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Team Armut

Heute darf ich mich hier vorstellen, fürs Team Armut und das ist, wie ich gerade feststelle, gar nicht so leicht.
Wo beginne ich am besten, wie viel möchte ich über mich preisgeben, wie verletzlich will ich überhaupt sein, beim Offen sein? Wie viel werde ich von dem, was ich hier schreibe, wieder löschen?
Wenn mich jemand fragt, wo eins anfangen soll, dann sage ich meistens am Anfang. Wäre in meinem Fall, geboren wurde ich am 13. Februar 1977 im wunderschönen Innsbruck, dem ich mich emotional immer noch verbunden fühle. Der Tag meiner Geburt war ein Sonntag und Sonntagskinder, habe ich früher in einem Kinderbuch gelesen, haben angeblich immer Glück.
Meine Mutter war Medizinstudentin, die dann auf Lehramt umschwenkte wegen der Schwangerschaft mit mir, alleinerziehend, entstammte einer sehr katholischen, konservativen jedoch liebevollen Bergbauernfamilie in Osttirol, an meinen leiblichen Vater kann ich mich kaum erinnern, mein Papa ist mein Adoptivvater und meine Geschwister sind für mich meine ganzen Geschwister, weder Halbgeschwister noch sonst was.
Dass meine Mama arm war, wir uns zuerst keine eigene Wohnung leisten konnten, sondern ein Zimmer bei meiner Tante und meinem Onkel bewohnten, war mir erinnerlich als Kind nicht wirklich bewusst. Es war ein wunderbares Abenteuer und ich habe es später bedauert, als wir in eine eigene Wohnung zogen. Dort hatte ich ein eigenes Zimmer - das einzige Schlafzimmer - und meine Mama schlief im Wohnzimmer auf einer geschenkten ausklappbaren Couch. Dass unser Tisch aus Paletten bestand war für mich normal, und der Flohmarkt von dem wir Dinge holten für die Wohnung, wie den alten Schaukelstuhl ein Paradies, fast wie eine Schatzgrube.
Zu Essen gab es bei der Tagesmutter, oder später im Kindergarten immer genug, und auch Zuhause war immer genug Essen vorhanden. Nudeln, Kartoffeln, Mehl, Käse, Obst und Gemüse - meist saisonal - kamen großteils direkt vom Bauernhof meiner Großeltern (zusammen mit Geld für Kleider, den Kindergartenbeitrag für den Privatkindergarten und Co), und dass mein Onkel, der auch in Innsbruck wohnte mit uns einkaufen ging, und die Einkäufe nach Hause zu uns trug, fand ich immer voll nett, mir war jedoch nicht bewusst, dass er diese auch oft tat, um meine Mama die nach dem Studium nur Teilzeit arbeiten konnte, finanziell zu unterstützen.
Generell ist viel von meiner Kindheit mit Familie oder dem Kindergarten verbunden, Ausflüge zur Hungerburg, Abenteuer im Park, Ferien bei den Großeltern etc. Natürlich gab es auch Herausforderungen - wie als Kindergartenkind alleine mit Bus und Straßenbahn quer durch Innsbruck zu fahren, als die Familie mit der ich immer mitfuhr einfach nicht da war, und ich irgendwie hin musste, oder andere schlimme Dinge - doch alles zusammengefasst, war dies bestimmt mit die schönste, glücklichste Zeit meines Lebens, ich hatte Menschen die mich liebten, Freunde, einen Platz und Menschen zu denen ich gehörte.
Heute weiß ich, dass meine Großeltern sich auch vieles vom Mund abgespart haben, um meine Mama - und auch ihre anderen Kinder - zu unterstützen, damals habe ich Kartoffeltage und Co nicht mit arm sein verbunden.
Vielleicht war ich auch zu sehr damit beschäftigt die Welt um mich herum zu beobachten und versuchen nicht so sehr anders zu sein, als der Rest.


Dieses - gefühlte - Anderssein setzte sich verstärkt fort, als meine Mama meinen (Adoptiv)Papa heiratete und wir von heute auf morgen nach Oberösterreich, nach Redl Zipf, mitten ins Nirgendwo zogen. Ein kleines Dorf, in dem alles anders war, die - für mich - komisch sprachen, die sich alle von klein auf kannten und eine eingeschworene Gemeinschaft waren, an die ich nie wirklich Anschluss fand. Anders, so erfuhr ich, war hier nicht gut, sondern fremd und nicht gewollt. Nicht, dass ich nicht auch dort, schöne Erfahrungen erleben durfte, es nicht nette Menschen gab, wir hatten ein Haus, einen Hund, eine Hängematte, das erste Mal Urlaub nicht bei den Großeltern am Bauernhof, sondern mit dem Schiff nach Ungarn, Ausflüge nicht nur zur Hungerburg oder in den Park, sondern regelmäßig ins Theater, in Museen, nach Wien, Linz oder Salzburg und vieles mehr, das ich genossen hab. Wo ich mich nicht ganz so anders (und oft auch nicht zugehörig) gefühlt habe, sondern komplett in anderen Kulturen, historischen Epochen oder der Wissenschaft versunken bin. Aber das Gefühl wie ein Vulkanier, der keine Ahnung von der Erde hat und hier ohne Anleitung ausgesetzt wurde, blieb, verstärkte sich, zusammen mit einer namenlosen Sehnsucht und Unruhe. Irgendwann hab ich resigniert und mich von allen zurückgezogen und war ziemlich unleidig.
Heute weiß ich, was Entwurzelung ist, auch wenn diese ganz bestimmt nicht gewollt war von meinen Eltern, dass ich neurodivers bin - Autismus - und manche Dinge viel zu wortwörtlich genommen habe, und ich selbst bestimmt auch nicht leicht zu ertragen. Ja, ich hätte mich selbst in der Pubertät nicht erziehen wollen, das gebe ich durchaus zu.

Ehe ich noch ausführlicher werde, komme ich nun zum zusammenfassenden Teil, der genauso wichtig ist, weil er viel von mir ausmacht, zugleich aber auch dem konservativen, üblichen Weltbild widerspricht, oder nennen wir es den gesellschaftstypischen Normen. Mein Leben hat mich in verschiedene Länder in Europa geführt, war ständig in Bewegung, auch mit den Kindern, ich hab in den verschiedensten Bereichen gearbeitet und viele unterschiedliche Menschen kennen lernen dürfen. Es gab Gegenden und Menschen, in denen ich mich heimisch fühlte, zugehörig, habe lernen dürfen und unterstützen dürfen. Mich selbst hätte ich mich in dieser Zeit als links-liberale Weltenbürgerin, und äußerst spontan, sowie tolerant beschrieben, als “Freifliegende” der humanistische Werte wichtiger sind, als starres, konservatives Denken, oder woher jemand kommt, welcher Religion jemand angehört oder woran ein Mensch glaubt, oder ob er sich als m/w/d/non oder sonst was sieht.
Das meiste davon stimmt heute auch noch, aber zu meinem eigenen Erschrecken und der Erheiterung meiner engeren Mitmenschen habe ich vor einigen Jahren festgestellt, dass ich bei weitem nicht so spontan bin, wie ich dachte sondern eigentlich (mittlerweile) ein ziemlicher Kontrollfreak. Heute weiß ich diese (vermeintliche) Kontrolle bedeutet Sicherheit - etwas das in mehr als einer Hinsicht ziemlich wichtig ist für mich.

2008 kehrte ich nach einer furchtbaren Trennung, in der Gewalt auf verschiedensten am Ende der Beziehung an der Tagesordnung stand, nach Österreich zurück. Geflüchtet im wahrsten Sinne des Wortes, mein jüngstes Kind war damals zwei Jahre alt und seither leben wir in Linz, fünfzehn Jahre an einem Ort, etwas das ich vorher nie geschafft habe, heute sind mir die Gründe dafür klar und ich bin dankbar für viele Erkenntnisse und die Möglichkeit weiter an mir zu arbeiten.
Leicht waren schon die letzten Jahre nicht gewesen, und es wurde auch hier nicht leichter, aber zumindest waren wir sicher, oder sagen wir sicherer. Um versichert zu sein, und Geld zum Überleben zu haben, für meine Kinder sorgen zu können, habe ich verschiedenste Jobs angenommen, manche angenehmer, manche anstrengend, nervig - auch für andere - zum Beispiel bei einem Telefonmarketing, und einige über die ich hier nicht schreiben werde, über die ich nicht mal mehr nachdenken möchte, oder das, was sie mit mir gemacht haben. Doch Hauptsache wir hatten etwas zu essen, ein Dach über dem Kopf, Kleidung, Spielsachen für die Kinder, und andere Dinge die zum Leben dazugehören.
Wir konnten ins Kino gehen, uns Restaurantbesuche leisten, Biolebensmittel, Lego oder andere Wünsche waren drinnen, Freundschaften wurden wieder geknüpft, auch von den Kindern, ich hab mir die Therapien - Psychotherapie für den Mittleren, Ergotherapie für die Kleine - leisten können, ich selbst brauchte natürlich nichts, denn nach dem Kampf ums Überleben, im wahrsten Sinne des Wortes, ging es nun ums funktionieren und immerhin wollte ich weiter Leistung erbringen können, damit meine Kinder es besser haben. Wenn ich ihnen, auch wenn es dabei um das nackte Überleben so dramatisch es klingt ging, schon alles genommen habe, den Papa, die emotionale Heimat, Freunde und Familie, alles was sie kannten und liebten, sollten sie es hier wenigstens so gut wie möglich haben können. Sollten sie, so gut es ging, Wurzeln schlagen können und ich versuchen, all das wiedergut zu machen, soweit es eben ging. Auch Familienhilfe - ein männlicher Betreuer für den Sohn - wurde an Bord geholt, zwei Jobs waren schon machbar, Freitag Abend gab es regelmäßig gutes Essen, den Super RTL Familien Film - dafür hab ich sogar einen TV angeschafft, und am Wochenende Unternehmungen, regelmäßige Treffen mit Freunden, Brunchen, etc.


Eigentlich war doch alles gut, und es konnte nur noch aufwärts gehen, dachte ich zumindest, bis verschiedene Dinge zusammen kamen, Burnout - auch durch mangelnde Distanzierung in einem Sozialberuf und Zusatzausbildung neben dem Job -, Schwierigkeiten der Kinder, gesundheitliche Probleme der jüngsten Tochter (Frühgeburt, in der Schwangerschaft waren Plexuszysten am Hirn diagnostiziert worden, mittlerweile sind die jedoch zum Glück verwachsen!), die von September bis März meist durchgehend krank war. Irgendwann ging einfach gar nichts mehr und ich musste mir mein Versagen eingestehen, und es fühlte sich als Versagen auf ganzer Linie an. Als Mutter, als erwachsene Tochter meiner Eltern - es gibt nicht viel Schlimmeres, als wenn sich deine Eltern und (jüngeren) Geschwister um dich sorgen machen müssen, neben der Hilfe gab es natürlich auch Belehrungen und (nicht bewusste, bösartig gemeinte) Beschämung - als “wertvolles Mitglied” der Gesellschaft, das nun nichts mehr leistet, als Mensch.

Zugleich gab es auch einen Lichtblick, meinen Enkel, in dessen Betreuung ich damals gut involviert war, um meine große Tochter unterstützen zu können, damit sie ihre Ausbildung fertig machen konnte und auch das Ehrenamt hatte ich für mich entdeckt, wurde gebraucht, konnte etwas leisten, etwas beitragen, der Gesellschaft die erst mein Krankengeld und später dann AMS Geld finanzierte wenigstens einen Teil zurückgeben, hatte zumindest ein bisschen Teilhabe und vielleicht auch Wert.
Für die Kinder versuchte ich immer noch alles soweit es mir möglich war zu finanzieren, nach außen hin so gut es ging den Schein zu wahren. Frühstücken statt Brunch alle zwei, drei Wochen nur mehr - nun eben oft beim Leiner, Kika oder Möbelix - je nachdem wo es gerade Gutscheine oder Aktionen gab, und das anschließende Spieleland dort mit ihren Freund*innen, während wir Mütter dann noch lange bei Tee gequatscht haben, Kino gab es dann eben nur noch am Familientag, wo es dann meist auch automatisch eine kleine Süßigkeit dazu gab, manchmal auch am Kinomontag. Erneut haben wir Mütter draußen gewartet, sind mit einer Thermoskanne Chai - oder Wasser - spazieren gegangen, und in den Ferien wurden “tolle” Unternehmungen in der Stadt heraus gesucht, sei es die Ferien At Home Woche, oder etwas von Linz Aktiv, wo der Aktivpass - auch eine Überwindung im Übrigen - griff, gelegentlich auch Freibad Besuche, eine Familienkarte, vollbeladen mit Brötchen, Flaschen mit Verdünnungssaft, schön geschnittenen Gurken, Obst und Co in der Hoffnung, dass nur nach einem Eis und nicht nach Pommes auch noch gefragt wurde, oder gar beidem.
Die Freibadbesuche wurden dann weniger, oder nur noch mein Sohn ging mit seinem besten Freund hin, und war schon zufrieden wenn er Eisgeld zusätzlich zur Jause mit bekam, oder er hat das Taschengeld von der Oma dafür verwendet, mit der Kleinen ging ich nun in den Park, oder an der Donau spazieren, dafür hat sie jedoch weiterhin einmal ihr Kino im Monat bekommen. Ich verknüpfte ihre Betreuung mit ehrenamtlichen Tätigkeiten die für sie großteils passend waren, z.B. Stadtteilfrühstücke, Flüchtlingsheim, Bewegungsgruppe bei den Mädchen, zusätzlich besuchte sie meistens Mädchennachmittag im Teenie-Club. Manchmal ging es noch zu ihrer Freundin, aber die Kontakte wurden nach und nach weniger. Bei uns allen, auch mit der Familie. Einerseits weil sie nicht verstanden, warum manches so schwierig war, weil jeder der will, der sich bemüht, findet ja eine Arbeit - den Begriff Beschämung brachte ich damals genauso wenig mit mir in Verbindung, wie ich mich weigerte, den Begriff Armut zu verwenden, es ging uns nur gerade finanziell nicht so gut -, aber auch weil die Zugfahrt oder Busfahrt dorthin Geld kostete und wir auch was mitbringen wollten/sollten, zumindest zu Feiern.
Die Kluft wurde immer größer, und ich habe - aus Scham über mein Versagen - diese Dinge nicht mehr angesprochen, wir waren einfach “krank”, die Kleine auch in der Schule, wenn Ausflüge anstanden, oder etwas plötzlich zu zahlen und nicht mehr so viel Geld da war. Also auch an diesen Tagen dann tatsächlich krank, der Körper hat reagiert, ein Gespräch mit der Schule diesbezüglich war schwer, weil die Stimmung eh schon angespannt war, mittlerweile war sie in der NMS.

Mein Sohn hatte mittlerweile eine überbetriebliche Lehre gefunden, er wollte zwar nicht in den Handel, allerdings wollte er etwas machen und hat von seinem geringen Einkommen auch immer wieder mal eingekauft, oder uns mal zum Essen eingeladen, auch wenn ich ihm gesagt habe, er soll das wenige Geld für sich verwenden. Seine ADHS Medikamente haben ihm in dieser Zeit dann geholfen, wieder mehr Lebensfreude zu finden, sich zu fokussieren und ich musste mir um dann weniger Sorgen machen (ganz hört das wohl nie auf), während die Situation bei Ajla in der Schulde schwieriger wurde.
Sie sei frech - z.B. »glauben Sie, Sie motivieren uns mehr zum Lernen oder besserem Benehmen, wenn Sie immer nur mit uns schreien, oder sagen, dass wir dumm sind?« - unhöflich, weil sie den Lehrern nicht in die Augen schaue, auch beim Reden nicht etc.
(Der Autismusbefund den es später dann gab, wurde von der Schule im übrigen ignoriert, weil das Kind sei zu schlau und komme aus guter Familie, und ich wäre ja bemüht. )

Nach einem Todesfall in der engeren Familie, zog es mir im Sommer 2019 dann komplett die Füße weg und das erste Mal ging gar nichts mehr, und ich musste mir eingestehen, dass ich kaum noch funktionierte, dass ich auch für mich Hilfe brauchte und habe mir eine Überweisung in die pychosomatische Tagesklinik geholt, die mich am liebsten auf die stationäre Traumastation geschickt hätten, und eine Reha, was jedoch nicht möglich war, wegen den Versorgungspflichten meiner Kinder, vor allem der Kleinen.
Der Kontakt zu meiner Familie war so eingeschlafen, sie fühlte sich dort so abgelehnt, wegen ihrer Andersartigkeit und dem nicht Anerkennen ihrer Diagnose, dass sie dort nie freiwillig geblieben wäre. Also musste eine andere Lösung her - und die war eben die Tagesklinik. Neun harte, tränenreiche, aber auch gute Wochen, in denen mir viel klar wurde, über mich, darüber, dass ich mich selbst verloren hatte, untergegangen war im Strudel der ganzen Dinge um mich herum, dass ich irgendwann - auch außerhalb der TK - darüber reden würde müssen, zumindest therapeutisch, wenngleich dies auch nur dein Teil der notwendigen Änderungen war, die anstanden. Anstehen sollten, denn wie auch in vielen anderen Dingen spielte das Geld hier eine Rolle, und meine Priorität lag immer noch bei meinen Kindern, meinem Enkelkind.

2020 brachte die Pandemie, noch mehr sozialen Rückzug aber auch die Aussicht auf eine Umschulung /Ausbildung - nicht unbedingt in meinem Traumberuf im ersten Moment, aber zumindest eine die mich zu großen Teilen interessierte, und von der ich wusste (erhoffte), sie würde mich aus der Armut herausbringen können und auch während der Ausbildung und den zahlreichen interessanten Praktika - unter anderem im HR - Bereich hatte ich wieder mehr Geld zur Verfügung und ich dachte wirklich, ich hätte es jetzt geschafft. Leistung, finanzielle Verbesserung, Teilnahme, wieder etwas lernen, Kontakte knüpfen, gesundes Essen kaufen und kochen können, Therapiekosten leisten können - und wenn die Pandemie dann irgendwann vorbei wäre wieder reisen, so der Plan damals, den Kindern die Welt zeigen, wieder LEBEN, nicht nur funktionieren, existieren.

Der Klassenvorstand verlangte - durchaus gut gemeint - im Herbst 2021 dass meine Jüngste in die Betreuung vor Ort kommen sollte, damit sie ein wenig Kontakt hat, nicht noch mehr vereinsamt, und vor allem ihre Aufgaben nicht permanent verliert, und dadurch ihre Leistung unnötig verschlechtert. Ende November 2021 war sie krank, Fieber, Husten, Schnupfen, Gliederschmerzen und auch mich hatte es erwischt, positive Schnelltests, jedoch negativer PCR Test - auch wenn die AG weiterhin positiv waren, und ich insgesamt drei Wochen vor Weihnachten von der Ausbildung fernbleiben musste, die ersten zwei Wochen schaffte ich es nicht mal ins Distance Learning zu gehen. Von Schonung (danach) keine Spur, hatte mir keiner was gesagt, und ich habe mich in den “Ferien” trotz bleierner Müdigkeit weiter hinein gehängt, nachgelernt, immerhin standen bald Prüfungen an und dann die Lohnverrechner Ausbildung, die ich unbedingt machen wollte, auch weil ich das Thema sehr spannend finde. Außerdem ist es ein angesehener Beruf, zukunftsträchtig und selbst meine Familie war wieder ein wenig Stolz auf mich.

Das Kind hatte sich direkt nach der Infektion nicht mehr richtig erholt, während ich mit Dauerkopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und immer stärker einsetzender Müdigkeit zu kämpfen hatte, das aber (auch) auf den Stress schob, denn immerhin war es gerade schwierig, auch weil das Kind oft nicht in die Schule konnte, oder früher abgeholt werden musste, weinend weglief von dort, weil es ihr zu viel war.
Im März 2022 ging dann nichts mehr, bei uns beiden nicht mehr, ich ließ mich krank schreiben, musste die Ausbildung unterbrechen, was jedoch auch eine finanzielle Einbuße von ca. 450 Euro monatlich bedeutete, doch nicht einmal das konnte mich in diesem Moment mehr dazu motivieren, irgendwo noch Kraftreserven aufzutreiben.
Einkaufen bedeutete die Hölle für mich - oder ein Termin, direkt nachher war ich für Stunden komplett außer Gefecht gesetzt, ebenso wie die Kleine.
Mein Sohn, zu dem Zeitpunkt schon ausgelernt, wechselte den Job, in den Schichtbetrieb in der VÖEST um mitzuhelfen, zumindest finanziell und ich musste ihn letztes Jahr im Dezember quasi dazu zwingen die günstige Dienstwohnung anzunehmen, die man ihm geboten hatte. Auch weil ich wollte, dass wenigstens er ein halbwegs normales Leben führen konnte. Ich selbst hatte bei der ÖGK nur zwei Termine, die sahen, wie es mir ging, was ich versuchte und was ich durchmachte, das Hauptproblem war, dass man Covid / LC als Ursache ausschließen wollte, und plötzlich die komplexe PTBS die Ursache an allem war, aber auch dagegen vorzugehen hatte ich keine Kraft, versuchte ich doch irgendwie für die Jüngste da zu sein, zu schauen dass sie Therapie bekam, und irgendwie ein paar Stunden Struktur - in einer niedrigschwelligen Einrichtung, in der es einen Jugendcoach gab, um nicht auch noch Ärger mit dem Jugendamt und Finanzamt zu bekommen, weil wir in Österreich eine Ausbildungspflicht haben.

Der Reha Antrag bei der PVA wurde, wie schon vorgewarnt, im Frühling abgelehnt und unterstützt von der AK, meiner Psychiaterin und meiner Therapeutin entschloss ich mich zu einer Berufung, während zu Hause immer noch alles an mir hing, ich war quasi 24 Stunden Pflege für mein schwer autistisches Kind, ihre Verbindung zur Außenwelt und im Sommer 2023 trotzdem es mir von der Energie her langsam wieder ein wenig besser ging, am Verzweifeln. Es war Ende August 2022, als ich mir das erste Mal bewusst gedacht habe, ich weiß nicht mehr, wie lange ich das alles noch kann. Wenn es mein Kind nicht geben würde, wäre mir alles egal. Inflation, Krankheit, Armut, diese verdammte Beschämung von Seiten der Politik, der Medien, der Gesellschaft, totale Vereinsamung bis auf einige wenige, wunderbare Menschen - vorwiegend Online, weil auch auf Covid-Safe bedachte, und zum Beispiel Dani … es war alles zu viel.
Irgendwie machte es klick und aus Verzweiflung wurde zumindest teilweise Wut und Energie und ich beschloss nicht mehr zu schweigen, mich mundtot machen zu lassen. Auch in dem Wissen, der Erkenntnis, dass es nicht nur mir so ging, und wir alle zu leise waren, dass sich nie etwas ändern wird, wenn nicht auch Betroffene laut(er) werden. Als Dani mich fragte, ob ich bereit wäre, im TV darüber zu sprechen, dachte ich dieses Mal nicht nach, sondern sagte zu und zog es auch durch.

Es war der erste Schritt und ich begann nicht nur - wie bisher auch, weiterhin im Stillen anderen zu helfen - sondern sammelte diese Schicksale, ermutigte die Personen darüber zu sprechen, oder es zumindest für sich festzuhalten. Denn Armut kostet Kraft, ist ein Überlebenskampf, lässt resignieren und wir alle brauchen dann jemanden der an unserer Seite ist, ohne zu (ver)urteilen und für sowie mit uns stark ist und unseren Stimmen Gehör verschafft.
So jemanden wie Dani.
Auch wenn Sie es nicht gerne hört, hat sie mir auf eine gewisse Art und Weise das Leben gerettet, mir Perspektive gegeben, Hoffnung, Bestärkung. Nicht nur durchs Zuhören, sondern auch weil sie wirklich versteht, das kennt, Mut macht, sondern auch begleitet. Auch bei dem Termin mit dem TV Team von Puls 4, zum Beispiel.

Einiges hat sich seit September 2023 geändert. Mein Kind ist nun in einer Einrichtung für autistische junge Menschen angedockt, sie schafft meistens nicht die 20 Stunden (Mo - Donnerstag), sondern nur Tage- oder Stundenweise, aber sie geht, wann immer sie es schafft hin, hat neue Kontakte geknüpft und versucht Zukunftsperspektiven zu finden für sich, und auch mal hinaus zu gehen - wie eine Stunde Bowlen, oder einmal zum Thalia was zu Lesen. Freitag bis Sonntag - sowie nach der Zeit dort - zieht sie sich immer noch komplett zurück, verlässt kaum das Bett oder Zimmer, muss sich ausruhen, aber das ist okay. Wir werden das irgendwie schaffen.
Seit langem traut sie sich auch das erste Mal wieder Dinge zu wünschen, wie ein neues, gutes und teures Handy (wenn auch über refurbed), weil sie sieht, was Hoffnung und Perspektive - dank Dani - bei mir verändert hat.
Auch ich bin manchmal noch müde, und die erste Begrüßung nach einem Hallo und einem ich hab dich lieb, von Kind zu mir (und umgekehrt) ist immer noch: “Magst/musst du dich hinlegen? Ich bin auch ganz leise - Brauchst du noch etwas?”, aber es wird.
Ich liebe es für und mit Dani zu arbeiten und ich brenne dafür. Es ist sinnstiftend und wichtig, es bewirkt etwas und unsere Gesellschaft braucht diese Sensibilisierung und Menschen, wie Dani, mich, uns alle - weil Veränderung von innen heraus und zugleich von uns allen getragen werden muss und soll, damit sie um sich greifen kann.

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