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Ein Kinderbuch

Hallo,

mitten in hektischen Vorbereitungen auf eine etwas aberwitzige Reise, an deren Ende meine Partnerin auf einem Performancefestival in Hongkong auftreten wird, wollte ich kurz noch einen Vorschlag für ein Kinderbuch machen. Und mitten während ich dies schreibe, erkennt mein Schreibprogramm das Wort „Performancefestival“ nicht und schlägt mir als Korrektur „Germanistikprofessor“ vor. Egal. Weiter!

Ein Kinderbuch! Wegen Friedrich Merz, der „Kinderbuchautor“ als Schimpfwort eingeführt hat, und zwar in meiner Wirklichkeit. Dabei ist er eine Gestalt, die für mich nur als peinlicher Bösewicht in einem Kinderbuch eine Existenzberechtigung hätte. Spätestens im achten Kapitel würde er von ein paar schlauen Zwölfjährigen ausgetrickst werden und danach vor Scham zerspringen. Denn die Scham muss die Seiten wechseln.

Filmstill aus "Emil und die Detektive", 1931, Buch von Erich Kästner, Drehbuch von Billy Wilder

Aber warum ist das meine Wirklichkeit? Warum muss ich in dieser Wirklichkeit leben? Und warum ist es Olaf Scholz, der mir mit erstickter Stimme sagt, dass ich es muss? Ich will das nicht mehr.

In unserer Wohnung ist der halbe Fußboden von schaurig aufgeklappten Koffern bedeckt, mit Haufen von Sachen, die sich bis zum Abflug unmöglich ordnen lassen werden. Und unsere Untermieterin weiß noch nicht, dass sie meine Krähen versorgen muss. Es kann nicht gelingen! Wir werden unmöglich rechtzeitig fertig werden. Wir werden unmöglich mit unseren Koffern in Tokio landen. Und wieso in Tokio, wollten wir nicht nach Hongkong? Egal. Weiter!

Hier mein Kinderbuch: Drei Frauen verlassen den Jugendverband einer Regierungspartei. Sie wollen nicht mehr. Sie wollen einen neuen Jugendverband ohne Partei gründen. Sie haben wirtschaftliche Ungleichheit als Grundproblem ausgemacht und wollen etwas dagegen tun. Sie versuchen, für ihre Arbeit 30.000 Euro zu sammeln. Leider leben sie in einem vergreisenden Land, dass keine Veränderung will und sich keine Zukunft mehr vorstellen kann, die nicht auf Gewalt gegen Schwächere basiert. Und in diesem Land werden alle ihnen in die Ohren brüllen, dass es unmöglich ist, bis sie taub sind.

So weit ist das alles real, wirkliche Wirklichkeit IRL. Und so geht es in meinem Kinderbuch weiter:

Außer diesen drei Frauen gibt es noch eine Gruppe erfahrenerer Frauen und Männer, die gerade ihre Partei verlassen haben oder von hohen Positionen zurückgetreten sind. Sie beschließen, den Dreien zu helfen. Und diese Alten und Älteren erklären den drei Frauen dann, dass es nicht reicht, einen Jugendverband zu gründen. Dass sie das ganze Land regieren müssen, weil es sonst an seiner Hoffnungslosigkeit erstickt. Sie stellen ihre eigenen Machtinteressen hintan, treten in die zweite Reihe zurück, bewachen die drei Frauen, schützen sie vor dem Horror professioneller Politikberatung und helfen ihnen bei der Gründung einer neuen Partei.

Und bald haben diese Frauen nicht nur 30.000 Euro, sondern eine solide finanzielle Basis, weil es nicht nur rechtsradikale Millionäre gibt.

Ich muss jetzt wieder packen gehen. Nach unserer Reise erzähle ich, wie es weitergeht.

Wir werden auch den Weltschicksalstag in Tokio verbringen, den Tag der US-Wahlen, an dem entschieden wird, ob eine Gestalt gewinnt, die selbst für ein Kinderbuch zu obszön und zu grotesk wäre. Was Deutschland in unserer Abwesenheit jetzt tun muss, in der wirklichen Wirklichkeit, ist ja schon klar: Dafür sorgen, dass es zu nächsten Bundestagswahl eine wählbare Partei gibt. Eine einzige.

Das ist nicht zu viel verlangt. Irgendwann reicht es mit der Dummheit. Irgendwann reicht es mit der Verliebtheit in die Dummheit als Machtfaktor. Irgendwann reicht es mit Feigheit, Opportunismus und Paternalismus. Irgendwann reicht es mit der Flucht vor der Wirklichkeit in Wahnvorstellungen und Gewaltphantasien. Irgendwann reicht es mit der Vorstellung, dass das ganze Leben nur ein Sport ist, bei dem die Stärksten gewinnen. Irgendwann reicht es damit, dass man beim Erwachsensein anklopft, und dann macht einem Wolfgang Kubicki die Tür auf. Das ist ja ein Horrorfilm.

Ich will nicht in diesem Horrorfilm leben. Niemand soll in diesem Horrorfilm leben müssen. Aber die Macht der Männer, die unsere kleine deutsche Welt ersticken, weil sie sich keine andere vorstellen können oder wollen, ist kein Naturgesetz.

Wir sind dann mal weg.

Danke für’s Lesen, danke fürs Abonnieren, danke für’s Mitgliedschaft abschließen, wenn das Geld reicht!

Übrigens bin ich der Meinung, dass das Patriarchat zerstört werden muss.

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