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Kann man Parkinson davonlaufen?

Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: über einen Parkinson-Patienten, dem Gehen das Leben gerettet hat.

Huch! Da ist was schief gelaufen! Noch während ich an dieser Ausgabe geschrieben habe, wurde der Newsletter verschickt. In der ersten Mal hast du deshalb ein Wirrwarr an Notizen aus alten Ausgaben bekommen. Ich bitte um Entschuldigung! Danke an alle aufmerksamen Leser:innen, die mich direkt drauf hingewiesen haben! Hier kommt die richtige Ausgabe:

Falls du diesen Newsletter gerade im Sitzen liest: Steh mal kurz auf und geh zwei, drei Meter.

Nicht sonderlich spektakulär, oder?

Du stehst jeden Tag so oft auf und gehst irgendwo hin, dass du kaum einen bewussten Gedanken an die Tätigkeit an sich verschwendest.

Ich habe noch eine zweite Bitte: Stehe nochmal auf, gehe nochmal ein paar Meter, aber achte dabei auf jede kleine, einzelne Bewegung, die du machst – das Anheben des Beines, das Anwinkeln des Knies, das nach vorne Schwingen, das langsam Absetzen des Fußes, des Abstoßens vom Boden, das Einknickend es anderen Beines, das Mitschwingen der Arme.

Hier wird es merkwürdig.

Wir sind es nicht gewohnt, über komplett unbewusste Abläufe nachzudenken. Warum sollten wir auch?

Dass Bewegungen wie Gehen, Hinsetzen, eine Tasse halten, einen Löffel zum Mund führen oder – für Basketballer:innen – einen Ball werfen automatisch ablaufen, ist nur logisch. Je automatischer Bewegungen ablaufen, desto weniger Energie brauchen wir, um sie durchzuführen. Und unser Gehirn liebt es, Energie zu sparen.

Aber was, wenn diese Automatisierung nicht mehr funktioniert? Was, wenn die einfachsten, alltäglichsten Bewegungen plötzlich zur Herausforderung werden? Vor zwei Wochen habe ich schon beschrieben, was im Gehirn passiert, wenn man Parkinson hat (Si apre in una nuova finestra). Heute geht es um einen sturen Patienten, der nicht hinnehmen wollte, dass er sich immer weniger bewegen konnte. Er ist die meisten Symptome losgeworden, indem er sich die Funktionsweise des Gehirns zunutze gemacht hat.

„Je mehr ich mich bewege, desto langsamer übernimmt Parkinson mein Leben“

Der Patient, um den es geht, heißt John Pepper. Ich habe ihn vor zwei Wochen schon erwähnt. Als er Jahre alt war, bemerkt er etwas Komisches: Wenn er versuchte, einen Ball zu werfen, war er nicht in der Lage, im richtigen Moment loszulassen. Der Ball landete mal direkt vor ihm auf dem Boden, mal segelte er über das eigentliche Ziel hinaus. Er ignorierte diese Symtome zunächst.

Mitte der 1970er Jahre, als er etwa vierzig Jahre alt war, war er gelegentlich nicht mehr in der Lage, seine Füße zu bewegen, nachdem er eine Zeit lang stillgestanden hatte und er hatte Schwierigkeiten beim Gehen auf unebenem Untergrund. Er konnte sich nicht mehr räuspern und verschluckte sich ständig beim Essen. Und er bekam Depressionen.

Seine Ärzte bescheinigten ihm Parkinson. Aber: John Pepper war überzeugt, dass sie einen Fehler gemacht hatten. Es folgten zwei Jahre, in denen er die Krankheit erst leugnete und dann in Trauer versank. Er verbrachte einen Großteil der zwei Jahre in einem Stuhl, dachte nach, las, hörte Musik und bemitleidete sich selbst (sagt er).

Dann raffte er sich auf. Im Buch „The Brain´s Way of Healing“ zitiert der Autor Norman Doidge ihn:

„Ich beschloss, alles zu tun, was das unvermeidliche Fortschreiten der Parkinson-Krankheit aufhalten könnte. Da es sich bei Morbus Parkinson um eine Bewegungsstörung handelt, nahm ich an, je mehr ich mich bewege, desto langsamer würde Morbus Parkinson mein Leben übernehmen.“

Wenn dir verboten wird, schneller oder weiter zu gehen

Als Pepper 36 Jahre alt war, wurde er an der Bandscheibe operiert. Anschließend begann er zum ersten Mal in seinem Leben richtig zu trainieren. Als bei ihm Parkinson diagnostiziert wurde, ging er eigentlich an sechs Tagen die Woche für jeweils 90 Minuten spazieren oder aufs Laufband, auf den Stepper oder aufs Fahrrad. Doch in den Tagen vor seiner Diagnose versagten all diese Übungen. Er bemerkte, dass er pro Training etwa 20 Prozent weniger leistete als in den sechs Monaten zuvor. Er hob weniger und konnte nicht verstehen, warum.

1994 wurde Pepper immer schwächer und schloss sich dem Projekt „Run/Walk for Life“ an, eine Organisation, bei der die Läufer:innen ganz langsam anfangen müssen (um Verletzungen zu vermeiden) und ihnen verboten wird, schneller oder weiter zu gehen oder zu laufen, als es der Plan vorsieht. Am Ende jeder zweiten Woche wurde die Distanz um einen Kilometer erhöht, wenn der Teilnehmer dazu bereit war. Das Ziel war es, acht Kilometer pro Sitzung zu erreichen.

Zum ersten Mal ging es mit seinen Bewegungen bergauf

Kaum hatte Pepper mit dem Programm begonnen, war er frustriert, dass er nur zehn Minuten laufen durfte. Also ließ ihn der Ausbilder 20 Minuten laufen, aber nicht mehr. Er durfte nie eine Stufe auslassen oder eine Übung überspringen. Er musste mindestens zwei Wochen lang eine bestimmte Strecke laufen bevor sie ihm erlaubten, einen Kilometer mehr zu laufen.

Zu seiner Überraschung begann er, seine Zeiten deutlich zu verbessern.

Dies war der Wendepunkt – das erste Mal in den Jahren des Niedergangs, dass seine Bewegungsfähigkeit sich verbesserte und nicht noch schlechter wurde. Da die Veränderungen so allmählich eintraten, wurde Pepper erst im bewusst, dass sich seine Parkinsonsymptome entweder verbesserten oder verschwunden waren.

Wie hatte er das geschafft?

Gehen ist ein bewusstes Fallen nach vorn

Irgendwann erkannte Pepper, dass Gehen eine Art kontrollierter Fall nach vorne ist. Unsere Füße stützen uns erst auf der einen Seite ab und dann auf der anderen. Statt diesen Prozess ganz automatisch ablaufen zu lassen – wie ich und vermutlich auch du es tun – machte er sich jede kleinste Bewegung des ganzen Ablaufes beim Gehen bewusst. Er brauchte drei Monate, um seinen linken Fuß dazu zu bringen, sein volles Körpergewicht zu tragen. Er spürte, wie er sein hinteres linkes Bein anhebt, sein Knie beugt, dass das Bein nach vorne schwingt, dass der Fuß lang genug belastet wird, dass er Boden mit dem geraden rechten Fuß verlässt und wie er die rechte Ferse aufsetzt, während er den gegenüberliegenden Arm schwingt. Diese Aufmerksamkeit erforderte eine extrem fokussierte, fast meditative Konzentration, wie wenn ein Kind zum ersten Mal laufen lernt.

Es dauerte ein Jahr der Übung, bis er all diese Veränderungen verinnerlicht hatte. Sein Gang normalisierte sich -–solange er aufmerksam war und sich auf jede Aktion konzentrierte. Aber was steckt dahinter? Die Antwort liegt – natürlich – im Gehirn und hat zu tun mit den Basalganglien.

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