NEUNERs #001 (dreizehn*)
“Nichts wünsche ich mir mehr, als dass es Frieden gibt. Und wenig hoffe ich mehr, dass das, was in den kommenden Monaten an Belastungen erst noch kommt, uns als Gesellschaft nicht allzu sehr auseinanderreißt.”
So der Wunsch der letzten Newners-Ausgabe (#013*) aus dem vorigen Jahr.
Ich nehme den Faden wieder auf. Mit einer ersten Ausgabe von Neuners.
Frieden haben wir keinen. Wirklich auseinandergerissen ist nichts. So sehr man das manchmal fühlen mag. Gut sieht es dennoch nicht aus. Denn Angstfreiheit, Orientierung, ein Gefühl der Konsistenz herrschen nun auch nicht gerade. Aber wann genau gab es das schon in Deutschland? Und woher kommt eigentlich diese Sehnsucht?
“Das Fehlen der Einheit im Inneren ist die Voraussetzung, die Deutschland zum Protagonisten einer globalen Krise gemacht hat. Aber handelt es sich, dieser fehlenden Einheit vorausgehend, nicht vielmehr um einen Mangel an Unterscheidung, an Unterscheidungsvermögen? Einheit kann es nur bei unterschiedenen Dingen geben.” (Carlo Levi, Die doppelte Nacht. Eine Deutschlandreise im Jahr 1958 (Si apre in una nuova finestra))
Oral History - Familiengeschichte sichern
Das Leben ist endlich. (Zumeist) zu unserem größten Bedauern gilt das auch für unsere Familie, unsere Großeltern, Eltern, Onkels und Tanten. Ein Gesprächsthema in der Rubrik “ich wollte eigentlich auch endlich mal…”, das häufiger auftaucht: Wie halte ich Familiengeschichte fest und die Erinnerungen an die Menschen, ihre Erlebnisse, Erzählungen, ihr Glück, ihr Trauma - und damit auch einen Teil meines Lebens und meiner Prägungen?
Eine mögliche. erste Reaktion der Befragten besteht in der Ablehnung. Wer möchte schon gerne indirekt mit dem eigenen Ableben konfrontiert werden. Aber die Message ist ja nicht: ich möchte noch mal schnell alles erfahren, bevor du gehst. Sondern: ich möchte erfahren, was unsere Familie erlebt hat. Es geht also um gemeinsames Hinschauen, um eine Linie, um Zeit, um Fragen. Die meisten machen mit.
Am allerwenigsten ist das also ein technischer Akt. Eher hat es was mit anderen Formen der Überwindung zu tun. Technisch braucht es dafür wenige Dinge:
Ein Handy mit ausreichend Strom und Speicherplatz, oder ein kleines Aufnahmegerät wie das Zoom H2n (Si apre in una nuova finestra), das man auf den Tisch stellt (vorab etwas üben uns ausprobieren).
Eine Transkritions-KI wie Sonix (Si apre in una nuova finestra). Man muss auch hier noch einiges nacharbeiten, insbesondere Eigennamen. Aber die Entlastung ist enorm. Bei 6 Stunden kommen schnell über 80 Seiten zusammen.
Papier und Stift, denn in den Notizen steht nachher mehr, als das Gegenüber erzählt hat. Eigene Erinnerungen und Querverweise kommen hinzu.
Einfach machen.
Kantstraße
Den Berliner Westen mag ich. Umso schöner eine Entdeckung aus den 70er Jahren. Das Viertel - das Milieu unweit vom Kurfürstendamm Berlin (BRD 1974)
https://www.youtube.com/watch?v=cZ_XE52tta0&feature=youtu.be (Si apre in una nuova finestra)Lesestoff
Die Newsletter, Instagram-Kanäle und Zeitungen sind voll davon: Buchempfehlungen. Die 100 des Jahres, der letzen 100 Jahre usw.
Hier sechs “existentielle” Romane, die mich in den letzten Monaten beeindruckt haben.
1. Reinhard Kaiser-Mühlecker - Der Wilderer
Leseprobe (Si apre in una nuova finestra)
Existenz auf dem Land.

2. Oskar Maria Graf - Wir sind Gefangene
Leseprobe (Si apre in una nuova finestra)
Existenz in den 20er Jahren.

3. Leïla Slimani - All das zu verlieren
Leseprobe (Si apre in una nuova finestra)
Existenz des Mangels I. Weibliche Existenz.

4. Mareike Fallwickl - Das Licht ist hier viel heller
Leseprobe (Si apre in una nuova finestra)
Existenz des Mangels II. Männliche Existenz.

5. Caroline Rosales - Das Leben keiner Frau
Leseprobe (Si apre in una nuova finestra)
Existenz im Übergang.

6. Jenny Erpenbeck - Kairos
Leseprobe (Si apre in una nuova finestra)
Existenz in der DDR.

Outro
* “Dreizehn” wäre die nächste Newners-Folge gewesen. Es geht jetzt wieder los mit “eins”
Recht herzlichen Dank für den kurzen Ausflug!
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