Komplementärgefühle (November-Logbuch)
Wo bist du gerade - körperlich, gedanklich? Wie fühlt sich das an? Was hält dich fest, was lässt dich weitermachen? Worauf hoffst du? Und was tust du, damit es wahr wird?
November, das ist dieser Monat, in dem es schon ziemlich grau und dunkel ist, aber noch keine Lichterketten herumfunkeln, die zumindest so tun, als wäre die Welt in Ordnung, als hätten die Menschen sich lieb. (Weihnachten, watching you!) Ich glaube, ich muss niemandem erklären, warum dieser November besonders mistig war. Und nein, damit meine ich nicht die Regentage oder den Nebel, den finde ich ja sogar ganz schön. Wobei wir hier in Ostsachsen wirklich verwöhnt sind, was das Wetter angeht. Draußen war’s also gar nicht mal so grau. Immerhin.
Es lebe der Eskapismus
Mal abgesehen davon, dass schon nach der ersten Woche die Messlatte für den Monat nicht besonders hoch lag (remember, remember the sixth of November) und die alten, weißen Männer sich darum reißen, wer uns am besten zurück ins 19. Jahrhundert oder wahlweise in Richtung Weltuntergang manövriert: Es sind auch gute Dinge passiert! Ja, echt!
Zum Beispiel meine zweite Schreibpause am 8. November, in der wir nicht nur dem Herbst die Meinung gegeigt, sondern auch eine Bude auf den Markt gebracht haben - inklusive Besichtigung. Und ich glaube, das wird auch künftig die Mischung sein: Wir bewegen uns überwiegend im Freewriting, aber es gibt hier und da eine Prise Schreibhandwerk. Gerade so, dass niemand in Versuchung kommt, die Übungen zu ernst zu nehmen. Go with the flow, run for the fun - oder so ähnlich. Und ob du damit nun hinterher einen Knoten im Manuskript löst oder einfach nur deinen Kopf frei schreibst, du wirst auf jeden Fall davon profitieren.
Der nächste Termin steht noch nicht fest. Wenn du grundsätzlich Interesse hast, schreib mir per eine Mail an hej@karla-eklund.com (Abre numa nova janela), dass du über geplante Workshops informiert werden möchtest. Natürlich unverbindlich! Langfristige Planung … Hallo, wo kämen wir denn da hin? (Aktuell sieht es danach aus, dass der nächste Workshop erst im neuen Jahr stattfindet.)
Apropos langfristig …
Mein Selfpublishing-Roman hat das Lektorat durchlebt. (Oder überlebt?) Also ich war mir ja sicher, das wird nie fertig bzw. dauert mindestens noch bis nächstes Jahr. Merke: künftig gleich ordentlich recherchieren, um Plotlücken zu vermeiden. (Hahahahaha, als ob!) Jedenfalls wurde es dann plötzlich eng mit der Planung, nicht für dieses Projekt, aber für andere Dinge - egal. Der virtuelle Schreibtisch soll leer werden, also habe ich durchgezogen.
Das Resultat sind 12.000 Wörter mehr, also mehr Hach und mehr Autsch, es ist ja schließlich alles sehr dramatisch. Dabei habe ich festgestellt, dass das meine erste echte New Adult Romance ist. Eine zweite gibt’s inzwischen auch schon (zusammen mit Trisha Brown, erscheint im Frühjahr 2026), aber dann darf es gern auch wieder sanfter werden. Vielleicht schreibe ich zur Abwechslung mal was Lustiges? … Hm, na gut, Sarkasmus ist ja auch lustig.
Nichtsdestotrotz habe ich doch auch ein klitzeklitzekleines bissel Stolz empfunden, als ich das Manuskript zurück an meine Lektorin senden durfte. Auch wenn ich überzeugt davon bin, dass sie in meinen Ergänzungen neuen Murks finden wird. Auch wenn es immer noch so viel zu tun gibt und ich mich regelmäßig frage: Warum tue ich mir das an? Warum versenke ich es nicht einfach in der Schublade? Es werden sowieso nur eine Handvoll Leute lesen, mimimimimimi. - Okay, einfach weitermachen. Dieser Satz hat mich durch den November gebracht. Mit Ach und Krach, aber trotzdem.
Nix und ein bisschen was
Mal abgesehen davon, dass ich jetzt also weiß, wie sich ein konstruktives Lektorat anfühlt (bin ein Fan, btw, auch wenn ich dabei fluche wie sonstwas), habe ich gar nicht mal so viel geschrieben. Also genau genommen: nix. Nur diese 12.000 Wörter. Reicht ja auch.
Und gelesen? Habe ich ein Buch. Ja, richtig. Keine fünf, keine sieben. Nur eins. (Wir ignorieren an dieser Stelle mal all die angefangenen Bücher, die ich eigentlich beenden wollte.) Meine Güte, hat mich dieses Buch zerlegt vor lauter Wut und Nähe und Herzenswärme. Ich bin gerade furchbar nachlässig mit Rezensionen, aber in aller Kürze kann ich “In Case We Dare” von Tess Tjagvad sehr empfehlen, wenn du Wert auf Green Flags und gesunde, wenn auch ganz und gar nicht perfekte Beziehungen legst - und dich da mit den Figuren gemeinsam durchfühlen willst. Denn die sind so, so menschlich. Und es ist noch dazu so, so schön geschrieben. Was für ein Geschenk, dass dieses Buch so viele Seiten hat! (Band 1 ist vom Umfang übrigens ähnlich, hat sich aber langsamer angefühlt. Die Bücher der Reihe sind unabhängig voneinander lesbar.)
Außerdem durfte ich wieder für meine Schreib-, ach was, Allesfreundin Sara testlesen, sie schreibt da nämlich eine ganz wundervolle Geschichte, die immer länger wird (ich will mich nicht beschweren). Und es ist mein Herzenswunsch, dass sich noch ganz viele Menschen in ihre Figuren verlieben dürfen.
Leben? Wie ging das nochmal?
November war für mich schon immer ein Monat der Komplementärkontraste, aber dieses Jahr besonders. Nicht nur, weil die Work-Work-Balance ein bisschen zu gut funktioniert, ich mich hier als kreatives Chaos, dort als souveräne Projektleiterin präsentiere (und darin auch gar nicht mal schlecht bin, immerhin diese Erkenntnis). Was sind eigentlich Pausen? Und zwischendurch immer wieder die Frage: Wozu das alles, wenn die Welt sowieso untergeht?
Weil das Leben jetzt passiert. Weil ich zu stur bin, um mich der Verzweiflung hinzugeben. Fuck this, dann reißt es mir eben fünfmal die Füße weg, ich stehe sechsmal wieder auf. Und ja, vielleicht sind meine feministischen Geschichten ein feuchter (höhö) Witz gegen das, was da draußen passiert. Aber trotzdem. Trotzdem werde ich damit nicht aufhören. Trotzdem werde ich weiter die Spaßbremse sein, mit meiner woken Überkorrektheit, weil der Spaß eben irgendwo aufhört. Ja, ich mag dich, aber du laberst Scheiße wird der wichtigste Satz in den nächsten Monaten sein. Denn ganz ehrlich, wir können die Küchentischgespräche auch nicht alle Robert Habeck überlassen. (Aber wenn du das gerade nicht schaffst: Es ist okay. Du kannst nicht die Welt retten, während du selbst in Flammen stehst.)
Äh … Nein?!
Und immer wieder dieses People Pleasing. Wie ich das satt habe. Du mit deiner Ignoranz, du krallst dir meine Liebe. Ich will das nicht mehr. Liebe ja, das ist immer die erste Wahl. Ich bin gern eine freundliche Person, aber warum lasse ich Menschen an meinen Grenzen zerren, nur damit sie sich gut fühlen? Fühle ich mich dabei gut? Nein.
Ich experimentiere gerade damit, gebe mehr von mir in Räume, in denen ich bisher immer die mit dem unbekümmerten Lächeln war, ja, okay, wenn dir das lieber ist, machen wir das so. Ich übe mich darin, “Äh … Nein?!” zu sagen, meinetwegen lächelnd, und es frisst meine Energie, weil meine Glaubenssätze dabei schreiend im Kreis laufen. Kann es mir wirklich egal sein, was die Person über mich denkt? Es ist am Ende eine Kosten-Nutzen-Rechnung, und vielleicht ist es ja okay, dass die Bilanz in dieser Übungsphase noch nicht so ganz aufgeht. Vielleicht darf ich mir auch Zeit geben, um meine alten Muster gehen zu lassen, vielleicht muss ich es auch nicht zu 100% hinbekommen. Kleine Schritte. Fehler erlauben. Leichter gesagt als gefühlt. Ich erwarte immer noch so verdammt viel von mir selbst. Und ich bin froh, dass es Menschen gibt, die mich gelegentlich daran erinnern, dass ich auch freundlich zu mir sein darf.
Einfach nur existieren
Als ich dieses Logbuch beende, ist bereits die erste Dezemberwoche rum. Das Manuskript ist abgeschickt, die nächste Überarbeitung reiht sich ein. Klingt viel? Ist viel. Und deshalb habe ich beschlossen, auf die morgige Zugfahrt kein Arbeitsgerät mitzunehmen. Dann sitze ich eben drei Stunden nur herum. Und lese. Und existiere. Und mache einfach mal Pause.
Jedes Jahr will ich mich auf den Dezember freuen, kaufe Weihnachtsbücher, schmücke das Wohnzimmer, jedes Jahr fühle ich mich nullkommanull weihnachtlich. Aber die Welt dreht sich auch weiter, wenn ich mal kurz stehenbleibe. Dann gibt es eben keine Wichteltür, dann wird eben nur eine Sorte Kekse gebacken, dann lese ich eben nicht all meine Bücher, nur weil ich es so geplant habe.
Also falls es dir ähnlich geht, falls du auch gerade im Stress versinkst, denk immer daran: Es muss nicht alles perfekt sein. Schon gar nicht du.
Danke für deine Zeit und komm gut durch den Dezember!🕯️