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Wie viel darf in der Kultur passieren?

Eine kritische Reflexion des Internationalen Jazzfestivals Ausgabe 2025

Kurz vor Ende des Jazzfestivals am Sonntag nutzten Frauke Schnell als Kulturamtsleiterin für die Stadt und Fritz Schmücker als künstlerischer Leiter die Gelegenheit vor und mit der Presse ein Fazit zu ziehen. Das fiel nach drei überzeugenden Konzerttagen natürlich sehr positiv aus. Mehr als 4000 Besucher waren an den drei Tagen gekommen, etwa 40 Medienvertreter auch aus dem benachbarten Ausland hatten sich akkreditiert. Die Pendelkonzerte in der Dominikanerkirche werden hervorragend angenommen, und die Begeisterung für das Programm war hör- und spürbar. Fritz Schmücker registrierte ein sehr treues Publikum, das auch bucht, wenn auch noch etwas zögerlich als sonst, auch wenn die Bands weitgehend unbekannt sind. Die Zeit der großen Namen ist vorbei. Und er konnte sich freuen, dass seine Dramaturgie ganz Unterschiedliches und Unbekanntes nebeneinander zu stellen einmal mehr aufgegangen war. Auch wenn er den Superlativ von Frauke Schnell „das war das beste Festival ever“ nicht so mittragen wollte.
Ja, aber da war da ja noch etwas gewesen, am Samstag beim Auftritt des dänischen Bassisten Jasper Holtby. Der hatte das Festival instrumentalisiert um Werbung für seine politische Meinung und für die Interessen des palästinenischen Volks zu werben, dem er ein Stück widmete. Andere Stimmen aus dem Publikum, die fragten „Was ist mit Israel" wies er barsch zurück, seine Botschaft „Free Palestine“ unterstrich er später durch ein Halstuch, das dem eines Palästinenser-Tuches sehr stark glich. Später verlagerte sich das Geschehen ins Foyer, wo es am Ende zu einer irgendwie gearteten Versöhnung oder Aussöhnung mit Handshake oder sogar Umarmung von Hoiby und „der Dame" gekommen sein soll, so wird jedenfalls berichtet.
Von der durchaus brenzligen Situation hatte Schmücker, der nicht jedes Konzert 1:1 verfolgen kann, anfangs überhaupt nichts mit bekommen. Auf der Pressekonferenz sagte er auf MVZ-Nachfrage: „Es kann alles entstehen bei so einem Festival eben auch solche solche Situationen die gar nicht vorhersehbar sind“. Jasper Høiby habe sich in einer besonderen Stressituation befunden, da ihm kurz vor Konzertbeginn seine südkoreanische Pianistin Chaerin Im absprang. In Windeseile konnte der Spanier Daniel Garcia als Ersatz gewonnen werden, der sich gerade in eine italienischen Restaurant nach seinem eigenen Auftritt stärkte und sofort in das Notenstudium stürzte. Høiby sei am Sonntag noch mal zu ihm gekommen und habe das Gespräch gesucht, weil er sensibel wie er sei, auch gemerkt hätte, dass da was schief gelaufen ist.
Für ihn sei klar, dass eine Konzertsituation, wie die mit dem Festival im Theater, keine Situation ist für Debatten. Schmücker: „Das funktioniert nicht, deswegen ist die Situation, wie sie entstanden ist, keine glückliche, das ist ja klar. Es ist zunächst ja Freiraum für alles da. Was er wollte, hat er ja auch produziert. Nur der Ton war falsch, die Rigorosität war falsch, das Maßregeln, das hat er auch alles so empfunden im Nachhinein. Er wollte ja den Diskurs und hat ihn dann unterdrückt".
Schmücker bewertet die Situation von ihrem Ausgang, ihrem Ende her. „Aber dann draussen im Foyer wurde gesprochen. Sie haben sich die Hand geschüttelt und umarmt. Und wenn das erreicht wird, dann ist das erstmal für mich in Ordnung“.
Die Kulturamtsleiterin sah das ganz ähnlich: Schnell: „Dass es in dieser Situation keine gute Debattenkultur geben kann, das ist ja sehr deutlich geworden und ist ja auch genauso von ihm selber gesehen worden. Er stand ja auch im Vorfeld durch die Erkrankung seiner Pianistin sehr unter Stress und das spürt man, das kennen wir von uns allen, dann schießt man mit dem Ton mal über das Ziel hinaus. Ich stand dabei, als sie sich unterhalten haben die „Dame“, die wir ja auch kennen und es war ein tatsächliches Verstehen ein Austausch. Insofern: Das darf in der Kultur passieren. Die Situation wie sie beschrieben wurde, ging so in der Form nicht, die Lösung war am Ende für alle Beteiligten eine Gute", so Schnell. Stellt sich am Ende des Tages nur die Frage, was nicht passieren darf, on stage, in der Kultur. (fb)

Unsere Besprechung des 2. Festivaltages mit dem Auftritt von Høiby´s Three Elements kann man hier nachlesen:
https://mvz-online.chayns.site/ticker?M=118242303 (Opens in a new window)


Bild: Der dänische Bassist Jasper Høiby ließ sich für Fotos für Social Media zum Jahreswechsel 2024/25 so ablichten. Høiby ist für sein politisches Engagement bekannt und thematisierte musikalisch bereits die Auswirkungen der Klimakrise.

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