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Was bewirken 800 Unterschriften für die „Hafenkante“?

Freitaler setzen sich für den Jugendtreff ein – doch dem Landkreis fehlt Geld und es droht ein Stadt-Land-Konflikt

Claudia Mihaly-Anastasio (re.) und Uwe Rumberg (li.) übergeben an Landrat Michael Geisler die Unterschriften.

In einer Mappe trägt die Freitaler Stadt- und Kreisrätin Claudia Mihaly-Anastasio (Konservative Mitte) die rund 800 Unterschriften hinauf in das Pirnaer Büro des Landrates. Seit Ende August hatte sie Unterstützer für eine Petition gegen die Schließung des Potschappler Jugendtreffs „Hafenkante“ (Si apre in una nuova finestra) gesammelt: im Internet (Si apre in una nuova finestra) wie in ihrem Friseurladen ganz in der Nähe des Jugendhauses. Der war von der Stadt gerade für 1,9 Millionen Euro frisch saniert worden – doch die Zuschüsse des Landkreises reichen angesichts steigender Kosten für Gehälter und Energie nicht mehr für den Betrieb.

Die Folgen spüre sie jetzt schon in Potschappel, sagt die Friseur-Meisterin. „Ich sehe es und höre es von meinen Kunden und vor meinem Laden“, sagt Claudia Mihaly-Anastasio. Vandalismus und Jugendliche, die durch die Straßen zögen und früher möglicherweise einen Ort im Jugendhaus gehabt hätten.

Was kann der Landkreis tun?

Bezahlt werden die Jugendhäuser vom Landkreis. Deshalb übergaben Claudia Mihaly-Anastasio und der Freitaler Oberbürgermeister Uwe Rumberg, ebenfalls Kreisrat und Mitglied der Konservativen Mitte, die rund 800 Unterschriften am Montagnachmittag an Landrat Michael Geisler (CDU). Der dämpfte die Erwartungen. „Ich werde dem Petitionsausschuss des Kreistages die Empfehlung geben, dass sich der Jugendhilfeausschuss dieser Angelegenheit noch einmal annimmt“, sagte der Landrat zu. Denn eben jener Jugendhilfeausschuss entscheidet am Ende über die Zuschüsse. Und hier liegt der eigentliche Konflikt.

1,9 Millionen teuer - und leer: Die “Hafenkante”.

Was ist der Stadt-Land-Konflikt?

Denn der Landrat und sein Jugendamt denken eigentlich ganz ähnlich wie die Freitaler. Und so hatten sie es auch auch dem alten Kreistag vorgeschlagen, als es um die Verteilung der Gelder für offene Jugendarbeit ging: „Wir wollten Freital und Pirna stärken zu Lasten des ländlichen Raumes“, sagt Michael Geisler. „Dazu hat es im Vorfeld über ein Jahr lang sehr viele Gespräche und Veranstaltungen gegeben – aber am Ende hat das der Jugendhilfeausschuss im Frühjahr mit relativ großer Mehrheit abgelehnt.“ SPD, Linke, aber auch die Vertreter der Träger der Jugendhilfe seien dagegen gewesen. Sie wollten, dass Städte und Dörfer im Landkreis gleich behandelt werden – heißt: Freital bekam nicht weniger, aber auch nicht mehr Geld für seine Jugendhäuser. Nur die Kosten stiegen.

Der Landrat macht aus seinem Frust über diese Lösung keinen Hehl. „Was mich besonders ärgert an dem ganzen Vorgang: Dass man über ein Jahr lang sehr intensiv diskutiert hat, unter anderem mit den Bürgermeistern – und in der entscheidenden Sitzung wird gesagt: Nein!“

Dieser Stadt-Land-Konflikt ist der Kern des Problems. „Auf dem Land hat man weniger solche Probleme wie in Potschappel“, sagt Freitals Oberbürgermeister und Kreisrat Uwe Rumberg. „Mehr Jugendliche hier brauchen eine andere und engmaschigere Betreuung als auf den Dörfern.“

Auch der SPD-Kreisrat Ralf Wätzig erkennt diesen Mehrbedarf in den Städten an. „Aber ich lehne es ab, die Stärkung der Jugendarbeit dort zulasten des ländlichen Raumes zu tun“, sagt das Mitglied im Jugendhilfe-Ausschuss des Kreistages. „Wir brauchen generell mehr Geld in der Jugendhilfe.“

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Gibt es mehr Geld?

Diese Hoffnung nimmt Landrat Michael Geisler sofort. „Es ist schon jetzt angekündigt, dass es im nächsten Haushalt des Freistaats zu weiteren Kürzungen kommen wird – und von ihm sind wir zum großen Teil abhängig“, sagt Michael Geisler. Einmal abgesehen davon, dass sich auf Landesebene überhaupt erst einmal eine Koalition zusammenfinden muss. Ohnehin erhöht sich das Defizit des Landkreises gerade dramatisch auf wahrscheinlich über 37 Millionen Euro in diesem Jahr (Si apre in una nuova finestra).

Eine pragmatische Idee schlägt der Kreisrat Ralf Wätzig vor: Rund 200 000 bis 250 000 Euro seien nach seinen Recherchen jedes Jahr im Haushalt für offene Kinder- und Jugendarbeit im Durchschnitt nicht abgerufen worden – die könne man kreativ für Projekte wie die Freitaler „Hafenkante“ einsetzen, meint der SPD-Politiker.


Was brauchen die Jugendlichen?

Eine andere Frage ist: Müssen mehr Geld und ein Jugendhaus immer zwangsläufig die Lösung sein? „Wir unterstützen natürlich alle Bemühungen, Angebote und Anlaufstellen mit sozialpädagogischen Ansprechpartner*Innen wie die Hafenkante für Jugendliche in der Stadt zu erhalten“, sagt etwa Ines Ackermann, die Projektleiterin des Koordinationsbüros für Soziale Arbeit in Freital. „Wir finden es darüber hinaus immer auch wichtig, darauf zu schauen, was die Jugendlichen in der Stadt und vor Ort brauchen.“ Eine Analyse im Gespräch mit den jungen Menschen, um die es eigentlich gehen sollte, könnte ein wichtiger erster Schritt sein. Möglicherweise stellt sich dann heraus, dass etwa mobile Angebote viel mehr gefragt wären.

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Der Umgang mit ihrem Jugendtreff könne unter jungen Freitalerinnen und Freitalern Unzufriedenheit schüren, befürchtet die Stadt- und Kreisrätin Claudia Mihaly-Anastasio: „Wenn wir sie damit nicht abholen, haben wir ein richtiges Problem bei den Wahlen in fünf Jahren.“ Landrat Michael Geisler sieht es ähnlich: „Wir arbeiten jetzt an den nächsten Wahlergebnissen – das sollten wir immer im Hinterkopf haben.“


Was tut jetzt die Politik?

Im Kreistag und Jugendhilfeausschuss haben AfD, CDU, BSW und Freie Wähler die meisten Stimmen – auf sie kommt es an. „Für uns gibt es keine Brandmauer“, sagt Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg. Seine Konservative Mitte hat keinen Sitz im Jugendhilfeausschuss erhalten, weil sie nicht in Fraktionsstärke in den Kreistag gewählt worden war. „Wir werden mit allen reden, wenn es der Sache dient.“

Andreas Roth

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Argomento Soziales

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