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»Macht doch nich’ so een Jewese!«

Es war ein paar Monate vor seinem Tod, da fragte ich Burghard, ob er sich noch an den Heiligabend vor sechs Jahren erinnerte, als meine Mutter ihn mitbrachte und wir uns zum ersten Mal sahen. Ich gab zu, dass ich ihn ja schon ganz schön beäugt hatte. Das war also der neue Freund, von dem meine Mutter seit Wochen nicht aufhören konnte zu reden. Er hatte einen Ohrring und dann noch diese ganzen Tattoos an seinen Armen, zwei Schlangen, die er wohl besaß und Union-Fan war er. Burghard lachte. »Na wat meinste, wat ick jedacht habe.« Der neue Freund meiner Mutter, es war schon merkwürdig, wie wir da so ganz plötzlich eine neue Familie waren.

Das ist der Beginn meiner Trauerrede, die ich heute am 17. Januar zu Ehren Burghards hielt. Unter diesem grauen Himmel, in diesem noch kleinen Jahr. Ich erzählte weiter von meinem Wohnwagen. Die Anekdote von dem Laminat, das eigentlich kein Laminat war. »Mädel, du hast Parkett jekofft!«, hat er damals gerufen und halblachend die Hände über seinen Kopf geschlagen. In seinen letzten Tagen haben wir viel über diese alten Kamellen und den Wohnwagen geredet. Es war etwas, worüber wir immer und immer wieder lachen konnten. Parkett, das habe ich von Burghard gelernt, ist sehr viel dicker als Laminat und sehr viel schwieriger zu verarbeiten. So habe ich es auch in Prima Aussicht geschrieben. »Mädel, du hast Parkett jekofft!« Ein Brüller.

Mein Buch beginnt mit dem Kauf des Wohnwagens. Ich stehe da recht ahungslos vor dem Verkäufer, überprüfe die Wände auf undichte Stellen, ich hüpfe sogar einmal. So war es. Und auch ein guter Anfang, ein Anfang bei dem Burghard mit dabei gewesen ist. Aus dramaturgischen Gründen lasse ich Burghard aber erst später beim Verlegen des Bodens auftreten. Er war es auch gewesen, der den Wohnwagen damals vom Auto aus auf der Landstraße in Königs Wusterhausen entdeckte und mir abends schrieb, er habe da etwas für mich gefunden. Burghard wusste, ich war auf der Suche nach einem Wohnwagen, weil wir vor kurzem eine Parzelle auf einem Campingplatz gepachtet hatten. Nahe standen wir uns da noch nicht. Aber ich freute mich, dass er Ausschau gehalten hatte. Ein paar Tage später trafen wir uns, ich begutachtete das alte Ding mit den gelben Vorhängen und den ganzem Müll darin und verhandelte einen guten Preis. Burghard war es dann auch, der bei der Überführung des Wohnwagens half und in einem Schneckentempo auf der Autobahn vorne weg Richtung Westbrandenburg fuhr. Dort wartete er auf mich. Als der Wohnwagen nach ein paar Wochen fertig wurde, waren Burghard und ich ins Unendliche dicke miteinander. Dieser zurückhaltende Mann an Heiligabend entpuppte sich als eine der liebenswertesten Seelen, die ich jemals in meinem Leben getroffen habe. Er war der Mann, der meine Mutter liebte, sie heiratete, der uns liebte und den unser Sohn ganz selbstverständlich Opa nannte.

Ich bin dankbar, dass es Burghard in meinem Leben gab. Er hat den Wohnwagen für mich gefunden, ihn mit mir zusammen aufgebaut und so viel mehr.

Judith

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