Wann ist Massenmord nah genug?
Eigentlich eine peinliche Frage. Was soll denn das heißen? Nah? Fern? Es ist eine schlichte Tatsache. Die Ukraine ist quasi vor unserer Haustür. Syrien war schon weiter weg, Kuweit noch weiter, Sudan, Mali, Afghanistan usw. sowieso. Ach, und Korea und Vietnam hat die jetzige Generation sowieso schon gar nicht mehr auf dem Gedächtnis-Schirm. Von WW2 ganz zu schweigen. Pflichtgedenkveranstaltungen, Jahrestage des Grauens, rasch in die Schublade und dann schnell zum Joggen oder nach Malle? Machen wir uns doch nichts vor, es wird immer so weitergehen. Betroffenheit hat eine kurze Halbwertzeit, die sich medial immer weiter verkürzt, bis zur nächsten Katastrophe. Leider.
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Jeder Frieden hat immer auch Verlierer
Machen wir uns also nichts vor. Nach Zigtausenden oder Hunderttausenden Toten wird irgendwann lau irgendwas ausgehandelt werden. War so, wird am Ende wieder so sein. Viele Vereinbarungen haben jedoch Spätwirkungen, mit denen anfangs niemand rechnete. Nehmen wir mal Deuschland. Nach dem Krieg wollten die Westalliierten sicher gehen, dass von Deuschland keine Kriegsgefahr mehr ausgehen kann. Sie schufen eine in der NATO gebundene Bundesrepublik, in der sich Bund, Bundesländer und Kommunen gegenseitig in Schach halten und jede Entscheidung vorher xmal durchgekaut werden muss, bis irgendwie ein Gesetz zustande kommt, das dann häufig vom Verfassungsgericht wegen erkennbarer Mängel wieder kassiert wird. Die Verwaltung wurde in Folge immer zäher, Aktenberge! Für eine Politkarriere kommen heute vor allem Juristen und Ex-Oberlehrer in Frage. Das Ziel wurde erreicht, von Deutschland geht nun wirklich keinerlei Gefahr mehr aus. Allerdings ist jetzt alles so schwerfällig, dass wir auch bei der Hilfe für gefährdete und verfolgte Menschen, vor lauter Vorschriften und Aktenzeichen nicht mehr weiter kommen. Kinder sterben und Familien werden zerstört, weil dieses Beamten-Land reformunfähig geworden ist. Gäbe es nicht doch noch so viele Freiwillige, mitfühlende Manschen also, sähe es wirklich düster aus.
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Der Rabe
Nichts wird ihn zurückhalten,
den schwarzen Vogel,
sein Nachtgefieder geglättet,
starrt er kalten Blutes
die Zweifler in den Hintergrund.
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Der Mann
Ein leichter Regen nieselte aus hohen grauen Wolken. Die Pässe der blauvioletten Berge lagen frei. Kalt war es nicht. Dennoch fröstelte den Mann, der am Stamm einer der Zedern lehnte.
Lange schwarze Haare mit grauen Strähnen hingen ihm triefend ins Gesicht wie ein zerfetzter Lappen. Der Mann wirkte ärmlich, seine Hose war abgewetzt, das Hemd verwaschen grau, die ehemals grüne Wetterjacke zerschlissen und an den Achseln waren die Nähte aufgeplatzt, als hätte man ihm Schulterstücke einer Uniform abgerissen.
Der Regen ließ nicht nach. Ab und zu riss ein Windstoß die Bäume aus ihrer nassen Ruhe.
Der Mann zog seine Jacke fester um die Schultern und ging nach einem kurzen Blick zurück zum Pass weiter hinab in das tiefe Tal. Seine Schritte waren schwer und unsicher. Der Mann seufzte.
Wenn der Wind für Sekunden seine Jacke aufriss, dann wurden Dolch und Revolver sichtbar. Beides waren schöne und gute Waffen, die völlig im Gegensatz zum sonstigen, ärmlichen Äußeren des Mannes standen. An einer Wegbiegung blieb er stehen. Er starrte gebannt auf die Mitte der vor ihm liegenden frostbrüchigen Asphalts.
Ein Vogel lag dort mit ausgebreiteten nassen Schwingen und rührte sich nicht. Als der Mann sich näherte, machte das Tier klägliche Versuche, sich zu erheben. Es kam nicht vom Fleck und schien verletzt zu sein.
Der Mann kniete nieder und nahm den hilflosen Vogel vorsichtig in seine rissigen Hände. Das Tier war starr vor Angst.
„Keine Angst, Kleiner, ich tu Dir nichts", murmelte der Mann in der gutturalen Sprache der Indios. „Ich nehme Dich mit. Viel kann ich nicht für Dich tun, aber, hier im Regen elend zu verrecken, das würde mir auch nicht gefallen!"
Auf dem Pass erschienen bewaffnete Reiter. Als sie den Mann entdeckten, trabten sie gestikulierend hinter ihm her.
Der Mann redete mit dem Vogel. „Pass auf, gleich sind wir in einem warmen Häuschen, dann geht's uns beiden viel besser." Er zog seine Windjacke fester um die Schultern.
Schüsse peitschten. Der Mann stürzte zu Boden und zerdrückte den Vogel. Auf seinem Rücken bildete sich ein zerfließender Blutfleck.
„Ein Mörder!" sagte der Schütze und lud nach.
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