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In den Salzgärten von Guérande - Das Geheimnis pinkfarbener Seen

 Mikrobenzirkus-Kolumne im August 2024


Liebe Freunde und Freundinnen des Mikrobenzirkus,

ich bin aus der Sommerpause zurück und freue mich auf eine neue Schreib- und Lese-Saison mit euch.
Diesmal ging es mit dem Camper (und meinem Mann :-)) auf eine Rundreise durch die Bretagne - von Saint-Malo über Le-Mont-Saint-Michel bis nach Concarneau, Quimper, Pont Aven und Vannes.
Drei Wochen lang habe ich atemberaubende Küsten-Landschaften, Kultur mit Wurzeln bis in die Zeit der Kelten und gute bretonische Küche mit Buchweizen-Crêpes und Meeresfrüchten dieser Region genossen. Viel Zeit für neue Eindrücke und zum Lesen.

Besonders fasziniert hat mich aus der Besuch der Salzgärten in Südbretagne in Guérande, über den ich euch in diesem etwas längeren Newsletter berichten möchte. Am Ende findet ihr einige Lesetipps und wie gewohnt die aktuellen Lesungs-Termine.

Exkursion

In den Salzgärten von Guérande - Das Geheimnis pinkfarbener Salzseen

Sommer und Salz - seit meinem ersten Tag in der Bretagne, verfolgte mich das Meersalz auf Schritt und Tritt. Gesalzene Butter wird in nahezu jedem Restaurant zum Baguette gereicht, die typisch bretonischen Salzbutterkaramell-Bonbons, machen jede Diät zur Farce und der legendäre Kouign Amann, der bretonischen Butterkuchen, sowie die Galette bretonne, die runden Butterkekse, verdanken ihren einzigartigen Geschmack dem Meersalz.

Hier in der Bretagne wollte ich etwas über eine besondere Art der Salzgewinnung erfahren – das Meersalz, das direkt an den Küsten geerntet wird. Ich kenne nur den Steinsalz-Abbau unter Tage in meiner alten Heimat in Sachsen-Anhalt, wo ich aufgewachsen bin.
Meine Reise führte mich nach Batz-sur-Mer, wo ich Vito, einen echten „Paludier“, treffen konnte – so nennt man hier die Salzbauern. Die Fahrt dorthin war eine Reise durch pittoreske Dörfer mit reetgedeckten Backsteinhäusern, blauen Fensterläden und riesigen blühenden Hortensienbüschen (mein Gärtnerherz war neidisch) – Bretagne wie sie im Buch steht.

Mein Ziel war „La Natursel“, Vitos Reich. Mit sechs Hektar Salzgärten erntet er mit Kollegen hier bis zu 150 Tonnen Salz pro Jahr – ein stolzes Handwerk, das bis in die Eisenzeit zurückreicht. Die Mönche von Vannes formten durch ihre Studien von Gezeiten, Wind und Sonne das Gesicht der heutigen Salzgärten. Doch erst im 20. Jahrhundert, dank einer Gruppe Idealisten, wurden die verlassenen Salinen wiederbelebt, nachdem zwischendurch die alte Tradition fast vergessen worden war.

Paludier Vito  führt mich durch sein Reich (S. Thiele)

Vito erwartete mich bereits – mit einem offenen Lächeln, die Augen hinter einer Sonnenbrille, einem hellen Basecap auf seinen kurzen Haaren, sonnengebräunter Haut, salzverkrusteten Händen und einem gepflegten Dreiwochenbart. Er begrüßte mich herzlich und fast akzentfrei auf Deutsch. Er war etwas kleiner als ich, schlank und durchtrainiert. Das läge an der schweren körperlichen Arbeit auf den Salzfeldern und daran, dass er jeden Tag der Natur und der Meeresluft ausgesetzt ist, wie er mir später erzählte. Eine Gruppe aus La Baule hatte kurzfristig abgesagt, und so hatte ich das Glück, eine ganz persönliche Führung zu bekommen.

Eine Sumpflandschaft unweit des Atlantiks. Von hier kommt eines der teuersten Salze der Welt – das Fleur de Sel aus Guérande. (S. Thiele)

Wir begannen unseren Rundgang durch die Salzgärten von Guérande, die wie ein schachbrettartiges Mosaik in der Sonne glitzern. Ein Paradies für Vögel – Austernfischer wateten durch die Becken, Möwen kreischten über uns.

Vito führte mich durch dieses Labyrinth aus Becken und Kanälen, die von Jahrtausenden der Ingenieurskunst zeugen. Das Prinzip der Salzgewinnung ist einfach, doch die Praxis verlangt ein meisterliches Fingerspitzengefühl. Das Meerwasser wird bei Flut in die Becken geleitet, wo es langsam verdunstet, bis die Salzkonzentration so hoch ist, dass die Kristalle beginnen zu wachsen.

„Unser Salz“, erklärte Vito, „hat ein einzigartiges Veilchenaroma. Es ist mild und nicht so bitter wie industriell hergestelltes Salz. Kein Wunder, dass es in den besten Küchen Frankreichs unverzichtbar ist.“ Als ich das weiße Fleur de Sel koste, das Vito mir reicht, schmecke ich, was er meint (glaube ich).

“Die Theorie der Salzernte ist ganz einfach.”

Das Prinzip des Salzanbaus erklärte mir Vito als recht simpel: Bei Flut wird das frische Meerwasser (etwa 25 Gramm Salz pro Liter) über ein verschachteltes System von Kanälen in die Becken der Saline geleitet, wo sich in den Kristallisationsbecken die Salzkrusten bilden. Abhängig von den Wetterbedingungen erreicht die Salzkonzentration schließlich rund 200 Gramm pro Liter.

Während der heißen Sommermonate reift das Salz heran und wird im September/Anfang Oktober mit Hilfe spezieller Rechen von Hand geerntet. Das Salz trocknet einen Tag in der Sonne, bevor es mit einer Schubkarre zum Rand der Saline gebracht wird. Das geerntete Salz türmt sich so im Laufe eines Sommers zu mächtigen Salzbergen auf (leider bin ich mit meinem Reisezeitraum Ende Juli etwas zu früh dran – sonst hätte ich hier die weißen Salzberge bewundern können).

Vito zeigte mir seinen Alltag: Es ist alles ehrliche Handarbeit – wie vor Jahrhunderten, ohne Maschinen. Die Salzbauern helfen sich untereinander, trotz des Wettbewerbs. „Das Fleur de Sel“, erklärte Vito, „ist das kostbarste Salz, das wir ernten. Es bildet sich nur unter optimalen Bedingungen und erfordert viel Fingerspitzengefühl.“
Es gibt zwei Qualitäten: das gröbere, etwas graue Meersalz (Gros Sel) und die oberste Schicht, das kostbare weiße „Fleur de Sel“. Aus einer Tonne Salz wird etwa 60 kg Fleur de Sel gewonnen. Früher wurde es übrigens viel weniger geschätzt und zur Bezahlung der Hilfsfrauen (Porteusen) verwendet, die das Salz aus den Salinen trugen.

„Fleur de Sel“ entsteht nur bei optimalen Bedingungen: viel Sonne, niedrige Luftfeuchtigkeit und ein Wind, der weder zu stark noch zu schwach sein darf. Ein zu starker Wind oder unvorsichtiges Bewegen des Wassers kann die dünne Schicht auf der Wasseroberfläche zerstören und mit dem groben Salz vermengen.

Die Bezeichnung „Fleur de Sel“ ist geographisch geschützt und darf nur von den Salinen der Guérande, der Île de Noirmoutier und der Île de Ré verwendet werden.

Die kritische Frage nach Mikroplastik im Meer habe ich natürlich auch gestellt: Prinzipiell haben wir hier schon das reinste Meersalz. Trotzdem unterliegen die Familienbetriebe einem harten Qualitäts-Audit und dürfen auch Salzchargen verschiedener Jahre nicht mischen, damit das kontrollierbar bleibt. Großer Aufwand für die Lagerung der Salzberge bei kleineren Betrieben…

Die Salinen haben ein buntes Ökosystem, das Vögeln, Algen, halophilen Mikroorganismen und Pflanzen Lebensraum bietet. Manchmal nimmt das Meerwasser eine fast surreal anmutende Färbung in Pink- und Rosé-Tönen an.

„Mikroorganismen verursachen die pinkfarbene Färbung der Salzseen“

Ein Hauptgrund für die Färbung der Gewässer sind Mikroorganismen. Zwei dominierende Organismen, die in solchen Seen vorkommen, sind Dunaliella salina und verschiedene Haloarchaeen.

Nein, Dunaliella salina ist keine französische C-Prominente, sondern eine winzige Alge, die einen hohen Anteil an Beta-Carotin enthält. Die Alge speichert unter den richtigen Bedingungen große Mengen an Beta-Carotin. Sie ist photosynthetisch aktiv und benötigt daher relativ viel Licht.
„Während die Mikroalgen Beta-Carotin, das Pigment, das wir beispielsweise aus Möhren kennen, anreichern, produzieren Haloarchaeen ein anderes rotes Pigment: ein Rhodopsin, das dem Pigment in unseren Augen ähnelt. Je nachdem, welcher Organismus in einem See dominiert, verändert sich die Farbschattierung: Manchmal sind die Seen eher pink, manchmal eher rötlich gefärbt“, erzählt Vito.

Bildquelle: Mikrofotografie (Si apre in una nuova finestra) einer Probe aus dem hyper­salinen (Si apre in una nuova finestra) Lake Tyrrell (Si apre in una nuova finestra) (Australien (Si apre in una nuova finestra))[1] (Si apre in una nuova finestra) mit orange­farbenen Chloro­phyten (Si apre in una nuova finestra) (Dunaliella cf. salina (Si apre in una nuova finestra)Chlamydo­monadales (Si apre in una nuova finestra)) und mehreren kleineren qua­dra­tisch-flachen Walsby-Archaeen mit Gas­bläs­chen, die ein Auf­schwimmen an die Ober­fläche er­mög­lichen (vermutlich, um dort Sauer­stoff auf­zu­nehmen).

Ein Beispiel für einen Organismus, der sich von der Alge ernährt, ist der Salinenkrebs (Artemia salina), der in salzhaltigen Gewässern vorkommt und einigen von euch vielleicht noch unter dem Namen „Urzeitkrebse“ bekannt ist (Yps-Heft lässt grüßen!).

“Der Salinenkrebs Artemia salina ist eine Delikatesse für Flamingos und färbt auch deren Gefieder pink, das sonst weiß bliebe.”

Ein Beispiel für einen Organismus, der sich von der Alge ernährt, ist der Salinenkrebs (Artemia salina), der in salzhaltigen Gewässern vorkommt und einigen von euch vielleicht noch unter dem Namen „Urzeitkrebse“ bekannt ist (Yps-Heft lässt grüßen!).

Bei einem Salzgehalt von 180 g pro Liter sterben diese Salinenkrebse jedoch ab – Dunaliella salina hat dann keine natürlichen Fressfeinde mehr und färbt aufgrund ihres hohen Beta-Carotin-Gehalts das hochkonzentrierte Salzwasser in den Salzgärten pink. Als hätte Barbie höchstpersönlich dort ihre Farbeimer ausgekippt!

Bildquelle: Salinenkrebs Artemia salina, Wikipedia

Und eine ungewöhnliche Bakteriengattung sei hier auch noch erwähnt: das salzliebende Bakterium Haloquadratum walsbyi. Es ist platt wie eine Briefmarke und kann sich dank eingebauter Gasbläschen gemütlich auf einer Salzlake treiben lassen.

Bildquelle: Haloquadratum walsbyi, Wikipedia

Salziges Pflanzen-Büffet

Besonders lebhaft wurde Vito, als es um die Pflanzenverkostung in seinen Salzgärten ging.
Er griff nach unten, in eines der dicht bewachsenen Becken, und pflückte Queller ab. Eine Pflanze, die aussieht wie eine Miniatur-Version von grünen Bohnen. „Probier das mal“, sagte er und reichte mir einen frischen Trieb. Der Geschmack überraschte mich: knusprig, saftig und leicht salzig. „Heißt auch Salzbohne oder Salicorne“, erklärt Vito, „und Feinschmecker lieben sie. Du kannst sie roh essen, in Essig einlegen oder wie grüne Bohnen in Butter schwenken.“

Als Nächstes die Salzmelde. Die Blätter haben einen zarten, fast fleischigen Biss und einen intensiven, salzigen Geschmack, der an das Meerwasser erinnert. „Frisch gepflückt ist sie am besten, aber man kann sie auch trocknen und als Gewürz verwenden“, erklärt er. Weiter geht es mit Strandnelke und Fenchel.

„Manche dieser Pflanzen werden von Sterneköchen wie Trüffel behandelt“, sagt Vito mit einem Augenzwinkern. „Aber du kannst sie genauso gut in deiner eigenen Küche verwenden.“ Seine Begeisterung war ansteckend, und während er mir von all den kulinarischen Möglichkeiten erzählte, merkte ich, wie sehr ihn seine Arbeit immer in der Natur erfüllt.

Zum Schluss gab Vito mir noch einen besonderen Tipp: „Erdbeeren mit Fleur de Sel – das klingt verrückt, aber es funktioniert. Das Salz hebt die Süße hervor und verstärkt den Geschmack. Und mit ein wenig Fenchel wird es richtig spannend!“

Als ich mich von Vito verabschiede, habe ich nicht nur ein paar neue Rezepte im Gepäck, sondern auch eine Einladung, unbedingt wiederzukommen, weil er mir gar nicht alles in den zwei Stunden erzählen konnte.

Und eines habe ich mir fest vorgenommen: das teure und so aufwändig gewonnene Fleur de Sel ab jetzt wirklich immer erst nach dem Kochen zum Würzen zu verwenden.

Weiterlesen

Das Museum „Terre de Sel“ erklärt anschaulich die Salzernte in Guérande und ihre Tradition.

Wie der Titel schon verrät, dreht sich bei Kommissar Dupins drittem Fall alles um das „bretonische Gold“, das „Fleur de Sel“ aus der Guérande. Ein kurzweiliger Krimi, der euch beim Schmökern alle Details rund um den Anbau und die Ernte von Salz näherbringt. Die Bücher sind wirklich viel besser als die TV-Verfilmungen.

Artikel des Deutschlandfunk über Salzbauern in der Bretagne. Mit vielen ergänzenden Informationen und Hintergründen zur historischen Wiederbelebung der Salzgärten im 20. Jahrhundert.

  • Bretagne-Romane, die ich gelesen habe:
    “Alles Licht, das wir nicht sehen“ ( Anthony Doerr, spielt in Saint-Malo)

    “Zwei am Meer” (Fanny André, zwei Frauen, ein Road-Trip in die Vergangenheit durch Normandie und Bretagne, leise feel-good-Geschichte mit herrlichen Reiseeindrücken)

    “Der Sommer, in dem alles begann” (Claire Lost, zur Identitätssuche von ”Franzosen”und ”Bretonen” von 1940 bis heute, Literaturpreis der Bretagne 2021)

Termine

Ausgewählte Lesungen und Vorträge - Wo könnt ihr mich 2024 treffen?

  • Braunschweig 18.8. TOXIN-Lesung anlässlich der regionalen Braunschweiger Buchmesse LeseFlair, Autorinnenduo Kathrin Lange & Susanne Thiele, Tickets (Si apre in una nuova finestra) über die FLOSS STATION Braunschweig

  • Bakteriopolis: Die verborgene Welt der Mikroben

Lesungen/ Vorträge im Rahmenprogramm der Wanderausstellung
Ich halte einen unterhaltsamen Vortrag zu den Themen meines Sachbuch „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Türklinke“ und nehme das Publikum mit auf eine virtuelle Mikroben-Entdeckungstour durch die eigenen vier Wände. Lesungen_Bakteripolis_2024.pdf ( (Si apre in una nuova finestra)tu-dresden.de (Si apre in una nuova finestra)) (Si apre in una nuova finestra)

in Dresden im COSMO, 23.08, 19 Uhr, Lesung und Vortrag (Eintritt kostenfrei)

in Leipzig 6.9. 19.00 Uhr, Wilhelm-Leuschner Platz, Lesung und Vortrag (Eintritt kostenfrei)

Das war es schon wieder für diesen Monat!

Ich sende euch herzliche Grüße aus dem Mikrobenzirkus

Schreibt mir sehr gern, wo ihr ihr im Urlaub wart und was euer schönstes Erlebnis war.

Susanne

Schreibcommunity

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