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Guten Tag, werte Lesende!

Seit Jahrzehnten pflege ich eine sehr unoriginelle Arbeits- und Motivationstechnik: Auf der der unbeschriebenen Rückseite eines ehemaligen Manuskriptblatts (papierreiches Büro trifft auf nachhaltige Nutzung) notiere ich, was so alles zu tun ist – eine klassische to-do-Liste, die als Gedächtnisstütze, Antreiberin, Halt meines Arbeitslebens funktionieren soll. "NL Fr" steht zum Beispiel für "NewsLetter Freitag", also dieses wunderbare Produkt hier. Früher dachte ich: Eines schönen Tages wird die Liste abgearbeitet sein. Dann beginnt das Leben oder wenigstens das Wochenende. Leider Unsinn. To-do-Listen sind nie leer, sie fördern die Prokrastination und nerven bei jedem Blick darauf. 

Ausgerechnet an meinem Geburtstag geschah nun ein Wunder. Meine to-do- Liste war verschwunden. Schredder, Altpapier, sonstwo. Erst spürte ich kurz Panik, seither aber Freiheit. Ich habe kapiert: To-do-Listen sind die Pest. Ganz Wichtiges hat man im Kopf und erledigt es sofort, später Wichtiges kommt in den Kalender, weniger Wichtiges darf man vergessen. So beginnt in dieser Woche ein neues Kapitel: Leben ohne Liste lernen.

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Viel Spaß wünscht  
Hajo Schumacher

Fotos der Woche

Meine Schwester schickte mir diese Woche Familienfotos von früher, die ich noch nicht kannte. Das eine zeigt mich als johntravoltrahaften Showtänzer. Das andere gibt mir Rätsel auf. Meine Eltern stehen in einer eher unwirtlichen Ecke, im stylischen Kinderwagen krähe vermutlich ich und im Fotoalbum ist unter diseem Bild mit Bleistift ein Fragezeichen vermerkt. Was tun die da? Und warum? Stammte das Bild von Jürgen Teller, wäre es Kunst. So ist es immerhin bizarr. 

  

Brühwürfel der Woche

Die CSU ist eine bildungsbürgerliche Partei. Da werden sogar niedere Lobbyarbeiten von Promovierten wie Peter Gauweiler verrichtet und schnöde Maskendeals von edlen Anwaltskanzleien. Obgleich nur Protestant und Franke macht auch Markus Söder den humanistischen Ostentator und beendete seine Kanzlerambitionen mit dem Asterix-Klassiker "Alea iacta est". Warum das nicht ganz passt, weshalb "Armin" von "Herrmann" stammt, der wiederum die Römer einst im Teutoburger Wald... ach, lesen Sie doch selbst:

Alea ad acta est

Früher war mehr Bildung, sogar im schlausten Land der Welt,  in Bayern, wo ja bekanntlich Relativitätstheorie, Internet und Maskendeal erfunden wurden. Als in Bayern noch fließend Latein gesprochen wurde, hatte der Bildungsstandort noch große Momente. Da debattierten im Bundestag Studienrat Franz-Josef Strauß (CSU) und Professor Carlo Schmid (SPD) über temporale Nebensätze in Gesetzesentwürfen, um sich beim Übersetzen eines schlichten „alsbald“ auf ein „quam primum“ zu einigen, zu deutsch soviel wie „subito“, was aber verdächtig nach Pizza-Latein klingt.

Womit wir bei Markus Söder wären, der dem Lateinunterricht zwar beigewohnt haben soll, aber offenbar viel in Asterix-Heften vertieft war, wo nur to-go-Latein vermittelt wird, das allenfalls Menschen aus Nordrhein-Westfalen beeindruckt, die in der Schule die Mengenlehre mit selbstgetöpferten Handpuppen nachzuspielen lernten. „Alea iacta est“ sprach Söder, nachdem er wie einst Vercingetorix bei Alesia seine Waffen dem Sieger zu Füßen gelegt hatte. Klingt schlau, ist es aber nicht, weil Cäsar – drunter macht es ein Söder nicht – den Würfel-Spruch nicht als Friedensangebot, sondern als Angriffsschrei gemeint hat, damals am Rubikon, nach dessen verbotener Querung er quam primum nach Rom marschierte, um zu stänkern. Rubikon, der alte Schwede, ist uns wohlbekannt, seit der ehemalige Bundespräsident Wulff auf dem Weg zum Emir das eher kümmerliche Rinnsal überschritten sah.

Die Römer waren übrigens auch in Aachen, wo sie Thermen bauten, eine sogar im Vorort Burtscheid, wo wiederum ein Mann namens Armin wohnt, was lateinisch ist und „Herrmann“ heißt. Armin der Cherusker fügte den Römern quam primum nach der Sache mit dem Rubikon eine empfindliche Niederlage zu, als im Teutoburger Wald weniger Würfel fielen als vielmehr Germanen aus den Bäumen, den Römern direkt ins Genick. Kaum waren die Römer aus NRW verschwunden, kamen im Zuge der Völkerwanderung die Franken, auch nach Aachen. Seither werden die Würfel immer wieder neu gemischt.

Mit freundlicher Genehmigung der Berliner Morgenpost

Tweets der Woche

Kulturwandel der Woche

Wo wir gerade bei Robert Habeck sind. Die künftige Kanzlerin Annalena Baerbock hat in ihrer Antrittsrede, die dem Kollegen Thadeusz übrigens zu wenig Obama-Sound hatte, eine nachdenkenswerte These geliefert: Die Menschen im Land seien weiter als die Politik. Ich glaube, das stimmt. Die "Bärlauch-Bitches" und "veganen Radfahrer", über die ältere Herren wie Dieter Nuhr immer noch zu scherzen belieben, sind längst keine Exoten mehr, sondern Mainstream, überall im Land. Faszinierend: Menschen können Debatten über Klima, Fleischkonsum oder SUV-Gebrauch führen ohne mit Verbotspartei-Floskeln rumzulindnern. Wer bewußt und gern verzichtet, braucht weder Quoten noch Gesetze, sondern nur Hirn und Empathie. Habeck hat beides. Und das hat er genutzt, um nebenbei noch die Gleichstellungsdebatte in eine neue Ära zu treiben,  das Post-Pavian- und Postfeminismus-Zeitalter. Es geht um Menschen, nicht um Merkmale. Ob sich damit ein Land regieren läßt? Mal sehen.

Kulturwandel. Hier mein Kommentar bei Radioeins (Si apre in una nuova finestra)

Gewissensfrage der Woche

Auf mein Bekenntnis hin, an Assoziereritis zu leiden, also immer alles mit allem in Beziehung zu setzen, schickte mir mein alter Weggefährte Jürgen Merschmeier dieses Foto von einem Foto, Geschenk von einem CDU-Politiker mit der Widmung:  "... multikulturell in schwarz-rot-gold". Ernst gemeinte Frage in aufgeladenen Zeiten: Kann man das machen?

Einblick der Woche

Unentwegt werden auf der politischen Bühne neue Ideen und Regeln präsentiert. Das Problem: All diese ambitionierten Forderungen müssen in Gesetze gegossen werden. Julinae Seifert, Staatssekretärin im Giffey-Ministerium, hat uns im Mutmach-Podcast erklärt, wie es sich im Maschinenraum der Regierung arbeitet, wo Milliarden verteilt werden und Ausdauerdisziplinen namens "Ressortabstimmung" , weswegen wir ein Gesetz durchaus als kleines Kunstwerk betrachten dürfen. Lustiges Gedankenspiel: Friedrich Merz übernimmt das von einem früheren Kanzler als "Gedöns" bezeichnete Ministerium.

Hier geht´s zur Podcast-Folge mit Juliane Seifert (Si apre in una nuova finestra)

Rätsel der Woche

Wer mir den Text auf dem Cover dieses Buches übersetzt, der darf es haben, aber nur der/die erste BewerberIn.  

Ich wünsche ein Wochenende mit Sonne im Herzen und Impfstoff im Blut.

Herzlich,    
Hajo Schumacher

PS: In dieser Woche ist der großartige Fotograf Erasmus Schröter gestorben. Seine Bilder haben die DDR auf eine liebevolle, präzise, abgefahrene und zeitlos mdoerne Weise porträtiert.

Hier eine Auswahl der besten Schröter-Bilder (Si apre in una nuova finestra)

http://erasmus-schroeter.de/ (Si apre in una nuova finestra)

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