🔬 Warum dein Gehirn anders filtert: Neue Forschung zu ADHS, Autismus & Reizüberflutung


Unsere Wahrnehmung ist ständig von einer Flut an Sinneseindrücken umgeben. Warum können wir uns trotzdem auf das Wichtige konzentrieren, während der Rest ausgeblendet wird? Eine neue Studie der Georgia Tech zeigt, wie das Gehirn durch laterale Hemmung genau diese Reizfilterung steuert – und was das für Neurodivergenz bedeuten könnte.
Was ist laterale Hemmung?
Laterale Hemmung bedeutet, dass bestimmte Nervenzellen (Neuronen) die Aktivität ihrer Nachbarn unterdrücken. Dadurch werden wichtige Reize verstärkt und unwichtige herausgefiltert. So entstehen klare Kontraste – nicht nur in unserer visuellen Wahrnehmung, sondern auch in anderen Sinnesbereichen.
Beispiel: Stell dir vor, du bist auf einer Party mit vielen Gesprächen und Musik im Hintergrund. Dein Gehirn hilft dir, dich auf eine Unterhaltung zu konzentrieren, während andere Geräusche ausgeblendet werden.

Erkenntnisse der neuen Studie
Ein Forscherteam um Bilal Haider hat untersucht, wie zwei spezielle Arten von Hemmungsneuronen in der visuellen Verarbeitung arbeiten:
PV-Neuronen (Parvalbumin-Neuronen): Sie reduzieren insgesamt die Reizstärke, wie wenn man die Helligkeit auf einem Bildschirm herunterregelt.
SST-Neuronen (Somatostatin-Neuronen): Sie filtern gezielt unwichtige Signale heraus und verstärken das Wesentliche.
Das bedeutet: Unser Gehirn nutzt verschiedene Hemmungsmechanismen, um Wahrnehmung feinzusteuern und uns vor ReizĂĽberflutung zu schĂĽtzen.
Verbindung zum Steuerungsmodell von Lachenmeier
Das Steuerungsmodell von Lachenmeier beschreibt die Verarbeitung von Reizen durch verschiedene Filtermechanismen, die dafĂĽr sorgen, dass nur relevante Informationen ins Bewusstsein gelangen.
Bei neurotypischen Menschen sind diese Filter stärker ausgeprägt, sodass unwichtige Reize automatisch herausgefiltert werden.
Bei neurodivergenten Menschen mit ADHS sind diese Filter oft schwächer, was bedeutet, dass mehr Reize ungefiltert ins Bewusstsein dringen und die Aufmerksamkeit leichter abgelenkt wird.
Die neue Studie zeigt, dass unser Gehirn genau diese Filter auf neuronaler Ebene nutzt: SST-Neuronen sind wie eine feine Selbststeuerung, die entscheidet, welche Reize durchgelassen werden und welche nicht. Ein Unterschied in der Funktion dieser Hemmungsneuronen könnte erklären, warum ADHSler schneller abgelenkt sind als neurotypische Menschen.
Was bedeutet das fĂĽr ADHS und Autismus?
Neurodivergente Menschen haben oft eine andere Verarbeitung von Reizen:
Bei ADHS könnte die laterale Hemmung schwächer sein → Ablenkungen sind schwerer zu ignorieren.
Bei Autismus könnte die Reizfilterung zu rigide oder zu schwach sein → Entweder zu viele oder zu wenige Reize werden wahrgenommen.
Das könnte erklären, warum ADHSler häufig Probleme mit Ablenkbarkeit haben und Autisten oft unter Reizüberflutung leiden.
Praktische Anwendungen
Die Forschung hilft uns, bessere Strategien zur Reizfilterung zu entwickeln:
ADHS: Techniken zur Selbstregulation könnten helfen, die Hemmungsmechanismen zu trainieren.
Autismus: Gezielte Reizkontrolle (z. B. geräuscharme Umgebung) könnte eine Entlastung sein.
Künstliche Intelligenz: Die Erkenntnisse könnten genutzt werden, um KI-Systeme effizienter zu machen.
Unser Gehirn hat ein ausgeklügeltes Filtersystem, das zwischen wichtigen und unwichtigen Reizen unterscheidet. Bei ADHS und Autismus funktioniert dieser Mechanismus möglicherweise anders, was zu Ablenkbarkeit oder Reizüberflutung führen kann. Durch ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnten wir langfristig gezieltere Ansätze zur Selbststeuerung und Therapie entwickeln.
đź“Ś Quellenangabe:
Joseph Del Rosario et al., „Lateral inhibition in V1 controls neural & perceptual contrast sensitivity“, Nature Neuroscience, 2025. DOI: 10.1038/s41593-025-01888-4 (Abre numa nova janela)
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