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Sommerzimmer

Miranda Julys Roman „Auf allen Vieren“ (Si apre in una nuova finestra) erzählt von einer Künstlerin Mitte 40, die in Los Angeles mit dem Musikproduzenten Harris verheiratet ist, zusammen haben sie ein Kind. Auf einer Party werden sie in ein Gespräch mit einem anderen Pärchen verwickelt, und Harris legt seine Theorie von Einparkern und Fahrern dar.

Die Einparker sehnen sich nach dem Applaus für eine einmal vollbrachte Leistung wie das Einscheren in eine schwierige Parklücke. Die Fahrer hingegen genießen die Reise selbst und leben im Moment. Diese Diskussion bringt die Ich-Erzählerin des Romans dazu, ihre Pläne zu ändern:

Warum nach New York fliegen, wenn ich genauso gut fahren und endlich die ruhige geerdete Frau werden konnte, die ich schon immer sein wollte? Das könnte der Wendepunkt meines Lebens werden.

Sie kommt geografisch nicht weit. Ihr erster Stopp führt sie nach der Begegnung mit einem jungen Mann an einer Tankstelle nach Moravia, eine halbe Stunde Fahrtzeit von Los Angeles entfernt. Dort mietet sie ein günstiges Motelzimmer und verschiebt die Weiterreise auf unbestimmte Zeit.

Sie spaziert durch die Straßen und kauft sich eine Tagesdecke in der Farbe von lachsrosa. Ausgebreitet auf dem Bett, wird die Schäbigkeit der temporären Unterkunft überdeutlich. Sie heuert daraufhin eine Raumausstatterin an und gestaltet das Hotelzimmer um.

Was ist vernünftig?

Ich gerate während des Lesens zunächst unter Druck. Vielleicht ist die Vergänglichkeit allen Dingen eingeschrieben - wie bei einer Performance oder Food Art, wie gewonnen, so zerronnen. Aber da die Renovierung des Zimmers 20 000 Euro kostet, möchte ich der Erzählerin zurufen, zur Vernunft zu kommen und ihr Tun zu überdenken.

Dann begreife ich, dass es darum geht, der Schönheit zu folgen.

Die Protagonistin tut etwas für sich. Sie richtet sich einen Raum ein, so, wie Virginia Woolf in A Room of One's Own (1929) Frauen empfiehlt. Frauen wurde bis ins 19. Jahrhundert fast keine Privatsphäre zugedacht aufgrund ihres Aufgabenbereichs im Haus. Kein Wunder, dass Virginia Woolfs Zimmer für sich bis heute zu den wichtigsten Texten der Frauenbewegung gehört.

Freiheit, Pläne umzuwerfen

In Miranda Julys Roman richtet sich die Erzählerin nicht nur ein Zimmer ein. Sie nimmt sich auch die Freiheit, ihre Pläne umzuwerfen und das zu tun, was sie möchte.

Gute Idee!

Als ich das Buch zu lesen beginne, sind wir in der Normandie. In Granville an der Grenze zur Bretagne haben wir Diors Garten (Si apre in una nuova finestra) entdeckt. In der Mitte des kleinen Parks erhebt sich eine Villa in der Farbe von Tütü. Das Gras ist kurz, der Gärtner dreht auf dem Rasenmäher seine Runde, es duftet nach Rosen, Hortensien und den Elfenblumen am Pool. Treppenstufen führen die Steilklippe zum Meer hinab.

Ich lehne mich an eine Pappel und denke daran, dass Christian Dior nur 52 Jahre alt wurde. Sieben Jahre älter als die Künstlerin aus Miranda Julys Roman, die gerade eine Midlife crisis durchlebt. Wie lang oder kurz ist das Leben, und wie oft kann man das machen, was man möchte?

Sommergefühle wie in Kindheit

Unsere Weiterreise ist für den nächsten Tag geplant, aber ich möchte nicht weg. Ich bin im lang herbei ersehnten Zimmer des Sommers gelandet. Dem Raum, in dem man einfach nur abhängt und Zeit verbringt. Minuten und Stunden dehnen sich, bald weiß ich nicht mehr genau, welcher Wochentag ist. Ein Sommergefühl wie in der Kindheit, auf das ich schon lange gewartet habe.

Wie oft lassen sich Pläne ändern - vielleicht sogar leichter, als es auf den ersten Blick erscheint? Wann sind gesellschaftliche Konventionen sinnvoll, und wann dürfen wir sie über Bord werfen? Alles das geht mir in Diors Durftgarten durch den Kopf.

Und so möchte ich noch länger im Zimmer des Sommers verweilen.

Wie ist es bei dir?

Und damit herzliche Sommergrüße.

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