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Freitals schwarzes Erbe

Der Bergbau- und Hüttenverein bewahrt die mitunter verschütteten Wurzeln der Stadt – und zeigt zum 25. Geburtstag auch ein Stück Weltgeschichte

Wieland Büttner und der Torflügel des Unglücksschachtes.

Wenn sich dieses Stahlgitter schloss, fuhren die Bergleute hinab. Für 276 von ihnen wurde es die letzte Schicht. Daran muss Wieland Büttner denken, wenn er den Torflügel des Fördergestells im früheren Segen-Gottes-Schacht berührt. Am 2. August 1869 ereignete sich hier das größte Unglück im sächsischen Bergbau. Der stählerne Torflügel kann davon erzählen.

In der Jubiläumsausstellung des Freitaler Bergbau- und Hüttenvereins „MeilenStein Steinkohle“ im Potschappeler „Einnehmerhaus“ ist er ab dem 26. Oktober erstmalig öffentlich zu sehen. Und noch viel mehr, was von den kohlschwarzen Wurzeln der Stadt an der Weißeritz berichtet. Manchmal ist es Weltgeschichte.

Ein Beleg dafür liegt lang und eisern vor dem Vereinsvorsitzenden auf dem Boden. „Die Original-Schiene von Dorothea“, erklärt Büttner. Wobei Dorothea die erste elektrische Lokomotive der Welt im Normalbetrieb ist, gebaut 1882 von Werner von Siemens für den Oppelschacht in Zauckerode. Gefunden hat die Schiene ein Vereinsmitglied, verbaut in einem Freitaler Garten, erzählt Wieland Büttner.

Die erste E-Lok der Welt fuhr regelmäßig im Oppelschacht.

So ist es mit Freitals Bergbaugeschichte überhaupt, und auch mit dem Bergbauverein: Es ist eine Geschichte von verschütteten und wiedergefundenen Wurzeln. Alles begann vor einem Vierteljahrhundert mit einer Beobachtung. Damals fanden Bergparaden in der Stadt unterm Windberg statt – doch die Bergleute dafür kamen aus dem Erzgebirge oder dem nahen Dorfhain, nicht aus Freital.

„Dabei hat der Bergbau anders als im Erzgebirge hier erst 1989 geendet“, sagt Wieland Büttner. Im Wismut-Betrieb Willi Agatz waren gut 3000 Menschen beschäftigt. „Aber Freital ist ein zusammengewürfelter Haufen. Es fehlt eine Identität und damit fehlt überwiegend auch ein Bewusstsein für die fantastische Geschichte des Bergbaus hier.“

Lilienthals Erfindung

Damals vor 25 Jahren wollten sich der ehemalige Bergmann Reinhard Berndt, zu Wismut-Zeiten auf dem Bannewitzer Marienschacht tätig, und der Freitaler Marko Rost nicht damit abfinden. Sie wollten die Spuren des Bergbaus vor dem Verschwinden bewahren. Und gingen mit ihrer Idee auch zum Potschappeler Buchhändler Büttner. „Ich hatte keine Ahnung vom Bergbau“, erinnert der sich.

Da war in seiner Kindheit nur sein Großvater gewesen, der auf der Wehrstraße einen Lebensmittelladen betrieb. „Ich habe meinen Opa immer gefragt: Warum hat die Wehrstraße so viele Löcher? Die kommen von dem vielen Bergbau in Freital, antwortete er.“ Das stimmte nicht, weiß Wieland Büttner heute, denn unter der Wehrstraße gab es keinen Schacht.

Und es stimmte doch, weil Freital wirklich ohne Kohle kaum denkbar ist. Büttner sagt es so: „Der Bergbau gehört zu Freital wie die Blume auf das Bier“.

Paradehut der Zauckeroder Knappen.

Alles begann mit einem Hirtenjungen, der – 1542 schrieb man es erstmals auf – in der Kälte entzündliche Steine zu einem Feuer geschichtet haben soll. So fand man die Freitaler Kohle. Schlegel und Eisen aus dem einfachen, ersten Bergbau auf den Feldern rings um Potschappel und Döhlen erzählen in der Ausstellung davon. Im 19. Jahrhundert kamen die Dampfmaschinen ins Tal der Weißeritz, die Eisenbahn, und es kam Otto Lilienthal.

Der entwickelte 1876 für das Zauckeroder Steinkohlenwerk eine Maschine zum Aufschlitzen der Kohleflöze, eine Schrämm-Maschine. Sie wurde zum Erfolg. Wieland Büttner zeigt in der Ausstellung eine Kopie von Lilienthals Patentschrift. Das Geld aus dieser Erfindung legte einen Grundstein für den Aufbau einer eigenen Maschinenfabrik und seine späteren Flugversuche – am Ende damit irgendwie auch: zur Entwicklung des Flugzeugs. Dass Otto Lilienthal in Döhlen eine Bergmannstochter heiratete, auch das gehört als verspielter Seitenzweig zur Freitaler Kohlengeschichte.

Weltgeschichte unterm Windberg

Im Grunde aber war sie schwarz und rußig. So wie die Gesichter der Bergleute auf den alten Fotografien in der Ausstellung im „Einnehmerhaus“. Gezeichnet von harter Arbeit, unter und über Tage. Schornsteine und nicht Kirchtürme waren die Wahrzeichen der 1921 gegründeten Bergbaustadt Freital. Und Fördertürme.

Der Bergbau- und Hüttenverein rettete die letzten zwei von ihnen. Einst standen sie über Wismut-Schächten kurz hinter Freitals Stadtgrenze in Dresden-Gittersee. Ein Helm aus den 1950er Jahren und ein Radiometer erinnern in der Ausstellung an die Suche nach Uran für die sowjetischen Atombomben, das letzte Kapitel des Freitaler Bergbaus. Und auch das Teil von Weltgeschichte. Die stählernen Fördertürme wurden verschrottet. Dass zwei von ihnen seit gut 20 Jahren am Oppelschacht und in Burgk an diese große Geschichte erinnern, ist auch dem Bergbau- und Hüttenverein zu verdanken.

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Auch der Verein ging durch manche Höhen und Tiefen in den 25 Jahren seines Bestehens. Erst angewachsen, später in Krisen auf ein aufrechtes Häuflein von vier Mann geschmolzen, jetzt mit elf Mitgliedern. Der Älteste ist 83 Jahre alt, ein einziger früherer Bergmann ist noch unter ihnen. Der Jüngste ist 19 – und hat gerade begonnen, in Freiberg Bergbau zu studieren. Die Jahrhunderte alte Kette der Freitaler Bergleute ist noch lange nicht zu Ende.

Wieland Büttner zeigt die Schiene der ersten E-Lok im Oppelschacht.

Ehrenamt untertage

Aber ja, wenn die Mitglieder des Bergbau- und Hüttenvereins bei Bergparaden und Umzügen im Habit mit schwarzem Kittel, in schwarzen Hosen und mit den goldbekrönten Paradehüten der Königlichen Steinkohlewerke durch die Straßen ziehen oder im Advent in Pesterwitz die Mettenschicht feiern – dann ist es das Feiern einer Vergangenheit.

Sie holen diese Vergangenheit ans Tageslicht, so wie das Sandsteinportal der Rösche des Augustusschachtes, das einst tief unter der Erde im Gitterseer Revier stand. Einen ganzen Lehrpfad hat der Verein zu den Zeugen des Freitaler Bergbaus eingerichtet. Und pflegt sie mit vielen Arbeitseinsätzen.

Die Rösche des Segen-Gottes-Schachtes im Poisental betreuen die Vereinsmitglieder schon seit Jahren. Haben ihn ausgebaut, zuletzt erst mit neuen Lampen ausgestattet – und die nächste Aufgabe wartet bereits: Im kommenden Jahr sollen es neue Gitterböden Besuchern erlauben, 50 Meter tief in den Stollen hineinzugehen. Ein kleines Stück Freitaler Bergbau lässt sich so hautnah erleben. Noch muss das Oberbergamt zustimmen, doch Vereinsvorsitzender Büttner ist da guter Dinge.

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Donnerstags und sonnabends von 10 bis 17 Uhr sowie freitags und sonntags von 14 bis 17 Uhr lädt die Jubiläumsausstellung im Potschappeler „Einnehmerhaus“ bis zum 14. Dezember zur Reise zu den bergbaulichen Wurzeln Freitals ein. Der Eintritt ist frei. Ein dreiviertel Jahr ehrenamtliche Arbeit steckt in ihr.

„Wir erhoffen uns von der Ausstellung, dass sich die Freitaler dieser großartigen Geschichte bewusst werden“, sagt Wieland Büttner. „Freital ist nicht nur eine graue Maus.“ Die Stadt ist auf schwarze Kohle gebaut.

Und die kann auch glänzen.

Andreas Roth

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Argomento Kultur

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