Warum es sich so anfühlt, als käme Weihnachten jedes Jahr schneller
Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute darüber, wie das Gehirn Zeit wahrnimmt – als Kind, und als Erwachsener.
Kurz vorab: In meiner aktuellen Podcast-Folge geht es darum, warum man schlechter schläft, wenn man gestresst ist – und was man dagegen tun kann (→ jetzt anhören (Abre numa nova janela)).
Es gibt dieses eine Weihnachten, an das ich mich immer erinnern werde. Ich war damals noch im Kindergarten. Und genau dort hatten wir für unsere Eltern Teller bemalt, als Weihnachtsgeschenke. Was genau ich auf meinen Teller gemalt hatte, weiß ich nicht mehr, aber: Ich habe mir richtig Mühe gegeben.
An Heiligabend standen meine drei Geschwister und ich dann in einer Reihe im Flur vor der Tür zum Wohnzimmer. Die Tür war verschlossen, wir warteten mit unseren Geschenken für die anderen im Arm auf das Zeichen unserer Mutter: das Klingen einer kleinen Glocke. Ich war ganz aufgeregt, es war das erste Mal, dass ich nicht nur beschenkt wurde, sondern auch selbst ein Geschenk für meine Eltern dabei hatte. Und dann passierte es.
Noch bevor meine Mutter die kleine Glocke zur Bescherung läuten konnte, glitt mir der bemalte Teller aus der Hand, klirrte auf den Fliesenboden und zersprang in tausend Teile. Ich fing sofort an, zu weinen. Der Abend war für mich gelaufen. Meine Enttäuschung war riesig.
Noch heute, jedes Jahr zu Weihnachten, erinnern wir uns alle gemeinsam an diesen Moment. Ich werde ihn wahrscheinlich nie vergessen. Ganz genau wie die damals schier endlosen Winterwochen, bis es endlich Weihnachten war. Ganz anders als heute. Heute denke ich eher: Krass, schon wieder Weihnachten, das ging schnell.
Und nicht nur mir geht es so. In einer Umfrage unter 918 Erwachsenen im Vereinigten Königreich (die vollständigen Ergebnisse werden noch veröffentlicht) wurde festgestellt (Abre numa nova janela), dass 77 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass Weihnachten jedes Jahr schneller zu kommen scheint. Das ist viel. Grund genug, dem mal nachzugehen.
Warum kommt es uns als Kind so vor, als würde es ewig dauern, bis endlich Weihnachten ist? Als Erwachsene aber ist es dann stets plötzlich da? Die Antwort liegt darin, wie unser Gehirn Zeiträume bewertet. Darum geht es heute.
Wie schnell die Zeit vergeht, hängt vor allem von drei Faktoren ab
Wer herausfinden will, warum einem die Zeit mal länger und mal kürzer vorkommt, musst wissen, wie Erinnerungen entstehen. Die Zeitforscherin Isabell Winkler von der TU Chemnitz erforscht genau das. Sie hat getestet, wie stark bestimmte Faktoren das Zeitempfinden beeinflussen und drei Faktoren gefunden, die das Zeitempfinden im Laufe des Lebens immer schneller vergehen lassen: Stress, Routinen und Erste-Mal-Erlebnisse.
Wer dauernd gestresst ist, merkt sich Dinge schlechter. Und wer weniger Erinnerungen an einen Zeitraum hat, bewertet ihn als kürzer (Abre numa nova janela). Deshalb kommen uns die Lockdowns während der Pandemie auch nicht sonderlich lang vor: Wir haben ja kaum etwas erlebt. Auch Routinen tragen dazu bei, dass die Zeit schneller vergeht: Wer jeden Tag die gleiche Strecke mit dem Zug zur Arbeit fährt, kann die einzelnen Fahrten kaum noch auseinander halten. Das Gegenteil ist es Dingen, die wir zum ersten Mal erleben. Das schafft Erinnerungen. Deshalb kommt uns ein Tag in einer völlig neuen Stadt im Kurzurlaub länger vor als ein Tag bei der Arbeit.
Das Ding ist: Als Kind macht man fast jede Sache zum ersten Mal. Man trinkt zum ersten Mal eine heiße Schokolade an einem kalten Schneetag, guckt zum ersten Mal einen Weihnachtsfilm, steht zum ersten Mal aufgeregt vor dem Wohnzimmer bis die Eltern einen hereinlassen zu den Geschenken. Eine erste, kurze Antwort auf die Frage, warum es uns als Erwachsene so vorkommt, als würde Weihnachten viel schneller kommen als früher: Die Zeit vergeht immer schneller, weil wir mit dem Alter immer seltener Dinge tun, an die wir uns später noch erinnern.
Wenn man etwas herbeisehnt, zieht sich die Zeit in die Länge
Ein Grund könnte außerdem sein, dass die 12 Monate zwischen den Weihnachtsfesten für ein siebenjähriges Kind ein großer Teil ihres Lebens sind; ein viel größerer als für uns Erwachsene. Dieser Unterschied im Verhältnis (Abre numa nova janela) komprimiert die relative Zeit zwischen den Weihnachtsfeiern jedes Jahr.
Ein weiterer Faktor könnte sein, dass wir als Erwachsene deutlich weniger Energie in die Vorfreude stecken. Für viele Kinder ist Weihnachten das Event des Jahres, auf das sie sich sehr lange freuen. Und wir halten die Spannung hoch: mit Adventskalendern, die schon 24 Tage vor Heiligabend mit dem Countdown beginnen. Blöd für die Kinder: Wenn man sich auf die Zeit konzentriert, weil man etwas herbeisehnt, zieht sie sich in der Regel länger (Abre numa nova janela). Für Erwachsene wiederum gilt: Wenn man der Zeit weniger Aufmerksamkeit schenkt, vergeht sie schneller (Abre numa nova janela).
Warum kommt uns der Hinweg kürzer vor?
All das bringt uns zu einem Phänomen, das ihr alle kennt: Wenn wir mit dem Auto nach Dänemark in den Familienurlaub gefahren sind, kam uns der Hinweg stets deutlich länger vor als der Rückweg. Warum ist das so?
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