jetzt noch freue, denn wie aufmerksam kann man eigentlich sein? Herzmenschen so: Ja. (Danke!)
Ich brauche eigentlich keinen Tag mehr, um zu feiern, dass ich am Leben bin. Das ist keine leichtfertige Aussage. Und um mich daran zu erinnern, dass deswegen noch lange nicht immer alles gut sein muss, habe ich mir selbst diesen Text (Abre numa nova janela) geschenkt.
Wenn ich an die letzten Jahre denke, fühlt es sich an, als wäre ich permanent gerannt. Aber wohin denn eigentlich? Ich muss nicht mehr ständig aus der Puste sein. Ich bin doch schon da. Ich bin umgeben von Menschen, die mir guttun. Ich darf mir Geschichten ausdenken. Ich teile meine Liebe zum Schreiben. Alles, was ich tun muss, ist, weiterzulaufen. In welchem Tempo auch immer.
Danke, dass du bis hierhin gelesen und mich somit ein Stück begleitet hast. Diesmal ist es mir wirklich schwergefallen, alles im Beitrag unterzubringen, einiges konnte ich nur anreißen. Lass es mich gern wissen, falls du dir zu einem Thema mehr Tiefe wünschst. Ansonsten lesen wir uns im nächsten Beitrag. Bis dahin!