So trickst du dein Gehirn aus, wenn du weniger essen willst
Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: Wie verschiedene Lebensmittel unserem Gehirn signalisieren, dass wir satt sind (oder auch nicht).
In der aktuellen Serie dreht sich alles um eine Erkenntnis: Vorgänge im Gehirn sind mit verantwortlich dafür, wenn wir zu viel essen. Welche Vorgänge sind das? Wie werden sie in Gang gesetzt? Und vor allem: Was können wir dagegen tun? Darum geht es in meiner aktuellen Serie. Hier findest du alle bisherigen Ausgaben (Abre numa nova janela) dieses Newsletters.
Manchmal wundere ich mich über mich selbst. Die Dürüms (= gefüllte Teigtaschen) beim Dönerladen meines Vertrauens in meiner Heimatstadt in Schleswig-Holstein sind wirklich groß. So groß, dass ich mir nach dem Essen oft denke: Wie zur Hölle habe ich all das eigentlich gerade verdrückt? Ich stelle mir dann vor, wie dieser riesige, eben noch in Alufolie eingewickelte Berg aus Gemüse und Käse jetzt in meinem Magen verschwunden ist.
In anderen Momenten, bei anderen Gerichten, ist es genau andersrum: Da sieht die Portion auf dem Teller überschaubar aus und in mir steigt schon die Befürchtung, das Essen würde nicht reichen – aber ich bin satt, bevor der Teller leer ist.
In den letzten beiden Ausgabe dieses Newsletters ging es darum, wie unser Gehirn kommuniziert, dass wir hungrig oder satt sind, und was dabei schieflaufen kann. Heute geht es darum, welches Essen sich wie auf diese Kommunikation auswirkt. Denn wie sich herausstellt, hat die Kommunikation Schwachstellen. Die gute Nachricht ist: Wir können diese Schwachstellen ausnutzen, um unsere Kalorienzufuhr auf natürliche Weise zu reduzieren (oder zu erhöhen), ohne uns dabei unwohl zu fühlen.
Let´s talk about Sättigungsindex
Um zu verstehen, wie das funktionieren kann, müssen wir zurück ins Jahr 1995 reisen. Die Übergewichtsforscherin Susanna Holt und ihre Kolleg:innen veröffentlichten damals eine bahnbrechende Studie (Abre numa nova janela). Holt und ihr Team rekrutierten Freiwillige und fütterten sie mit 240-Kalorien-Portionen von 38 gängigen Lebensmitteln wie Brot, Haferflocken, Rindfleisch, Erdnüssen, Süßigkeiten und Weintrauben.
Während der nächsten zwei Stunden notierten die Freiwilligen alle 15 Minuten, wie satt sie sich fühlten. Anhand dieser Daten berechnete Holts Team einen „Sättigungsindex“ für jedes Lebensmittel, der angibt, wie sättigend es pro Kalorie ist. Anschließend analysierten sie ihre Ergebnisse, um herauszufinden, welche Lebensmitteleigenschaften am stärksten mit dem Sättigungsgefühl zusammenhängen. Einfach gefragt: Was muss ich essen, um schnell satt zu werden?
Wenig überraschend: Weißbrot hatte einen niedrigen Sättigungsindex im Vergleich zu anderen Lebensmitteln. Pro Kalorieneinheit macht es also wenig satt. Vollkornbrot hingegen wies einen deutlich höheren Sättigungsindex auf. Einfache Kartoffeln sättigten weit mehr als jedes andere Lebensmittel. Holts Team fand heraus, dass die Sättigungsfähigkeit der einzelnen Lebensmittel vor allem durch vier einfache Eigenschaften der Lebensmittel erklärt werden kann:
Die Kaloriendichte, sprich das Volumen des Lebensmittels pro Kalorie. Haferbrei besteht beispielsweise hauptsächlich aus Wasser und hat daher eine geringe Kaloriendichte. Je geringer die Kaloriendichte eines Lebensmittels ist, desto mehr Sättigung erzeugt es pro Kalorieneinheit. Warum ist das so? Die Magenausdehnung ist eines der wichtigsten Signale, die das Stammhirn zur Regulierung des Sättigungsgefühls überwacht. Wenn der Magen mehr Nahrungsvolumen enthält, fühlt man sich satter, auch wenn die Nahrung nicht mehr Kalorien enthält.
Der Geschmack. Je schmackhafter ein Lebensmittel, desto weniger sättigend ist es. Warum? Schmackhafte Lebensmittel sieht das Gehirn intuitiv als sehr wertvoll an. Das Gehirn ist recht gut darin, Hindernisse für ihren Verzehr zu beseitigen. Wie das geht? Forscher:innen wissen seit langem, dass die Stimulierung des Lateralen Hypothalamus (LH) Tiere zum Fressen anregt. Wie sich herausstellte (Abre numa nova janela), aktiviert schmackhaftes Essen die Neuronen im LH. Darüber hinaus sendet der LH Signale direkt zum NTS des Hirnstamms, wo sie Neuronen hemmen, die dem Gehirn eigentlich Sättigung (Abre numa nova janela) signalisieren sollten.
Der Fettgehalt eines Lebensmittels. Je mehr Fett es enthält, desto weniger sättigend ist es pro Kalorie. Für die meisten Menschen ist das kontraintuitiv, denn wenn sie fettreiche Lebensmittel essen, fühlen sie sich extrem satt. Aber: Wenn du eine Stange Butter isst, fühlst du dich zwar satt, hast aber auch über 800 Kalorien zu dir genommen.
Ballaststoffe. Je mehr Ballaststoffe ein Lebensmittel enthielt, desto sättigender war es. Dies erklärt, warum Vollkornbrot sättigender ist als Weißbrot, obwohl die Kaloriendichte ähnlich ist.
Die modernen Lebensmittel sättigen uns zu schlecht
Stephan J. Guyenet beschreibt in seinem Buch „The Hungry Brain“, was das Problem an der ganzen Sache ist:
„Viele unserer modern verarbeiteten Lebensmittel haben Eigenschaften, die den Sättigungskreislauf nicht in gleichem Maße anregen wie traditionelle Vollwertkost. Diese Lebensmittel, wie Pizza, Eiscreme, Kuchen, Limonade und Kartoffelchips, weisen immer eine Kombination von Eigenschaften auf, die sie pro Kalorie weniger sättigend machen. Da die meisten Menschen das Sättigungsgefühl als Signal nutzen, um mit dem Essen aufzuhören, erlauben es uns diese Lebensmittel, über den Punkt hinaus zu essen, an dem wir genug haben, um unseren Kalorienbedarf zu befriedigen.“
Wir wissen also jetzt, welche Faktoren bei Lebensmittel unser Sättigungszentrum im Gehirn beeinflussen. Welche Lebensmittel sollten wir also essen, um auf ganz natürliche Weise weniger Kalorien zu uns zu nehmen (und zwar, ohne hungrig zu sein dabei)? Stephan J. Guyenet hat eine Liste zusammengestellt:
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