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Regeln fürs Schreiben über andere Menschen

Ich traf mal einen Schriftsteller, der im Memoir seiner Ex vorkam. Sie war deutlich älter als er und schon ziemlich erfolgreich, er war noch nicht ganz so erfolgreich. Als ihr Buch erschien, war ihre Romanze schon Vergangenheit. In ihrem Buch hatte sie ihn als einen ein bisschen einfach gestrickten, aber äußerst sexy Typen dargestellt. Als ihre Eroberung. Als ihren dekorativen, naiven Toyboy. 

Natürlich las er das. Und er hatte gemischte Gefühle. Er war verletzt, dass sie ihn so eiskalt für ihr Narrativ unter den Bus geworfen und zu einem Statisten im Film ihres Lebens gemacht hatte. Und dass er nicht mehr für sie war als eine sexy Trophäe. Gleichzeitig war er geschmeichelt, in dem Buch einer bekannten Schriftstellerin vorzukommen, die er bewunderte. Eine literarische Figur sein ist ja ein kleines bisschen Ewigkeit. 

Die meisten Leute finden es toll, in einem Buch vorzukommen. Als ich Eyal letztes Jahr sagte: »Maybe I’ll write about you some day« leuchtete sein Gesicht auf wie ein Geburtstagskuchen: »Maybe?!«

Die meisten Leute lieben diese Art von Aufmerksamkeit. Zumindest solange sie nicht wissen, was genau gesagt werden wird. Zumindest solange es bei den Dingen bleibt, die sie bewusst, gezielt und wissentlich der Welt präsentieren. Aber wenn es darum geht, etwas aufzudecken, das sie unwissentlich oder unfreiwillig preisgeben oder von dem sie glauben, dass andere es nicht sehen—das ist etwas ganz anderes. Wir alle unterschätzen ständig, was und wie viel andere von uns wahrnehmen. Wir denken, wir könnten unsere Wut oder Unsicherheit oder Angst verstecken. Aber andere Leute sind feinsinnig. Wir können viel weniger vor anderen verbergen, als uns lieb ist. Und haben viel weniger Einfluss darauf, was andere über uns denken.  

Ich habe mal über Nick geschrieben, er habe die Angewohnheit, viel zu reden, wenn er sich unsicher fühlte. Obwohl dieser kleine Tick für alle Welt sichtbar, absolut harmlos und (meiner Meinung nach) einfach entzückend war, fühlte Nick sich auf eine Art gesehen, die ihm nicht gefiel. 

Es hat eine große Macht, so flüchtige Dinge in präzise Worte zu kleiden. Etwas Diffuses erhält dadurch eine Form. Selbst wenn etwas wahr und ungeheim ist, selbst wenn es das denkbar unschuldigste kleine Detail ist, macht es einen Unterschied, wenn es schwarz auf weiß in konkreten Worten gesagt wird. Es wird materialisiert.

Write what you know

Natürlich kann nicht jede einfach alles schreiben, was sie will. Die Persönlichkeitsrechte jeder Person sind geschützt. Man muss Namen und identifizierbare Details ändern, um die Personen unkenntlich zu machen. Erkennt sich jemand trotzdem wieder und belegt, dass auch Dritte das könnten, kann die Person gerichtlich dagegen vorgehen. Aber was man problemlos darstellen kann, ohne dass Dritte erkennen, um wen es geht, sind Gefühle, Charaktereigenschaften und Beziehungsdynamiken. Auch wenn man rechtlich auf der sicheren Seite ist, kann es sein, dass diese Dinge, innere Prozesse, durch die Menschen, die es betrifft, wiedererkannt werden, und ihnen das nicht gefällt.

Wenn man schreibt, schreibt man unvermeidlich über andere Leute. Nicht nur die Memoirist:innen tun das. Auch die Autor:innen, die strikt bei der Fiktion bleiben, werden selten bestreiten, das sie sich rechts und links bei realen Vorbildern bedienen. Wie könnte das auch anders sein. Man muss schreiben, was man weiß. Als Fiction-Autor:in ist man klar im Vorteil: Man kann ziemlich offen sein, wenn man so tut, als wäre alles nur erfunden. Dieser Trick ist beim Memoir außer Kraft gesetzt. Schreibt man Memoir, hat man einen Vertrag mit den Lesenden: Alles ist echt. Jede Figur hat ein reales Vorbild. Imaginäre Freunde zählen nicht.

Dabei sind die Figuren in Texten — autobiografisch oder nicht — natürlich niemals echt. Nichtmal die Person, von der man mit Abstand am meisten weiß—man selbst—ist echt. Man würde ja auch ein Gemälde von jemandem nicht mit der realen Person verwechseln. 

Fiktionalisierung bedeutet: Die Leute, die vorkommen (inklusive mir selbst), sind konstruierte Charaktere in meiner höchst subjektiven Geschichte. Sie sind eine zweidimensionale Version meines dreidimensionalen Bildes von jemandem. 

In meinem Buch kommen ein paar Menschen vor, mit denen ich eng zusammen gelebt habe. Meine Familie. Und meine Ex Freunde, die — so sehr ich sie auch verfremdet und verzerrt habe — sich selbst wiedererkennen können, sollte ihnen das Buch zufällig in die Hände fallen. Manchen habe ich gesagt, dass es erscheinen wird, manchen habe ich die entsprechenden Passagen gezeigt, anderen nicht.

Leute, über die ich geschrieben habe, und wie ich das gemacht habe: 

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Ja, ich will! (Si apre in una nuova finestra)

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