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„Das ist keine Einzelhaft, das ist ein Tierheim“

Im Konflikt zwischen Stadt Freital und dem Tierheim der Stadt geht es um die Frage: Wie viel Tierschutz muss wirklich sein – und wie viel darf er kosten?

Regina Barthel-Marr will den Hunden im Tierheim ein würdiges Leben ermöglichen.

Regina Barthel-Marr kennt die Hunde hinter den Gittern mit Namen. Sie kennt auch ihre Geschichten. Wessen Frauchen erst unlängst gestorben ist und wer jetzt ganz allein ist, wer gebissen hat, auch die Geschichte der geschmuggelten Welpen. Für die Vorsitzende des Tierschutzvereins Freital und Umgebung e. V. (Abre numa nova janela) sind die Hunde keine Zahlen. Und doch muss sie sich gerade viel mit Zahlen beschäftigen.

Denn ab dem kommenden Jahr will die Freitaler Stadtverwaltung Fundtiere nicht mehr im Tierheim auf dem Windberg versorgen lassen, sondern in Winkwitz bei Meißen. Rund 35 000 Euro pro Jahr will sie damit sparen. (Abre numa nova janela)

Auf den ersten Blick geht es in dieser Geschichte also um Geld. Die Stadt muss sparen, weil ihr die Kosten für Personal und Energie davonlaufen – nur ist das Problem: Dem Tierheim geht es nicht anders. Die Vereinsvorsitzende Regina Barthel-Marr, im Hauptberuf Geschäftsführerin eines Ingenieurbüros, legt die Zahlen und Tabellen auf den Tisch: Lagen die Kosten für den Zweckbetrieb des Freitaler Tierheims 2017 noch bei 267 119 Euro, werden sie 2024 auf über 780 000 Euro steigen.

303 Katzen wurden 2024 bisher im Tierheim abgegeben.

Seit langem bitten die Tierschützer deshalb die elf Kommunen zwischen Altenberg, Bannewitz und Tharandt, die vom Freitaler Verein Fundtiere versorgen lassen, um eine Erhöhung ihrer Beiträge von 1,30 Euro auf demnächst 1,60 Euro pro Einwohner jährlich. Alle Gemeinden machen mit – nur nicht die Stadt Freital. Die zahlt weiterhin seit Jahren nur 1,30 Euro pro Einwohner an das Tierheim. „Dabei haben wir schon seit drei Jahren steigende Verluste“, sagt Regina Barthel-Marr. „Vor zwei Jahren waren es 5000 Euro, im letzten Jahr 10 000 bis 15 000 Euro – und dieses Jahr wird das noch einmal getoppt.“

Eigentlich bräuchte der Verein laut eigener Berechnung einen Zuschuss von mindestens 1,80 Euro pro Einwohner jährlich, um wieder kostendeckend zu arbeiten. Für die Stadt wären das rund 72 000 Euro: 20 000 Euro mehr als bisher - für Oberbürgermeister Uwe Rumberg (Konservative Mitte) und seine Verwaltung: deutlich zu viel.

Es gab Gespräche zwischen Stadtspitze und Tierheim. Und darin offenbarte sich, wie zu hören ist, ein tieferer Grund des Konfliktes: Die Ansichten über das, was für den Schutz von Tieren wirklich nötig ist, gehen zwischen Bürgermeister und Verwaltung sowie dem Tierschutzverein offenbar ziemlich auseinander.

Das Tierheim soll nur Zwischenstation auf dem Weg in ein neues Zuhause sein.

1,75 Stunde Arbeit pro Tag berechnet der Freitaler Tierschutzverein für jede Fundkatze – für jeden gefundenen und abgegebenen Hund 2,5 Stunden. „In Wirklichkeit wenden wir für jedes Tier viel mehr Zeit auf“, sagt die Vorsitzende Regina Barthel-Marr, „aber wir sind fair genug, den Kommunen nur die minimale Zeit abzurechnen.“

Dem Freitaler Rathaus scheint aber selbst diese Zeit zu großzügig angesetzt. Die Tierheimmitarbeiter rechnen vor: Ein abgegebenes Tier müsse nach der Ankunft begutachtet, entwurmt, bei Bedarf dem Arzt vorgestellt und dann die erste Zeit in einer Quarantänestation untergebracht werden. Dazu früh und abends Füttern, die Tiere bürsten, Krallen schneiden, mit Medikamenten versorgen, den Stall reinigen.

„Mit den Hunden gehen wir drei bis vier Mal am Tag Gassi“, sagt die Tierheimleiterin Anja Witzmann. „An manche Hunde muss man sich erst herantasten. Denn das Hauptproblem bei den meisten Hunden hier ist, dass sie nie eine Erziehung genossen haben. Doch ein Hund muss ausgelastet sein wie ein Mensch, er braucht auch eine Aufgabe.“

Das Gassi-Gehen mit den Hunden übernehmen ausschließlich hauptamtliche Mitarbeiter, die als einzige im Landkreis die Erlaubnis zum Führen gefährlicher Hunde haben. Zu anspruchsvoll ist diese Aufgabe. Dabei geht es nicht allein um Liebe zum Tier, es geht auch um Recht und Gesetz. Denn das Tierschutzgesetz und die Hundeverordnung geben strenge Vorgaben. „Das ist doch keine Einzelhaft, das ist ein Tierheim“, sagt die Vereinsvorsitzende Regina Barthel-Marr.

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Noch zugespitzter stellt sich die Frage beim Umgang mit verletzten Fundtieren: Sterben lassen oder retten? „Diese Diskussion führen wir nur mit der Stadt Freital“, sagt Regina Barthel-Marr. Auch ein Inkubator für neugeborene und kranke Katzen im Tierheim habe für Fragen gesorgt. „Aber das Tierschutzgesetz sagt ganz grundsätzlich: Ein Tier darf nicht eingeschläfert werden, nur weil es etwa ein gebrochenes Bein hat.“

Auch das will bezahlt sein. Die Kosten für die Tierärzte hätten sich in den letzten Jahren im Durchschnitt etwa verdoppelt, heißt es im Freitaler Tierheim. Auch die Preise beispielsweise für Desinfektionsmittel seien stark gestiegen. „Normalerweise ist es nicht unsere Aufgabe, bei Fundtieren den Tierarzt zu bezahlen“, sagt Regina Barthel-Marr, „sondern das muss eigentlich die Kommune übernehmen.“ Der Verein tat es trotzdem und rechnete die steigenden Kosten in seine erhöhten Gebühren mit ein – die die Stadt Freital nun nicht mehr übernehmen möchte.

Das Tierheim im Wald auf dem Windberg.

Das Tierheim Meißen-Winkwitz (Abre numa nova janela) soll nun im kommenden Jahr für die Stadt Freital Fundtiere aufnehmen. Für den Tierschutzverein auf dem Windberg mit seinen 14 gut ausgebildeten Mitarbeitern hat das harte Konsequenzen. Mehr als 52 000 Euro Einnahmen fehlen ab Januar.

„Jetzt haben wir eigentlich zwei Mitarbeiter zu viel“, stellt die Vorsitzende Regina Barthel-Marr fest, „Ich will sie gern weiter beschäftigen, sie arbeiten in zwei Schichten, fahren nachts raus – ich will sie nicht kündigen.“ Aber möglicherweise bleibe kein anderer Weg. Auch wenn der Verein und seine zwei Häuser in Freital und Reichstädt insgesamt nicht in Gefahr seien.

Denn die übrigen Kommunen der Regionen unterstützen das Tierheim, anders als Freital, weiter. Und der größte Teil des Geldes komme ohnehin aus Spenden, sagt Regina Barthel-Marr. „Manche Kinder geben sogar ihr Taschengeld für die Tiere. Ohne Spenden wären wir tot.“

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Schon bevor das Tierheim mitten im Wald auf dem Windberg hinter den Bäumen auftaucht, ist das Bellen zu hören. 45 Fundhunde wurden bisher in diesem Jahr beim Freitaler Tierschutzverein abgegeben und 303 aufgefundene Katzen.

„Mir graut davor, wenn ab dem 1. Januar Leute mit einer gefundenen Katze vor unserer Tür stehen“, sagt die Tierheimleiterin Anja Witzmann, „und wir sagen müssen: Tut uns sehr, sehr leid – aber Sie müssen nach Meißen“.

Andreas Roth

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Tópico Soziales

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