Zu Sabine Harks "Die Gemeinschaft der Ungewählten"
Es geht um die Sorge um sich, um Andere und um die Welt - eine geteilte Welt, in der wir, apriori miteinander verbunden und aufeinander angewiesen, nur unter Einbeziehung aller politisch und gesellschaftlich wirken können. So lässt sich, grob zusammengefasst, die Kernaussage von Sabine Harks "Die Gemeinschaft der Ungewählten" pointieren. Ein Entwurf, der die Grundlagen eines besseren Zusammenlebens erkundet, dabei auf politische Konkretion verzichtet - und gerade deshalb begrifflich Wege geht, die Räume für ein Um-Denken des Sozialen schafft. Das Buch formuliert keine Parlamentsreform, schlägt keine Gesetze vor und lässt auch die Frage nach Institutionen für eine bessere Funktionsweise der Öffentlichkeit offen. Es verbleibt im Grundsätzlichen.
Dabei ist “Die Gemeinschaft der Ungewählten” ein großer Wurf. Ein wichtiger, ein anregender, einer, der zwar allseits Diskutiertes aufgreift, dem es jedoch gelingt, dabei allzu abgestandene Begrifflichkeiten gerade linker und liberaler Traditionsbestände kreativ zu umschiffen.
"Die Gemeinschaft der Ungewählten"[1] (Si apre in una nuova finestra) behandelt in 5 Abschnitten - vorangestellt ein Prolog, abschließend ein Ausblick, der im Paradigma von Hannah Arendts Denken der "Menschheit überhaupt" verortet ist -
die Fragen nach dem Wirklichen
den Aufgaben von Kritik
dem Blick auf die "Ungewählten", jenen, die sich ihren Platz in der Gemeinschaft immer erst erobern müssen, somit auch danach, was denn "Gemeinschaft" überhaupt meint
final Praxen und Haltungen der Sorge.
"Sorge" ist dabei dem Kontext dessen entlehnt, was auch "Care-Arbeit" genannt wird. Jene "Fürsorge", im Deutschen ein kontaminierter Begriff, die Carol Gilligan in den späten 80ern gegen Lawrence Kohlbergs abstrakten Prinzipien der Moralentwicklung anführte: ein tätiges Für-Andere-Sein, das zumeist an Frauen delegiert wird, wenn es um Kinder, Wäsche waschen und Alte pflegen geht.
Es weist somit auch alle Formen dessen zurück, was als "rohe Bürgerlichkeit" auf Empathie verzichtet, monadisch und selbstbezogen abwertet, bekämpft und nur herrschen will. Hark führt gegen diese Ideen "zärtlicher Bürgerlichkeit" ins Feld. Sie formuliert einen Feminismus, der sich nicht auf ein lediglich Partikulares innerhalb eines weiteren Universalismus reduzieren lässt, sondern gegen die oft allzu klaren und rationalen Gerüste einen universellen Anspruch erhebt.
Das Programm: "Anstiften zum Verlernen von Dominanzkultur" (S. 14).
Die Frage: wer darf sich unter aktuellen Bedingungen als Teil eines "Wir" begreifen, ohne deportiert, ausgesetzt, ausgegrenzt zu werden?
Ziel ist ein "Ethos der Kohabitation" (S. 16), eine Art globaler Wohngemeinschaft. Wie begreifen wir - 1. Person Plural - die Welt als unsere Behausung, in der nur Kooperation unser Überleben sichert, indem wir uns um uns, Andere und die Welt kümmern, statt Gruppen zu definieren, die nicht dazu gehören und bekämpft werden müssen? Somit:
"Eine Lebensweise, die auf der Sorge um uns selbst, um andere und um die Welt gründet und die ihre Richtschnur in der letztlich schlichten Einsicht gefunden hat, dass Menschen im Plural die Erde bewohnen, weshalb ausnahmslos allen das gleiche Recht zukommt, in der Welt gedeihen zu können." (S.16)
Der Kantische Ansatz von Rechten, die allen gleichermaßen zukommen, wird so, anders als bei Habermas und anderen Theoretikern politischer Gerechtigkeit, nicht aus der Vernunft (Kant), der Kommunikation zugrunde liegenden Präsuppositionen und Regelwerken (Habermas) oder aus Gedankenexperimenten rund um Schleier des Unwissens (Rawls) hergeleitet, sondern aus realer, pluraler Koexistenz im selben ökologischen Gesamtzusammenhang "Welt". Handlungen, Haltungen und Bezüge zu Anderen gründen in Interdependenzen, denen sowieso niemand ausweichen kann.
Der von Sabine Hark vorgeschlagene Weg: eine demokratische, machtsensible Lebensweise.
Hier Ethos, nicht Mechanismen der politischen Partizipation, Sozialintegration durch Arbeit oder Sich-Organisieren in Gewerkschaften in den Mittelpunkt zu rücken, verweist auf ein heideggersches Erbe. Das "Existential" der "Sorge" hat dieser, unter impliziten Bezug auf antike Philosophen, in "Sein und Zeit" ausgearbeitet - Sorge als Sein des Daseins. Das "Dasein" entspricht bei ihm dem Subjekt oder Individuum der Tradition, “Sein” im Sinne Heideggers nicht den Objekten um uns herum, sondern den Vollzug des "je eigenen" Lebens", entfaltet in der Zeit inmitten von Dingen für uns, "Zuhandenem".
Den reinen Selbstbezug transformiert Hark in die Arbeit an sich selbst im Bezug auf individuelle Andere, die, in sozialen Strukturen immer schon vernetzt. Wobei das Dasein eben in “Die Gemeinschaft der Ungewählten” nicht in Entschlossenheit zur Eigentlichkeit drängt wie bei Heidegger, sondern all das integriert in eigene Haltungen, was uns umgibt und was wir mit Anderen bewohnen jenseits eines blinden Kollektivismus: die Welt.
Eine sich öffnende Variante des In-der-Welt-Seins wird gefordert, die dadurch, dass sie das Trennende, Ausgrenzende und Entrechtende identifiziert und auflöst, zu neuen Formen des Zusammenlebens gelangt und dabei Affektives ausdrücklich einbezieht. Eine "moralische Ökonomie der Affekte" (S. 20) hat sich Mechanismen von Dominanz und Macht zu entziehen, um sich so der Menschheit, dem globalen Wir, zuzuwenden.
Hierzu bedarf es des Dreiklangs von Wechselseitigkeit, Verantwortung und Rechtfertigung, der Kriterien folgt, es allen gleichermaßen zu ermöglichen, ein Leben frei von Zwang und Gewalt mit Anderen zu leben (S. 38). Wir sind ohne deren Zustimmung in die geteilte Welt getreten - alle. Zunächst hat niemand uns ausgewählt, dazu zu gehören - außer im besten Fall der engste Familienverband. Dass wir diese Voraussetzung alle teilen macht uns gleicht, schließt Gründe des Ausschlusses aus (ebd.) - so formuliert es Hark, an Judith Butlers Interpretation Hannah Arendts anknüpfend.
Das Wirkliche aktueller Gesellschaften tendiert zum Gegenteil: dazu, in voneinander abgeschottete Territorien aufzuteilen, ein "Spektakel der Mauern" zu inszenieren und einzuhegen, was als eigener Besitz begriffen wird (S. 57). Eben nicht mit Anderen die selbe Welt bewohnen zu müssen (S.58).
So produzieren aktuelle Wirklichkeiten Menschen ohne Standort in der Welt, Nomaden, die als unzugehörig über den Globus wandern (S. 73). Unter expliziter Bezugnahme auf Hannah Arendts Formel des "Rechtes, Rechte zu haben" fordert Hark im Gegenzug - in etwas anderen Worten - eine Weltbürgerschaft, die in der Verletzlichkeit aller Menschen gründet (S. 78). DieseEigenschaft teilen wir alle; Gemeinschaft sollte sie schützen. Ein Ethos der Kohabitation ermöglicht dies.
Unter aktuellen Bedingungen, so Hark unter Bezugnahme auf Johnson Reagon (S.79-80), habe, wer sich abschotte, eh keine Überlebenschance mehr. Allzu vernetzt sind wir unter globalen Bedingungen, zu verdichtet ist das Aufeinandergewiesensein in internationalen, ökonomischen und ökologischen Gefügen.
Es bliebe nur der Weg ins heterogen Offene (S. 83), weil auch sich abkapselnde, auf Homogenität setzende Gemeinschaften den Bedingungen der Weltgesellschaft nicht ausweichen können. Zu überwinden seien dabei die Mechanismen der Macht, die sexistische oder rassistische Parameter noch in als Wissenschaft auftretenden Teilungs- und Entmündigungsstrategien fände (S. 90).
Kritik könne dabei nicht verleugnen, immer schon in diese Strategien und Rationalitäten eingebettet, ja, Teil derer zu sein - gerade dann, wenn sie in weißen, privilegierten Gesellschaften sich äußert (S. 102). Teil der Kritik müssen "analytische Trauerarbeit" sein (S. 103) - ein Gedenken der Opfer bisheriger Teilungen und ihrer mit aller Macht vollzogenen Vernichtungsleistungen.
Stattdessen ginge es darum zu imaginieren, was über diese tödlichen Mechanismen hinaus wiese - dies sei der "reparative Auftrag Kritischer Theorie" (S. 105). Hierzu gelte es, die Genese der Festigung von Dominanzkulturen in den Blick zu rücken, zu sehen, wie sie in Praxen und Haltungen eingeübt wurden - und Verantwortung für die eigenen Interpretationen zu übernehmen. Diese Methodiken dienen dazu, durch Diagnostiken der Gegenwart jene Zukünfte zu imaginieren, die einen Ethos der Kohabitation ermöglichen könnten - durch Kritik des Gewordenen Räume für ihn freizulegen.
Verwirklichen kann dieses Ethos sich nur in einer Demokratie, die anerkennt, dass wir a priori im Sozialen situiert sind (Hark bezieht sich hier unter anderem auf Seyla Benhabib) und dass wir, um Demokraten zu sein, uns auch der Assoziation mit uns Unbekannten öffnen müssen - in Wechselseitigkeit und Verantwortung, immer dialogisch (S. 112). Dieses gelingt nur unter Bedingung der Gleichheit aller.
Die Stärke des Buches liegt gerade darin, dass versucht wird, aus der liberalen Tradition stammende Begriffe so zu füllen, dass das in seiner Freiheit immer monadisch, selbstbezüglich und eigenverantwortlich gedachte Subjekt stattdessen in vorgängige Beziehungen und somit auch Verantwortungen eingebettet gedacht wird. All das macht z.B. Jürgen Habermas auch, um jedoch durch den Rekurs auf zu erhebende Geltungsansprüche und zu begründende Regeln doch vom Affektiven und Sorge-Prinzipien zu abstrahieren. Seyla Benhabibs "konkreter Anderer" (Si apre in una nuova finestra), den sie im Rekurs auf Carol Gilligan (Si apre in una nuova finestra) gegen Kohlberg und Habermas in den frühen 90ern ins Feld führte, um so den körper- und gefühllosen verallgemeinerten Anderen mit Leben zu füllen, schimmert in all diesen Passagen deutlich zwischen den Zeilen hindurch. Verletzlichkeit zeigt sich immer auch als körperliche und emotionale, und ein Staat, der in abstrakten Prinzipien diesen Dimensionen des Daseins nicht gerecht wird, kann als vollends verwirklichte Demokratie nicht gelten. So würde ich in meinen Worten die Sicht Harks zusammenfassen.
"Denn statt einer genuin ethischen Betrachtung des Lebens als solchem ist es auch mir darum zu tun, die Geschichte und Politik der differenziellen und differenzierenden Gefährdung der Leben der Vielen zu verstehen und zugleich zu fragen, was es braucht, damit diese Leben zu solchen werden können, in denen »gut für den Menschen gesorgt ist«." (S. 116-117)
Füreinander Sorge tragen, statt Grundrechte zuzugestehen - das ist die Ethik der Kohabitation. Und zwar für alle in ihrer Einzigartigkeitgleichermaßen, nicht nur Fantasien eines verallgemeinerten weißen Mannes folgend. Eine "Grammatik der Härte" wie jene des verrohten Bürgertums destabilisiert ein derart gedachtes, demokratisches Gemeinwesen, zerstört Bindungskräfte (S. 123) ebenso wie auch eine Totalisierung kapitalistischer Verwertungsinteressen (S. 125). Ungleichheit schränkt die Handlungsmöglichkeiten der Entrechteten ein, ist so illegitim und erzeugt Leid bei verletzlichen Menschen.
Begreift man hingegen Demokratie als Minimierung von Leid, erfährt sie eine andere Legitimation als durch Eigentumsschutz, wie die liberale Tradition dies als Möglichkeit vorgaukelt. Die Minimierung von Leid aller gleichermaßen als Kriterium schafft auch Raum für jene "Ungewählten", denen, sei es im Fortwirken kolonialer oder in sexistischen Konstellationen, verwehrt wird, Autor des eigenen Lebens zu sein, Prekarisierung und Marginalisierung ausgesetzt (S. 136) und vom "pursuit of happiness" ausgeschlossen (S. 138). Ausschlüsse, die auch durch Formen der Wissensproduktion, die sich in soziale Verhältnisse einschreiben, produziert würden, so Sabine Hark unter Bezugnahme auf Audre Lord:
"Weil sie die Körper im rassistischen, heterosexistischen, klassistischen und ableistischen Stereotyp einsperrt, sie allererst als unterworfene konstituiert und so, wie Audre Lorde schreibt, das Amalgam aus »Isolation, Wut, Misstrauen, Selbstablehnung und Traurigkeit« Teil des ›Ichs‹ der Unterworfenen geworden ist. »Welches Lebewesen auf der Welt außer der Schwarzen Frau musste das Wissen um so viel Hass in ihr Über- und Weiterleben integrieren?«, fragt Lorde ihre Leser_innen." (S. 152)
Minimierung von Leid in einer an wechselseitiger Sorge und Verantwortung orientierten Ethik der Kohabitation stellt das genaue Gegenteil einer an der Produktion von Leid durch Ausschluss und Entwertung orientierten, männlichen und von Eigentumsrechten dominierten Gesellschaft dar.
Gesellschaftliche Differenzproduktionen, die nur zu Abwertung und Entrechtung von Menschen führten, würden so ersetzt durch Beziehungen der Akzeptanz von Unterschieden. Eine Aufgabe, der sich auch der Sprachkritik gewachsen zeigen muss (S. 155 ff.). So entstehen Möglichkeiten der Kooperation statt - wie im Neoliberalismus - totalisierte Konkurrenzverhältnisse zwischen als männlich gedachten, monadischen Subjekten (S. 165 ff.). Ein nur Quantitäten generierendes "Unternehmertum" seiner selbst als Prinzip auch der Verhaltensregulierung kann überwunden werden, wenn die Qualität des Zusammenlebens in einer geteilten Welt in den Blick rückt.
"Das durch und durch praktische, aufeinander verwiesene »Zusammen- und Miteinander-Sein der Verschiedenen«, wie Arendt sagt, müsse vielmehr im Vordergrund stehen." (S. 176)
Hark reflektiert diese Aussagen in vielfältigen Zusammenhängen, diskutiert die Pandemie-Politik wie die Organisation von öffentlichen Gütern wie Wasser und Strom und auch ihr eigenes Aufwachsen als lesbische Frau in der deutschen Provinz, wo einer wie ihr kein Platz zugestanden wurde - und bezieht all das auf Möglichkeiten eines anders gelebten Zusammenseins.
"Überleben werden wir nur gemeinsam, dazu brauchen wir die Hilfe anderer. Wir sind, ob gewollt oder nicht, auf andere angewiesen, ihnen immer schon überantwortet. Nach solchen Formen der Relationalität, Interdependenz und Reziprozität müssen wir suchen und Institutionen und Infrastrukturen schaffen, die Interdependenz auf demokratische Weise gewährleisten, so kompliziert und herausfordernd das auch sein mag." (S. 177-178)
Dieses gelänge dann nicht, wenn Sorgebeziehungen in den Intim- und Privatbereich exkludiert würden (S. 180 ff.). Sorgebeziehungen sind konstitutiv für das Gemeinschaftsleben überhaupt. Es gäbe sonst keines. Diese in die vier Wände der eigenen Wohnung verbannende Sichtweise des Liberalismus überschreibt den wahren "Kitt der Gesellschaft". Sie produziert Asymmetrien, in denen in der sozialen Wirklichkeit die Abgewerteten zugleich das Leben der Aufgewerteten ermöglichen. Dieses gilt für Pflegeberufe ebenso wie für "Putzkolonnen".
Das Fazit:
"Die sozialen Beziehungen in unseren Gemeinwesen sollten egalitär und kollaborativ strukturiert und von Reziprozität, Rechenschaft und Responsabilität geprägt sein. Sie dürfen außerdem weder auf Konkurrenz-um-der-Konkurrenz-willen gründen noch auf Hierarchie und der Ausbeutung anderer, des 190Planeten und seiner Lebensstoffe. Es müssen folglich Gemeinwesen sein, die die moralische und politische Gleichheit ausnahmslos aller als Verschiedene gewährleisten und bekräftigen und die niemanden preisgeben oder zurücklassen. Leave no-one behind ist ihr Bannerspruch. Und schließlich, dem Argument von Danielle Allen folgend, dass »für politische Gleichheit ökonomischer Egalitarismus erforderlich ist«, brauchen solche Gemeinwesen, die ihre Richtschnur in der moralischen und politischen Gleichheit aller gefunden haben, gesellschaftliche Verhältnisse, die »Grund und Boden, Arbeitskraft und Kapital so organisieren, dass dabei soziale Gleichheit durch soziale Verbundenheit herauskommt«."
Sabine Harks Verdienst ist es, in "Die Gemeinschaft der Ungewählten" feministische, postkoloniale und moralphilosophische Fragen so zu verbinden, dass sie umfassend die Problemstellungen liberaler und deliberativer Modelle zu beantworten vermag, sie jedoch im Sozialen als Basis der rationalen Kommunikationsverhältnisse diesen vorgängig zu verorten.
Auch z.B. Jürgen Habermas setzt diese wechselseitige Abhängigkeit vorgängig aufeinander bezogener, verletzlicher Wesen immer voraus, ignoriert sie gerade nicht. Sabine Hark expliziert sie jedoch, baut auf ihnen einen Ethos auf, der zudem Mechanismen der Ausgrenzung und Entwertung nicht ignoriert, sondern deren Aufhebung als Bedingung des Besseren fasst. Tatsächlich, nicht in Antizipation von kontrafaktischen Bedingungen, wie dieses z.B. in der “Diskursethik” geschieht. Diese postuliert, wird müssten die Grundlagen rationaler Argumentation, somit Symmetrie, Gleichheit, Wechselseitigkeit voraussetzen auch dann, wenn diese faktisch gar nicht gegeben sind, um überhaupt alle betreffende Normen in rationalen Argumentationen begründen zu können. Hark legt diese Prinzipien sozusagen “eine Ebene tiefer” als Bedingungen gelingenden Zusammenlebens, die als wirkliche realisiert werden müssten.
Es ist dies kein naturalistischer Fehlschluss, weil das Ethos als Sollen konzipiert ist und sich dabei Fragen des "guten Lebens" - anders als reine Gerechtigkeitstheorien - nicht verweigert. Es ermöglicht zudem die Formulierung von Kriterien der Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen, die durch Dominanzkulturen und Neoliberalismus geprägt sind.
Das Werk zeigt sich dabei nicht frei von Redundanzen und variiert zentrale Gedanken auf verschiedenen gesellschaftlichen und historischen Feldern. Vor allem aber, auch wenn ja vorausgesetzt wird, dass wir alle auf einem Planeten leben und im Überleben aufeinander angewiesen sind: Überzeugt das allein auch schon die Privilegierten, die, von Teilungen, Ausschlüssen und Dominanzkultur profitieren?
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[1] (Si apre in una nuova finestra) Hark, Sabine. Gemeinschaft der Ungewählten: Umrisse eines politischen Ethos der Kohabitation (edition suhrkamp),Kindle-Version