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So wirst du in 3 simplen Schritten reflektiert!

Ich bin reflektiert. Und das sage ich nicht nur so, das wurde mir attestiert.
Von mir selbst, von Freund:innen, in der Therapie und bei Co-Star.

Heute zum Beispiel, da musste ich eine wichtige Entscheidung treffen, und so wie eine das eben macht, habe ich erstmal eine geraucht, dann noch eine, und noch eine. Und während ich in meiner Entscheidungsfindung dabei eigentlich keinen Schritt weiter kam, hatte ich immerhin genug Zeit, mein Suchtverhalten mal ordentlich zu analysieren. Prokrastination, dachte ich, Stress, check, ein Muster, klar, Coping oder so, blabla. Danach bin ich beruhigt. Ich stecke mir also die nächste Kippe an, diesmal aber reflektiert. Tja, während andere noch zum Sport gehen, hab ich auf meiner Reise zur angepassten Frau schon mit ungefähr 13 angefangen, mein Gehirn zu einer analytischen Hochleistungsmaschine zu trainieren, die sich viel zu oft um ihr eigenes Verhalten kreist und in genau den richtigen Momenten weiß, was sie zu sagen und zu tun hat. Meiner Erfahrung nach haben sich zum Erreichen der ultimativen Reflektionsfähigkeit die folgenden drei Schritte als wichtig erwiesen:

1.     Nicht erwischen lassen beim Verzweifeln

Seit ich reflektiert bin, unterstellt mir irgendwie jeder die absolute Handlungsfähigkeit. Warum, weiß ich nicht. Es ist doch ein großer Irrtum, Worte mit Handlung gleichzusetzen. Vielleicht, weil die Ausbildung zur Reflektierten auch beinhaltet, eine perfekte Gegenspielerin zu sein, ein Spiegel gegenüber den ebenso Reflektierten und eine moralische Instanz gegenüber den Unreflektierten. Während meiner Performance höre ich also zu, erzähle, diskutiere, hinterfrage, reflektiere fleißigst und verabschiede mich dann mit einem Knicks, um etwas später dann lieber alleine dann an meiner Unfähigkeit zu verzweifeln. Denn zum Wesen des Reflektierens gehört es, bloß nicht damit aufzufliegen, dass reflektierte Worte eben erstmal nur Worte sind und manchmal auch nichts weiter. Und jedes Mal, wenn es wieder gelingt, bin ich dann doch auch ein bisschen enttäuscht, wenn ich merke, dass es doch kaum jemand schafft, die Performance zu durchschauen. Denn vielleicht, so stelle ich es mir vor, ist das ja die tiefste Form der Loslassens.

2.     Laut sagen, dass man es reflektiert hat

Ja es stimmt, ich bin gut im Reflektieren. So wie die meisten meiner Generation. Wir haben’s einfach aufm Schirm, wir kennen unsere Muster und unsere Coping-Mechanismen, wir können uns auch ehrlich eingestehen, wenn wir uns Fehlverhalten. Das liegt auch daran, dass wir viele Begriffe kennen und sie ziemlich gut einsetzen können. Das reicht oft für eine Erklärung aus, die Eindruck macht. Das Wichtigste aber: Am Ende nochmal laut sagen: „Ich hab’s Reflektiert!“. Wow. Damit ist es dann auch erstmal gut, weil, was soll man jetzt noch sagen? Es wurde doch schon reflektiert!! (Was jetzt aber genau da reflektiert wurde, oder was daraus folgt, ist eigentlich egal). Dann attestieren wir einander wieder die absolute Handlungsfähigkeit, als wäre es das mindeste, was wir voneinander erwarten müssen, so, als hätten wir je über Handlung gesprochen und nicht bloß über uns selbst.  

3.     Bloß nicht fühlen, nur denken!

Denn das kann Reflektieren eben auch sein: ein weiterer dicker Mantel, den man sich anzieht, um nicht die kalte Luft an die Haut zu lassen. Man baut sich diesen schönen Schutz, in der passenden Umgebung, um dann seelenruhig vor sich hin zu intellektualisieren und reflektieren, ohne dass es jemandem auffällt, denn es ist schon lange zu einem Persönlichkeitsmerkmal geworden. Und dann bemerkt auch niemand, dass dieses ganze Reflektiererei manchmal auch ganz schön inhaltslos und letztlich auch eine weitere Ausrede sein kann, um bloß nicht genauer hinschauen zu müssen. Denn alles, was man da so clever hinterfragt, analysiert und in klug wirkende Gedanken fasst, ist letztlich die perfekt gebaute Barriere zwischen Sprache, und dem was wirklich Gefährlich ist: Dem Fühlen.

Ganz ehrlich: Reflektieren ist Bullshit. Naja, zumindest dann, wenn wir uns hinter weisen Worten versteckend die größtmögliche Handlungsfähigkeit unterstellen und uns damit gleichzeitig kollektiv handlungsunfähig machen.

Was passiert eigentlich, wenn man mal kurz einfach aufhört, so richtig inmitten des Rausches der Erkenntnisgewinnung, des Denkens und des Intellektualisierens und mal kurz hinschaut? Keine Ahnung, tbh..

 

 

Topic #What I hated this week

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