Ergebnisfenster
“In meinem Ergebnisfenster haben sich sozusagen Schlieren gebildet.” Vor kurzem stieß ich zum ersten Mal auf das Wort. Jemand beschrieb die Prozedur eines Sars-CoV-2- Selbsttests, der offenbar gewisse Ähnlichkeit mit Schwangerschaftstests hat.
Das Fenster ist ein ehrwürdiges Wort, das bis in unsere Gegenwart fast unverändert eine Öffnung zwischen Innen- und Außenwelt herstellt. War es anfangs kaum mehr als eine Maueröffnung, die dem Spähen und Schießen nach draußen diente, kam im Verlauf der Zeit auch der romantische Aspekt hinzu, dass durch sie Körbe heruntergelassen (Abre numa nova janela) oder heraufgeholt wurden.
“Got vnnd der vater vnsers hern Jhesu Christ/ wilcher ist der gebenedeyete ynn ewickeyt/ weyß/ das ich nicht liege/ Zu Damsco der landpfleger des koniges Areta verwarete die stad der Damscer/ vnnd wolt mich greyffen/ vnd ich wart ynn eynem korbe zum fenster aus durch die maure nyddergelassen/ vnd entrann aus seynen henden”.
Romantisch wurde es bald nach Luthers Übersetzung, als erstmals (in der deutschen Sprache) die Augen als Fenster zur Seele (Abre numa nova janela) bezeichnet wurden:
Mich bedunckt aber das Hieronymus nicht allein an gemältem ort in Jonam / sonder auch in Ezechielem vil heiterer die erbsünd bestätiget habe / Wie man dann lißt in seinen Commentarijs über den Ezechielem lib. 14. cap. 47. Namlich / Welcher mensch kan sich rümen / das er ein rein hertz hab? oder in wessen hertz kumpt durch die fänster der augen der Todt der begird nicht?
Solche Eindrücke beleuchten einen Aspekt der Sinne, der oft unterschätzt wird. Wer hört, wird gehört. Wer sieht, wird gesehen. Wer schmeckt, wird geschmeckt. Das Erblicktwerden gehört zu den ergreifendsten Augenblicken in jedem Menschenleben. In ihm blitzt etwas auf, das uns bis ans Ende unserer Tage begleitet:
“und Adam erkannte sein Weib Eva”.
Das Erkanntwerden ist eine Zäsur, die durch uns hindurchfährt wie ein Blitz, ohne dass wir davon erschlagen würden. Aus dem Ergebnisfenster winkt ein schales Echo auf dieses Blitzerlebnis, ganz egal, ob das Ergebnis erfreulich oder unerfreulich ist. Durch das Ergebnisfenster schauen wir nicht trivial auf einen mehr oder weniger verlässlichen medizinischen Befund (positiv/negativ), sondern am Anfang wie am Ende immer auf uns selbst.
In uns ist etwas gefahren, dessen Spuren wir nun gewahr werden. Das Ergebnisfenster ist ein Blick in das Interieur unserer Leiber. Fast könnten wir es als den Augenblick einer Autovivisektion verstehen. Das “Wort der Woche” versteht sich auch als Gelegenheit für Übertreibungen. So viel Spaß muss sein.