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Der Ewige Krieg

Es war ein langer Sommer. Und, so falsch das jetzt auch klingen mag, angesichts unserer Gesamtsituation, einer der tollsten Sommer meines Lebens. Ich weiß nicht, was das ist, dass ich immer dann die tollsten Sommer erlebe, wenn alles um mich herum zusammenbricht. Den letzten tollsten Sommer hatte ich, als ich frisch vom Vater meiner Kinder getrennt war. Wir hockten damals, etwa vier Wochen nach unserer Trennung immer noch gemeinsam, vom schwierigen Tel Aviver Immobilienmarkt in die Zange genommen, in unserer kleinen Wohnung und die Stimmung war gelinde gesagt beschissen. Ich schnappte mir die Kinder und verschwand für zwei Monate nach Deutschland. Mein erster Sommer in Freiheit, den ich danach immer als den tollsten meines Lebens bezeichnete. Auch der Sommer in diesem Jahr ging lang. Allerdings nicht, weil mein Ex-Mann noch keine neue Wohnung hatte, sondern weil der Krieg unsere Flugpläne immer wieder torpedierte. Wir hatten Tel Aviv Ende Juli geplant für zwei Wochen verlassen und kamen erst am 2. September zurück. Dazwischen lag der schönste Sommer, den ich mir vorstellen konnte. Nein, ich hätte ihn mir nach dem 7. Oktober eben nicht vorstellen können und doch war er es. Zuerst auf Rhodos, dann in meiner Heimat an der Ostsee, beobachtete ich, wie meine Kinder wieder Kinder wurden. Wie sie unbeschwert spielten, ohne Angst vor Raketenalarmen oder Eskalationen mit dem Iran, auch ohne das Lärmen und Tönen von Trommeln und Tröten, die auf der Dizengoff für die Rückkehr der Geiseln protestierten.

Ich beobachtete meinen Elfjährigen, der in Israel immer mehr zum unerträglichen, griesgrämigen Teenie geworden war und sah plötzlich wieder einen kleinen Jungen. Der auf Luftmatrazenabenteuer ging, Steine sammelte und Pfeil und Bogen aus Holz schnitzte (einen großen Dank an dieser Stelle an meinen wunderbaren Ex-Freund, die erste Liebe meines Lebens, der einen Teil des Sommers mit meinen Jungs und meinen Eltern verbrachte - i know, das alleine wäre eine Geschichte wert). Ich kuschelte endlose Stunden mit dem Großen und dem Kleinen, dem jeden Tag eine neue Sommersprosse im Gesicht wuchs und dessen Lächeln immer breiter wurde. Die Erleichterung bei beiden, als unser Rückflug nach Tel Aviv gecancelt wurde, war so riesig, wie der Riss in meinem Mutterherz, das in diesem Sommer vielleicht zum ersten Mal richtig die Konsequenzen dieses Lebens im Krieg für meine beiden Kinder begriff. Dieser, einer der tollsten Sommer meines Lebens, war aber auch deshalb so toll, weil ich ihn nach den ganzen Schwierigkeiten des letzten Jahres wirklich zu schätzen wusste. Weil ich mir in jedem Moment bewusst darüber war, wie privilegiert ich bin. Weil ich reisen kann. Weil ich einen Zufluchtsort außerhalb von Israel habe. Weil mein Verlobter mit uns den Sommer verbrachte. Weil meine Eltern sich fantastisch um die Kinder kümmerten. Weil keiner meiner Angehörigen in Geiselhaft ist. Weil niemand, den ich eng kenne, am oder seit dem 7. Oktober ermordet wurde. Weil ich nicht in Gaza lebte. Weil ich nicht in der West Bank lebte. Weil weil weil. Es war dieses Bewusstsein, gepaart mit einer Prise Schuldgefühl und schlechtem Gewissen, die mich den Sommer umso mehr genießen ließen. Es war das gleiche Gefühl, was dafür sorgte, dass ich mich schließlich aber auch darauf freute, endlich wieder nach Hause zu fliegen.

Denn die Wahrheit ist, der Krieg, der lässt sich nur begrenzt verdrängen. Denn so schön die Tage an der Ostsee und auf griechischen Inseln, mit den Kindern und nur zu zweit mit Amit, auch waren, nachts, nachts da holte der Krieg mich ein. Da träumte ich immer und immer wieder von den Geiseln. Da herrschte ein nicht enden wollender 7. Oktober. Da war der Krieg immer da. Als ich dann am frühen Morgen des 1. September aus einem dieser Albträume in der Berliner Altbauwohnung meiner besten Freundin aufschreckte und von der Ermordung von sechs Geiseln durch die Hamas las, wusste ich, der Urlaub ist nun endgültig vorbei. Ich lief durch Berlin wie ein Geist, konnte nicht begreifen, wie dort alle einfach lebten, während bei uns ständig die Welt unterging. War neidisch auf all die Menschen, die sich durch den Berliner Spätsommer trieben ließen und die in ihrer Heimat nie etwas anderes erlebt hatten als Frieden. Beobachtete neidisch meine beste Freundin, die sich einfach auf den Schulanfang ihrer Tochter freuen konnte, ohne sich zu fragen, ob der Schulbunker wohl auch im Falle eines Angriffs durch die Hisbollah sicher wäre.

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