Bilden sich Jugendbanden in Freital?
Nach der Schließung des Jugendtreffs „Hafenkante“ befürchten Politiker mehr Kriminalität – Polizei und Sozialarbeiter sehen es weniger dramatisch
Bandenbildung auf Potschappels Bänken? Die Sorge ist da.
Die Schließung des frisch sanierten Potschappeler Jugendhauses „Hafenkante“ wegen zu geringer Zuschüsse durch den Kreis bewegt viele Freitaler (Si apre in una nuova finestra). Auch im Rathaus und in der Stadtpolitik gibt es Befürchtungen über die Auswirkungen dieses Schrittes. „Die Situation hat sich spürbar verschärft, wir sprechen über erste Bandenbildungen im Jugendbereich“, sagte im Stadtrat etwa Claudia Mihaly-Anastasio von der Konservativen Mitte und verwies auf eigene Beobachtungen im Umfeld ihres Potschappeler Geschäftes. Auch im Rathaus ist die Sorge vor „Bandenbildungen“ unter Jugendlichen zu hören. Was ist da dran? Freital-Reporter hat nachgefragt.
Was sagt die Polizei?
„In der jüngeren Vergangenheit ist kein signifikanter Anstieg von Jugendkriminalität im Bereich Freital festzustellen“, antwortet der Sprecher der Polizeidirektion Dresden, Marko Laske, auf Anfrage von Freital-Reporter. „Eine „Bandenbildung“ ist ebenfalls nicht gegenwärtig.“
Aus Sicht von Lesern ist besonders der Busbahnhof Deuben ein Treffpunkt junger Menschen, an dem auch Drogen verkauft und konsumiert werden. „Ein verstärkter Verkauf ist seitens der Polizei aktuell nicht festzustellen“, sagt Polizeisprecher Marko Laske dazu. „Gleichwohl führt sowohl die Polizei als auch der Gemeindliche Vollzugsdienst fortlaufend Streifen durch.“
Was sagen Sozialarbeiter?
Angebote wie die „Hafenkante“ mit Ansprechpartnern, Unterstützern und Mutmachern seien gut für Jugendliche, meint Michael Bula vom Koordinationsbüro für Soziale Arbeit Freital. Aber auch ein Jugendhaus ist kein Allheilmittel und nicht für alle junge Menschen gleich wichtig und hilfreich.
„Neben Angeboten in Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit gibt es einerseits viele andere Möglichkeiten der Begleitung und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen von Sport- und Freizeitangeboten in Vereinen, Arbeitsgemeinschaften, Einbindung in bürgerschaftliches Engagement - da liegt eventuell ein großes Potential“, sagt der Freitaler Sozialarbeiter. „Andererseits brauchen Jugendliche auch erwachsenenfreie Gestaltungsräume, Plätze zum Treffen.“
Dass sich junge Menschen an Haltestellen, Bänken und in Parks treffen, mitunter laut und anders sind – das alles ist auch: normal. Deshalb könnten neben stationären Angeboten wie einem Jugendhaus auch mobile Angebote wie Streetworker wichtig sein, die es in Freital bisher nicht gibt. „Mobile Sozialarbeit hat den Vorteil, sich als Angebot zu den Jungen Menschen bewegen zu können, in die Lebenswelten einzutauchen, Orte aufzusuchen und dort durch regelmäßige Präsenz Vertrauen zu schaffen“, sagt Michael Bula.
„Vor allem bei der Kontaktgestaltung zu Jugendlichen, die in den festen Angebotsformen sozialer Arbeit nicht ankommen. Das kann sein, weil sie die Räume und Regeln nicht akzeptieren (können), in diesen Angeboten eventuell von anderen keine Akzeptanz finden oder diese Angebote nicht ihrem Bedarf entsprechen. Diese Jugendlichen suchen sich andere Treffpunkte und soziale Bezugsgruppen, die von Erwachsenen oft als problematisch wahrgenommen werden.“ Für sie könnten Streetworker Hilfen anbieten und Brücken in andere Angebote und Unterstützungen aufzeigen, so der Mitarbeiter des Koordinationsbüros für Soziale Arbeit Freital – doch nicht als Alternative zu einem Jugendhaus, sondern als Ergänzung.
Besteht noch Hoffnung für die „Hafenkante“?
Rund 800 Freitaler haben sich in einer Unterschriftensammlung der Stadt- und Kreisrätin Claudia Mihaly-Anastasio (Si apre in una nuova finestra) im September beim Landkreis für mehr Zuschüsse zum Erhalt des Jugendhauses eingesetzt. Nun erhielt der Jugendhilfeausschuss des Kreises die Petition auf den Tisch – doch er folgte ihr nicht. Denn mehr Geld für den Freitaler Jugendtreff hätte weniger Geld für die Jugendarbeit in den ländlichen Regionen des Kreises bedeutet. Das ist der Grundkonflikt, der bereits im Februar zum Streit zwischen Jugendhilfeausschuss und Kreisverwaltung geführt hatte.
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„Die Beschlussvorlage sah eine Umverteilung zu Lasten des ländlichen Raumes und anderer Angebote der Jugendhilfe vor“, sagt der SPD-Kreisrat Ralf Wätzig zur Begründung. „Das ist - zudem zu diesem Zeitpunkt - weder gerecht noch verhältnismäßig. Eine Rolle rückwärts und eine erneute Beschlussfassung der Vorlage aus dem Februar 2024 jetzt im November 2024 für 2025 hätte für einige andere Träger weitere inhaltliche, personelle, vielleicht sogar arbeitsrechtliche Folgen gehabt.“
Auch der SPD-Politiker sieht den Bedarf für mehr Jugendarbeit in den Städten Freital und Pirna – aber eben auch auf dem Land. Ob und wie der Landkreis mehr Geld für beide Ziele aufbringen wird, wie derzeit zumindest für 2026 diskutiert wird, das ist offen. So wie auch die Zukunft der „Hafenkante“.
Andreas Roth
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