Zusammen für den Jazz: Sarah Chaksad
Komponistin, Saxofonistin, Dozentin und Festivalmacherin: Sarah Chaksad gestaltet die Jazzszene schon seit jungen Jahren in variierenden Funktionen mit. Nicht nur spielen in ihren Bands oft viele Frauen, etwa in ihrem Large Ensemble. Sie integriert außerdem auf besondere Art persische Einflüsse in ihre orchestral angelegten Jazzkompositionen.
Text und Fotos: Christina M. Bauer
Eine Frau fürs große Jazzformat: Bereits während ihrer Studien in Basel hat sich Komponistin Sarah Chaksad für größere Jazzbesetzungen begeistert und Musik für sie geschrieben. Noch vor dem Masterabschluss hatte sie mit dem Sarah Chaksad Orchestra eine entsprechende Formation, mit der sie dann über ein Jahrzehnt auf Tour ging. Sie arbeitete darüber hinaus immer wieder mit klassischen Orchestern. Das Timani Chamber Orchestra aus Oslo und das Sinfonieorchester ihrer langjährigen Wahlheimat Basel waren bisher dabei.
An Frauen als Vorbildern hat es ihr nicht gefehlt, selbst wenn sie mit Musikern wie etwa Domenic Landolf und Guillermo Klein studierte. Da ist Norwegerin Hildegunn Øiseth, für deren Trompeten- und Bukkehornspiel (Bukkehorn: Ziegenhorn) sie sich begeisterte und die sie schließlich in ihr neues Large Ensemble holte. Da ist Percussion-Koryphäe Marilyn Mazur, für die sie inzwischen mit ihrer Agentur Esteam Music Management die künstlerische Organisation übernommen hat. Bei der renommierten US-Komponistin und Jazzorchesterleiterin Maria Schneider besuchte sie vor einigen Jahren eine Master Class. Und schon bei ihrer Mutter, die selbst von Beruf sang und Klavier spielte, sah Chaksad in ganz jungen Jahren, dass Frauen auf der Musikbühne agieren können. Durch sie waren im Elternhaus in Wohlen unweit von Zürich Werke von Klassik bis Oper allgegenwärtig. Sie wechselten sich ab mit persischer Folklore. Dafür wiederum begeisterte sich der aus dem Iran stammende Vater, der zwar selbst Architekt war, aber als Hobby gern die traditionelle Trommel Tombak spielte.
Für Chaksad seit jeher klar: Die Jazz- und insgesamt die Musikbühne könnte mehr Frauen vertragen. Sie selbst tut etwas dafür, etwa im von ihr mit aufgebauten, vollständig weiblich besetzten International Female Musicians Collective. In ihrem neuen Large Ensemble hat sie etwas erreicht, das in der Form bis dato relativ selten ist: Parität. Sieben Frauen und sechs Männer aus aller Welt musizieren dort zusammen. Von ihnen sind einige näher am Jazz, andere an der Klassik. Die Konzerte funktionieren ohne Dirigat, mit nur gelegentlichen kleinen Hinweisen aus der Band heraus. So kann Chaksad für sich Saxofonparts integrieren und selbst mitspielen. Das Ganze hat wegen ihres vielfältigen Umfelds sogar ohne gezieltes Suchen nach Parität mehr oder weniger von selbst funktioniert, beschreibt sie: "Als es darum ging, die Band zusammenstellen, habe ich mir überlegt, mit wem ich gern Musik machen würde. Das hat sich dann so ergeben."
Foto 1: Sarah Chaksads erstes Konzert in München im Februar 2024 mit ihrem Large Ensemble: Julia Hülsmann, Catherine Delaunay, Fabian Willmann, Christoph Bösch, Fabio Gouvêa, Sarah Chaksad, Yumi Ito, Dominique Girod, Hildegunn Øiseth, Paco Andreo, Lukas Wyss (v.l.)
Foto 2: Eva Klesse am Schlagzeug und Sophia Nidecker an der Tuba (v.l.)
Sie ist im Februar mit dem Large Ensemble und ihrem Repertoire "Together" auf Tour und dabei erstmals für ein Konzert in München zu Gast. Bevor sie abends im Jazzclub Unterfahrt auf die Bühne geht, gibt sie in einem Interview Einblicke in ihr neuestes musikalisches Vorhaben. Julia Hülsmann und Eva Klesse mischen in der Band mit, zwei namhafte Musikerinnen der deutschen Szene. Norwegerin Hildegunn Øiseth spielt Trompete und Bukkehorn (Ziegenhorn), Catherine Delaunay aus Frankreich Klarinette und Bassetthorn. Aus der Schweiz hat Chaksad unter anderem die junge Sängerin Yumi Ito und Tubistin Sophia Nidecker mitgebracht. Kulturell und national vielgestaltig sind gleichermaßen die Wege der Männer im Ensemble, vom jungen deutschen Saxofonisten Fabian Willmann bis zum brasilianischen Gitarristen Fabio Gouvêa. "Das ist das Beste, was mir passieren konnte, der Aspekt der Vielfalt, weil ich fest daran glaube, dass das nur eine Bereicherung ist", resümiert die Komponistin.
Selbst wenn die jetzigen Wohnorte nicht immer ganz so weit auseinanderliegen wie die ursprünglichen Herkunftsländer, müssen sich die dreizehn Künstlerinnen und Künstler immer erst mal am selben Ort einfinden. "Das geht nur mit langer Vorplanung und dem Blockieren von Zeiträumen, aber dann ist das gut möglich", so Chaksad. Sie freut sich besonders, dass sie mit genau demselben Ensemble touren kann, mit dem sie ihr derzeitiges Repertoire im Studio eingespielt hat. Einzige Ausnahme: Der aus dem Iran stammende Musiker Misagh Joolaee, der die dort traditionelle Kamantsche spielt, ist nur auf dem Album bei einem Stück zu hören. Die Saxofonistin und er bauen ihre Kooperation voraussichtlich bald in einer weiteren Band aus. Davon abgesehen tritt der Künstler international oft etwa als Solist mit klassischen Orchestern auf.
Foto 3: Komponistin Sarah Chaksad spielt eines ihrer seltenen Soli
Foto 4: Solo am Ziegenhorn: Hildegunn Øiseth
Wenn es für Chaksads Large Ensemble wieder neue Stücke gibt, reicht dieser Besetzung nicht selten schon das erstmalige gemeinsame Proben beim Sound-Check vor dem nächsten Konzert. "Ich komponiere meistens von der Melodie ausgehend, oder kombiniert mit dem Bass", sagt sie über ihre detailliert ausgearbeiteten Kompositionen. Dass sie verschiedene ungerade Rhythmen haben, ist ein essentieller Teil des Einflusses der persischen Musikkultur. Und so mäandern grazile, lichtdurchflutete Melodielinien, gespielt meist von einzelnen Holzbläsern, Blechbläsern oder Stimme, inmitten eines dichten harmonischen Ensemblespiels und eines präzise abgestimmten, komplexen Rhytmusgeflechts. Momentan ist das Large Ensemble eine ihrer Hauptbands, und dass es Chaksad nach all den Jahren immer noch sehr zur großen Jazzbesetzung zieht, dem stimmt sie sofort zu: "Definitiv, ich finde das total spannend. Es hat verschiedene Aspekte. Bei dieser Besetzung finde ich ideal, dass ich die Balance habe zwischen dem Orchestrieren können, aber auch Raum schaffen, dass die verschiedenen Persönlichkeiten auch Raum einnehmen und die Komposition mitgestalten können. Gleichzeitig gefällt mir der soziale Aspekt von einem großen Ensemble sehr. Es geht wirklich um die Musik."
Der Name "Together" soll also Programm sein für das Ensemble, wurde allerdings gleichermaßen gewählt mit Blick auf die derzeitigen Herausforderungen und Konfliktthemen in nicht wenigen Ländern und Gesellschaften. Einen der Gedanken, der sie beschäftigt, fasst die Musikerin so in Worte: "Wir müssen unbedingt für unsere demokratischen Werte einstehen, mit denen steht und fällt die Möglichkeit, dass wir uns frei ausdrücken können als Künstlerinnen und Künstler." Dass Künstler immer politisch oder gesellschaftlich engagiert sein müssen, denkt sie nicht: "Ich glaube, es ist nicht für jeden gleich, und dass muss es auch nicht. Ich glaube, es ist eine ganz persönliche Entscheidung, in welcher Form man das will oder nicht." Chaksad sieht es als eine Möglichkeit, die sie auf ihre Art gern wahrnimmt.