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Wie Sprache dein Denken und Handeln beeinflusst 

Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen übers Gehirn, die du kennen solltest. Heute geht es um Metaphern, die wir alle ständig benutzen – und was dabei in unserem Gehirn passiert.

Die Flüchtlingswelle hat uns 2015 ganz schön erwischt. Natürlich tun mir die einzelnen Flüchtlinge Leid, aber jedes Land kommt an seine Grenze, wenn es so überschwemmt wird. Schließlich flüchten viele nicht vor dem Krieg, sondern schleichen sich langsam als Schmarotzer in unsere Sozialsysteme ein. Mal ganz ehrlich: Das Boot ist voll!

Stößt dir gerade die letzte Mahlzeit auf? Vielleicht empfindest du jetzt auch ein bisschen Hass auf mich? Das passt schon. Denn ich versuche, dir etwas zu demonstrieren, was unangenehm, aber wichtig ist. Während du diese Sätze liest, passiert etwas in deinem Gehirn. Die Metaphern übernehmen die Kontrolle über das, was du denkst. Egal, wie bewusst du dir darüber bist. In diesem Moment hat die AfD, und alle, die vom vollen Boot und Flüchtlingswellen sprechen, schon gewonnen.

Denn: die AfD macht alles richtig – aus linguistischer Sicht.
Ihre Formulierungen sind ein wichtiges politisches Werkzeug, das sie extrem erfolgreich einsetzt.

Wieso solche Ausdrücke auch dich beeinflussen?

Das hat viel damit zu tun, was Metaphern mit unserem Gehirn machen. Sprache beeinflusst, welche Meinung sich Menschen bilden und wie Menschen handeln.

Ohne Metaphern können wir nicht miteinander kommunizieren

Wir alle benutzen Metaphern, jeden Tag, fast in jedem Satz. Ich spreche nicht von dem Stilmittel, das wir mal irgendwann im Deutschunterricht besprochen haben. Das ist in literarischen Texten und in großen Reden zwar oft schön und rhetorisch geschickt, aber in unserem Alltag brauchen wir es nicht. Ich spreche von Metaphern, die für uns ganz normal geworden sind, in denen wir nicht nur sprechen, sondern auch denken.

Versuch mal, ohne Metaphern über solch abstrakte Konzepte wie Liebe, Zeit oder Moral zu sprechen. Ich habe es probiert - bei mir funktioniert es nicht.

Um über Zeit oder Moral zu sprechen, brauchen wir Metaphern. Hier sind ein paar Beispiele: „Ich habe viel Zeit investiert“, „Damit verliere ich zu viel Zeit “ oder „Du verschwendest meine Zeit“ – alles Beispiele für die Metapher Zeit ist Geld.

„Nicht zurückblicken!“ und „Das liegt noch vor uns“ sind Beispiele für unsere Vorstellung, dass Vergangenheit hinten und Zukunft vorne ist. Diese Metaphern sind uns so vertraut, dass sie uns ganz natürlich erscheinen. Wir sprechen nicht nur in diesem Konstrukt, sondern denken auch in ihm. 

Metaphern beeinflussen unser Denken und unser Handeln

Das grundlegende Prinzip hinter jeder Metapher: Wir nehmen ein konkretes Konzept und beschreiben damit ein abstraktes Konzept. Das klingt erstmal wissenschaftlich, bedeutet aber nur: Geld können wir anfassen und benutzen (zumindest noch), Zeit nicht. Deswegen verwenden wir Formulierungen, mit denen wir sonst über Geld reden, um über Zeit zu sprechen.

Die beiden Linguisten George Lakoff und Mark Johnson haben die sogenannte Konzeptuelle Metapher-Theorie mit ihrem Buch Metaphors We Live By 1980 populär gemacht. In ihrem Buch listen sie eine Metapher nach der anderen auf, die wir ganz alltäglich benutzen. Und sie sagen, dass das Auswirkungen hat: „Metaphern sind nicht nur Sprachfiguren, sondern eine Denkweise.”

Zeit ist eben nicht wirklich Geld. Mit einer Metapher können wir immer nur Teile eines abstrakten Konzepts hervorheben, während wir andere Aspekte in den Hintergrund stellen, sie sind selektiv. Meist ordnen wir die Konzepte so zu, dass sie uns auch wirklich weiterhelfen. Wenn wir über Liebe sprechen, bietet sich die Zuordnung Liebe ist eine Reise an, weil wir viele Aspekte vom Reisen auf Liebe übertragen können. Wir befinden uns an einem Wendepunkt unserer Beziehung, gehen getrennte Wege oder sind mit unserem Partner schon weit gekommen.

Eine Metapher besteht nicht aus einer einzigen Formulierung. Wir übertragen alle Formulierungen des Konzepts “Reisen” auf das Konzept “Liebe”, die für uns Sinn ergeben.

Manche Metaphern sind mittlerweile so tief in uns verankert, dass sie sich auf unser Verhalten auswirken. Soll sich ein Mensch vorstellen, wie sein Leben in vier Jahren aussieht, macht er kleine Schritte nach vorn. Soll er sich an sein Leben vor vier Jahren erinnern, macht er währenddessen kleine Schritte nach hinten. Zukunft ist vorn, Vergangenheit ist hinten, nicht nur in unserer Sprache – das hat diese Studie (Abre numa nova janela) gezeigt.

Unsere politischen Debatten sind durchzogen von Metaphern

Steuern, Zuwanderung, Medien, Sozialstaat, Arbeit, Klima - auch in der öffentlichen Debatte gibt es abstrakte Konzepte, über die wir ohne die Hilfe von Metaphern kaum sprechen könnten. Ein populäres Beispiel: Steuern sind eine Last. Wir reden von Steuererleichterung, wollen die Mittelschicht entlasten oder die Steuerlast senken.

Wie Metaphern in der Politik verwendet werden, erforscht Lakoff seit Jahrzehnten. Elisabeth Wehling, die mit ihm an der University of Berkeley forscht, hat sich ihm angeschlossen und sorgte mit ihrem Buch Politisches Framing 2016 für Aufsehen. Manche Linguisten werfen ihnen vor, dass sie ihre Forschung benutzen würden, um Politik zu machen, dass sie stets auf der Seite der Liberalen seien, deren Sprache sie aufbessern möchten, und der Sprache eine zu große Macht zusprechen würden.

An ihren grundsätzlichen Erkenntnissen über den unbewussten und subtilen Einfluss von Sprache zweifeln aber nur wenige. Denn Metaphern haben eine weitere Eigenschaft: Sie betten das Gesagte in einen Rahmen ein. Worte werden in einen Zusammenhang mit unserem Weltwissen gestellt. Man spricht dann von Framing.

Warum beeinflusst Framing uns?

Sprechen wir von Steuererleichterung, akzeptieren wir also die Metapher Steuern sind eine Last, wird ein Frame im Gehirn aktiviert, der Steuern negativ konnotiert. Denn: wenn wir das Wort Last hören oder lesen, werden in unserem Gehirn die Erfahrungen, die wir dem diesem Wort gemacht haben, mit aktiviert.

So gibt unser Gehirn dem Wort überhaupt erst eine Bedeutung. Bei den meisten sind das negative Erfahrungen, wer hat schon besonders schöne Erfahrungen mit einer schweren Last gemacht? Steuern werden also ganz automatisch in unserem Gehirn mit etwas Negativem verbunden. 

Denn so funktioniert unser Gehirn: Es speichert jedes Wort irgendwo ab. Je öfter zwei Wörter gemeinsam auftauchen, desto stärker wird die Verbindung zwischen ihnen im Gehirn. Der Psychologe Donald Hebb brachte das in den Vierzigern auf den Punkt: “Neurons that fire together wire together” – Neuronen, die gleichzeitig aktiviert werden, verbinden sich – eine grundlegende Erkenntnis über die Funktionsweise des Gehirns. Das Gehirn lernt. 

Wer Steuern als Last sieht, von ihrem Nutzen für die Gesellschaft nicht überzeugt ist oder sie grundsätzlich senken möchte, verwendet damit genau die richtige Metapher. Wer Reiche aber davon überzeugen möchte, dass höhere Steuern genau das sind, was die Gesellschaft jetzt braucht, wird mit dieser Metapher schlechte Karten haben. Er gibt der Diskussion einen negativen Rahmen, aktiviert im Gehirn einen negativen Frame. Eine Last verkauft sich nicht gut. „Hier, halt mal bitte, ist sehr schwer.“

Wer aber jetzt denkt: „Dann tauschen wir einfach die Metapher aus und schon sind die Reichen überzeugt”, überschätzt die Macht von Sprache. Eine Steuersenkung beschließt man nicht von heute auf morgen. Es gibt keinen Beleg dafür, dass Reframing gleich einen sozialen Wandel nach sich zieht. Sprache bestimmt nicht unsere Meinung, sie beeinflusst sie unterbewusst, subtil, und ist so ein Faktor – manchmal der entscheidende – in unserer Meinungsbildung.

Echte Brains können hier weiterlesen. Heute: Eine Liste mit Metaphern, die wir alle im Alltag benutzen und uns beeinflussen.

Echtes Brain werden! (Abre numa nova janela)

Tópico Sprache & Gehirn

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