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Yom + die Ceccaldi Brothers öffnen den Jazz-Himmel

Der 3. und letzte Tag der Ausgabe 2025 des Int. Jazzfestivals mit zahlreichen Highlights



Wer sich nicht vom überraschenden Schneefall am Morgen und Mittag abschrecken ließ und am Sonntag zum dritten Mal den Weg ins Große Haus des Theaters fand, bereute es sicher nicht. Es war, als ob man eine musikalische Himmelsleiter mit Yom (Klarinette), Theo (Violine), und Valentin Ceccaldi (Cello) und ihrem kongenialen Soundtüftler Mathieu im Hintergrund erklimmen konnte. Im Saal herrschte eine meditative Stille und Andacht; selbst gestandene Jazzkritiker waren gerührt und verfielen zeitweise in Trance, hypnotisiert vom Wohlklang, den diese hochbegabten Virtuosen perfekt aufeinander abgestimmt in den Saal zauberten. Wer die Augen schloss, konnte durch die Wüste von Marrakesch reiten oder eine Reise antreten, bei der der Weg das Ziel war. Der Klarinettist und Komponist Yom (bürgerlich: Guillaume Hummers) spielte die orientalisch geprägten Stücke im Schneidersitz, während Theo, den die Zuschauer bereits vom Brainteaser Orchester kannten, ihm in Virtuosität und einfallsreichen Soli in nichts nachstand. Den Sound hätte man gerne eingerahmt und ins Wohnzimmer gestellt.

Das Xhosa Cole Quartett mit ihrem Programm "Freemonk" holte das Publikum auf den Boden der Jazz-Tatsachen zurück. Der junge Brite Cole gilt unter den Jazzsaxophonisten als einer der jungen Wilden, den die Alten vorzeitig in den Ruhestand schicken wollen, erklärte Thomas Mau, der Moderator vom WDR, der das Konzert am Sonntagabend live übertrug. Am Ende durften sich die Zuschauer zwei Zugaben von Meister Thelonius Monk wünschen. Bemerkenswert war auch, dass Cole, der zuvor schon im Kleinen Haus aufgetreten war, nach dem Konzert auf das Merchandising der Gruppe hinwies und dabei die soziale Situation unter Jazzmusikern im Vereinigten Königreich ansprach. „You know, we have a significant cost of living thing in the UK“. Frei übersetzt: Die Lebenshaltungskosten sind explodiert. Deswegen würde der Verkauf von Platten und CDs auf eine „Pay what you can“ Basis umgestellt. Natürlich mit der Aufforderung, dass diejenigen, die viel Geld haben, gerne großzügig geben dürfen.

Die diesjährige WestfalenJazz Preisträgerin Clara Haberkamp soll, so war zu hören, sehr erfolgreich gewesen sein und ihre CDs bis auf ein paar Restexemplare unter das Volk gebracht haben. Wenn es so etwas wie Popstars in der Jazzszene überhaupt geben kann, dann hat diesen Titel sicher der junge Mann aus Ibiza verdient: Andrés Coll, zweifellos ein Ausnahmeerscheinung als Vibraphonist. Er hat ganz unbefangen schon in jungen Jahren Kontakt zur deutschen Jazz-Legende Joachim Kaiser aufgenommen. Die beiden verstanden sich. Mit 24 Jahren trat er in Münster als Bandleader mit drei gestandenen Mitspielern wie dem großartigen Spanier Roman Lopez am Schlagzeug auf der Bühne. Dazu im traditionellen Gewand des Marokkaners Majid Bekkas am Wüstenbass Guembri, der wunderbar sang mit seiner etwas brüchig-angekratzten Stimme, und dem polnischen Geiger Mateusz Smoczynski, einem wichtigen Impulsgeber der Band. Die vier Freunde mit ihrer Mehrgenerationen-Truppe brachten richtig gute Laune ins keineswegs abgeschlaffte Große Haus und strahlten eine immense Spiel- und Lebensfreude aus. Coll: „We can party every day“. Cole hüpfte immer wieder vor seinem Vibraphon und ließ die Klöppel in atemberaubendem Tempo über sein Instrument fliegen. Vor dem Erfolg haben aber auch die Jazzgötter bekanntlich den Schweiß gesetzt. Speziell für den Auftritt in Münster war die homogene Jazzfamilie nach Marokko geflogen, um zu proben.

Was fällt nach drei sehr erfolgreichen Jazztagen auf? Sicherlich ist das Jazzpublikum noch ein Stück älter geworden. Der Trend scheint unumkehrbar zu sein, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tut. Die vielen jungen Musikerinnen und Musiker auf der Bühne sorgen offenbar nicht automatisch für ein junges Publikum im Saal. Ein weiterer Trend fällt auf: Auf der großen Bühne war war an zwei Festivaltagen kein einziger Trompeter mehr zu hören, immerhin wurde man am Samstag zu Beginn am Samstag mit Miron Rafajlovic im Daniel-Garcia Sextet und dem Franzosen Olivier Laisney mit dem Louis Sklavin Quintett zum Ende hin etwas entschädigt. Stattdessen ist die Violine stark im Kommen, gerne gezupft pizzicato, wie beispielhaft der Auftritt von Theo Ceccaldi zum Auftakt mit dem Brainteaser Orchestra, das bereits mit einer eigenen String Section auftrat.

Eine weitere interessante Personalie: Fritz Schmücker feierte dieses Jahr sein 40-jähriges Dienstjubiläum in der Festivalleitung. Zum Jubiläum erhielt er nicht nur sehr warmherzige Worte von der Kulturdezernentin Cornelia Wilkens, sondern auch einen Nachbau des legendären ferrariroten Steinwayflügels, der jahrelang die Bühne geprägt hatte.. Übrigens wurde dieser handgefertigt von einer kleinen Gruppe von Mitarbeiterinnen im Kulturamt um Kim Kristin Wessel. Schmücker (63, im Hauptberuf stellvertretender Chef im Münster Marketing, ließ bereits durchblicken, wo er einen Horizont für seine weitere kraft- und zeitraubende Tätigkeit als Festivalmacher sieht, vorausgesetzt, es kann ein angemessener Etat für das Festival bereitgestellt werden. Im Jahr 2029 wird das Festival 50 Jahre alt. (fb)



Bild: Ein Ausnahmetalent am Vibraphon: Andrés Coll aus Ibiza mit seinem Quartett. Foto: Frank Biermann

Xhosa Cole begab sich sich mit seinem Quartett auf die Spuren von Thelonius Monk. Und kümmerste sich um´s Merchandising

Bild: Fraglos einer der Highlights des Festivals: Yom + Chekkaldi Brothers

Bild: Festivalchef Fritz Schmücker führte auch bei dieser Ausgabe gewohnt kurzweilig locker, dabei stets präzise und wohl informiert durch´s Programm

Bild: Seit Jahrzehnten ist der WDR ein verlässlicher Partner für das Int. Jazzfestival. Hier kann Schmücker den Moderator Thomas Mau begrüßen der eine Moderation für die Live-Übertragaung auf WDR3 aufnahm. Schon jetzt und zukünftig wohl noch mehr sind dem auf Sparkurs befindlichen WDR enge Grenzen gesetzt bei der weiteren Co-Finanzierung der traidtionsreichen Veranstaltung.

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