ADHS, Langeweile und der Stress damit
ADHS, Langeweile und Impulsivität: Der Einfluss des Cortisols und der HPA-Achse
Einleitung
Langeweile ist nicht nur ein emotionaler Zustand, sondern auch ein physiologisches Phänomen, das tief im Stress- und Belohnungssystem des Körpers verankert ist. Für Menschen mit ADHS, bei denen Impulsivität und emotionale Dysregulation zentrale Themen sind, spielt Langeweile eine entscheidende Rolle. Eine aktuelle Studie beleuchtet, wie die hormonelle Stressreaktion – insbesondere die Aktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) – den Zusammenhang zwischen Impulsivität und Langeweile vermittelt.
Die HPA-Achse, Cortisol und Impulsivität
Die HPA-Achse ist das zentrale Stresssystem des Körpers. Wenn wir uns gelangweilt fühlen oder in einer unangenehmen Situation feststecken, aktiviert das Gehirn diese Achse, um die Freisetzung von Cortisol zu stimulieren – einem Hormon, das uns hilft, auf Stress zu reagieren.
Impulsivität ist eng mit der HPA-Achse verbunden:
Menschen mit hoher Impulsivität zeigen oft eine stärkere und unreguliertere Cortisolantwort auf stressige oder unangenehme Reize, einschließlich Langeweile.
Diese erhöhte Cortisolaktivität ist eine physiologische Reaktion auf das Unwohlsein, das durch Langeweile ausgelöst wird.
Was die Studie zeigte:
Teilnehmer
mit höherer Impulsivität (gemessen durch die Barratt Impulsiveness Scale, BIS-11) erlebten intensiveres Langeweileempfinden (gemessen mit der Multidimensional State Boredom Scale, MSBS).
Die Analyse der Daten ergab, dass die Cortisolantwort (ein Marker für die HPA-Aktivität) den Zusammenhang zwischen Impulsivität und Langeweile teilweise erklärt.
Fazit: Impulsivität führt zu einer stärkeren Stressreaktion auf Langeweile, was das subjektive Langeweileempfinden verstärkt.
Wie reagiert das ADHS-Gehirn auf Langeweile?
Bei ADHS ist die HPA-Achse oft dysreguliert:
Chronisch erhöhter oder flacher Cortisolspiegel
Menschen mit ADHS können überaktivierte oder unteraktive HPA-Achsen zeigen. Dies führt entweder zu einer Überreaktion auf Stress (z. B. innere Unruhe bei Langeweile) oder einer Unterreaktion (z. B. gefühlte Lethargie).Belohnungssystem und Langeweile
Das ADHS-Gehirn hat eine geringere Dopaminaktivität im präfrontalen Cortex, was es schwieriger macht, Freude an alltäglichen Tätigkeiten zu finden. In Kombination mit einer empfindlichen HPA-Achse verstärkt dies das Bedürfnis nach Stimulation, um Langeweile zu vermeiden.
Der Teufelskreis von Langeweile, Impulsivität und Cortisol
Phase 1: Langeweile tritt auf
Ein monotoner Reiz aktiviert die HPA-Achse, da das Gehirn die Situation als "unbelohnend" und potenziell bedrohlich einstuft.
Cortisol wird ausgeschüttet, um den Zustand zu regulieren.
Phase 2: Impulsivität als Bewältigungsstrategie
Der erhöhte Cortisolspiegel löst innere Unruhe aus, was impulsive Handlungen verstärken kann (z. B. Ablenkung suchen, Aufgaben wechseln).
Diese impulsiven Handlungen bieten kurzfristige Entlastung, indem sie das Belohnungssystem aktivieren.
Phase 3: Verstärkung des Kreislaufs
Die impulsive Reaktion verhindert eine langfristige Bewältigung der Langeweile.
Der HPA-Achse bleibt überaktiv, da keine nachhaltige Regulation erfolgt.
Dieser Kreislauf ist bei ADHS besonders stark ausgeprägt, da das Gehirn von Natur aus Schwierigkeiten hat, sich bei Langeweile selbst zu regulieren.
Praktische Implikationen
Die Erkenntnisse über den Zusammenhang von Langeweile, Impulsivität und der HPA-Achse bieten wichtige Ansätze für den Umgang mit ADHS:
Cortisolbewältigung durch körperliche Aktivität
Bewegung, insbesondere Ausdauersport, kann die Aktivität der HPA-Achse regulieren und den Cortisolspiegel senken. Für Menschen mit ADHS ist dies ein effektiver Weg, um Langeweile und Impulsivität zu begegnen.Stressmanagement durch Achtsamkeitstechniken
Methoden wie Emoflex, Meditation oder Atemübungen helfen, die Überreaktion der HPA-Achse zu dämpfen und Impulsivität zu reduzieren.Stimuluskontrolle statt Impulsivität
Aktivitäten, die gezielt das Belohnungssystem ansprechen, wie kreatives Arbeiten oder strukturierte Herausforderungen, können Langeweile vorbeugen, bevor sie Cortisolausschüttung und impulsives Verhalten auslöst.Psychoedukation über Langeweile und ADHS
Das Verständnis der biologischen Mechanismen hinter Langeweile gibt Betroffenen die Möglichkeit, bewusster mit diesem Gefühl umzugehen. So können sie es als Signal wahrnehmen und ihre Handlungen entsprechend anpassen.
Langeweile ist also alles andere als langweilig
Langeweile ist bei ADHS kein triviales Problem, sondern tief in den neurobiologischen Mechanismen der Impulsivität und Stressregulation verwurzelt. Die HPA-Achse und Cortisol spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie die emotionale Reaktion auf Langeweile verstärken. Mit den richtigen Strategien können Betroffene jedoch lernen, diesen Kreislauf zu durchbrechen und ihre Impulsivität in produktive Bahnen zu lenken.
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Quelle: James M. Clay, Juan I. Badariotti, Nikita Kozhushko, Matthew O. Parker,
HPA activity mediates the link between trait impulsivity and boredom,Physiology & Behavior,Volume 284,2024,