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Warum die AfD gegen das Bauhaus schimpft

Hallo,

wir befassen uns heute nicht mit Donald Trump und nicht mit Menschen, die in Erlanger Stadträten Goebbels zitieren. Und nein, es geht auch nicht um den mutmaßlichen Hitlergruß von Elon Musk. Heute wird es kulturell - es geht um Architektur.

Trotzdem noch ein kurzes Zitat von Journalistin Gilda Sahebi zur Musk-Symbolik: “Der mutmaßliche Hitlergruß Musks ist Ablenkung. Anstatt sich zu empören und damit zu befassen, ist es nun besonders wichtig, genau zu beobachten, wie demokratische Strukturen beschädigt und der Wert von Menschen relativiert wird. Diese Hitlergruß-Empörungsmethode werden Trump & Co. in den nächsten Jahren noch oft einsetzen. Und zwar gezielt. Empörung ist der Treibstoff, auf dem autoritäre Kräfte fahren. Sie brauchen Empörung, um zu spalten. Sie brauchen Spaltung, um aufzusteigen.”

In diesem Sinne widmen wir uns lieber dem Bauhaus!

Bleib achtsam und alles Liebe!

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Um was geht’s?

Das Bauhaus hat das menschliche Bedürfnis nach Geborgenheit und Behaglichkeit nach allen Regeln der Kunst vergewaltigt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).”

Das sagte vor kurzem Hans-Thomas Tillschneider von der AfD in Sachsen-Anhalt in einer Plenarrede. Die begleitete einen Antrag, in dem die AfD die geplanten Feierlichkeiten zum diesjährigen Bauhaus-Jubiläum in Dessau kritisierte. Die Überschrift lautete: “Irrweg der Moderne - für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).”

Vor einem Jahrhundert zog das Bauhaus von Weimar nach Dessau. Deshalb plant die Stiftung Bauhaus Dessau der weltbekannten Architektur- und Designschule, die auch UNESCO-Weltkulturerbe (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) ist, ein großes Jubiläum (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) - mit vielen Veranstaltungen. Bei der Programmvorstellung für die Feierlichkeiten erklärte Reiner Haseloff (CDU) im Dezember, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, die Bauhaus-Philosophie für friedensstiftend und wohlstandsstiftend. In seiner Rede forderte er auch noch alle Demokrat:innen auf, rechten Angriffen gegen die Philosophie der Bauhäusler “mit Fakten, mit Argumenten (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” entgegenzutreten.

Warum das in diesem Fall - aber auch sonst immer wieder - notwendig ist, darum geht es heute.

🛑Bauhaus - Feindbild Moderne

In ihrem Antrag fordert die AfD aus Sachsen-Anhalt die “einseitige Glorifizierung des Bauhaus-Erbes” abzulehnen, sich stattdessen kritisch damit auseinanderzusetzen und die Ausrichtung des Jubiläums neu zu überdenken. Sie begründet das unter anderem so: Bei manchen Bauhaus-Gebäuden handle es sich aus heutiger Sicht um “Bausünden”, andere würden sogar als “menschenfeindlich” bezeichnet. Der Bauhaus-Stil habe zudem zunehmend “architektonische Traditionen” verdrängt.

Vor allem Hans-Thomas Tillschneider, kulturpolitischer Sprecher der AfD im Land, tat sich in der Debatte hervor. Er erklärte in einer Landtagsrede, das Bauhaus habe “das menschliche Bedürfnis nach Geborgenheit und Behaglichkeit nach allen Regeln der Kunst vergewaltigt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” - und dass die Entortung von Menschen erklärtes Ziel gewesen sei.

Kleiner Einschub und ein Reminder an dieser Stelle auch an uns selbst: Beim Lesen sind wir einfach so über dieses Zitat gegangen, erst beim Schreiben ist uns die brutale Sprache Tillschneiders aufgefallen - auch bei uns hat die AfD-Strategie der permanenten Verrohung bis zur Gewöhnung offenbar Erfolg gehabt…

Im weiteren Verlauf seiner Rede spricht Tillschneider noch von einer “globalistischen Agenda“ und bedient sich damit eines antisemitischen Codes (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) - aber das nur am Rande.

Was Tillschneider und die AfD hier grundsätzlich machen, ist Kulturkampf (getarnt als Stilkritik (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)). Das Bauhaus wird kurzweg mit “die Moderne” gleichgesetzt - und dann zum Feindbild erklärt.

Darum geht es im Kulturkampf (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): Feindbilder, Trennlinien, Spaltung. Es soll antagonisiert und damit emotionalisiert werden. Dafür unterteilt die AfD, wo sie kann, die Gesellschaft in ein vermeintlich Gutes und Böses (in diesem Fall ist das Bauhaus (die Moderne) das Böse, das Nicht-Deutsche, das die Tradition und Heimat “vergewaltigt”. Es werden existenzielle kulturelle Bedrohungen kreiert oder erfunden, gegen die sich das von der AfD imaginierte Deutschland zur (Not-)wehr setzen muss. Das macht die AfD in ihrem Narrativ zur Bewahrerin und Beschützerin der deutschen Kultur und “die anderen” zu Aggressoren. Deshalb sucht die AfD ständig neue Kulturkampfthemen und verdreht jede Debatte - so macht sie das beispielsweise beim Klimaschutz oder beim Thema Gender. Nebeneffekte des Kulturkampfes: Die Anhänger:innen werden permanent polarisiert und mobilisiert, bei ihnen wird die Überzeugung verankert, dass es mit Deutschland bergab geht. Und: Durch den Kulturkampf werden Ressourcen gebunden, die verhindern, dass man sich mit den wahren Herausforderungen beschäftigt - beim Thema Architektur wäre das beispielsweise die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.

Wie die Mechanik ist, zeigt Hans-Thomas Tillschneider bei titel, thesen, temperamente (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Da sagt er, das Bauhaus “wollte ja ganz bewusst nicht deutsch sein, es hat auch die Begriffe Heimat und Tradition verflucht”. Hier wird also ein Gegensatz konstruiert, Bauhaus und Moderne auf der einen Seite und Tradition und Heimat auf der anderen - verwoben wird die ganze “Argumentation” damit, dass das Bauhaus links-progressiv sei.

Anschaulich erklärt es Kunsthistorikerin Anke Blümm vom Bauhaus-Museum Weimar im selben ttt-Beitrag:

Das Bauhaus wird reduziert auf eine rein linkspolitisch gerichtete Haltung und die Ästhetik des Bauhauses ist damit auch politisch links und alle die traditionell bauen sind somit rechts. Das ist die einfache Lösung, die einfache Gleichung, die aber viel zu simplifiziert ist.”

Ein Beispiel dafür sei laut Blümm das Bauhaus-typische Flachdach gewesen, das von Nationalsozialist:innen verunglimpft wurde - wohingegen das Steildach für “Gemütlichkeit und Behaglichkeit” stand.

Grundsätzlicher geht es Miteinander - das Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) an. Der Verein hat zum Bauhaus-Antrag der AfD einen Text veröffentlicht. Dort heißt es, dass die Partei “weit über eine bloße Stilkritik hinaus zielt” und stattdessen “die demokratische, aufgeklärte und diverse Verfasstheit des Kulturbetriebs im Land” angreift. Dafür habe sich die AfD bei Motiven der politischen Romantik der völkischen Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts bedient: “Schon damals war rechtskonservativen und rechtsextremen Kulturkritikern der Universalismus der sich entwickelnden Massengesellschaft und ihre Formen demokratischer Teilhabe ein Dorn im Auge. Die Moderne, so die Klage der völkischen Rechten, entwurzele den Menschen, sorge für Traditionsabbrüche und zerstöre die vermeintlich harmonische Ordnung von Gesellschaft und Kultur.”

🤫 Vorbilder aus dem Nationalsozialismus?

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Raoul Löbbert in der Zeit (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). In einem Artikel arbeitet er heraus, wo genau sich die AfD argumentativ bedient haben könnte, wenn sie in ihrem Antrag schreibt, dass der 1930 entlassende Dessauer Bauhaus-Direktor Hannes Meyer Marxist war und diese Ausrichtung “zu einer Politisierung der Architektur und der Bauhaus-Lehre” und sowohl “damals als auch heute zu Kontroversen” geführt habe.

Hier heißt es bei der Zeit, dass das Wörtchen “damals” verräterisch sei, weil damit vermutlich die Kritik am linken Meyer (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) durch den vom NS-Chefideologen Alfred Rosenberg gegründeten “Kampfbund für deutsche Kultur (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” gemeint war. Dieser Kampfbund hatte einen bekannten Vordenker: Paul Schultze-Naumburg. Der wiederum war Architekt und prägende Figur der “Um 1800”-Bewegung - dem architektonischen “Gegenentwurf zum Bauhaus”, auf den der “Heimatstil” zurückgeht.

Und für welche Architektur wirbt AfDler Tillschneider nun in Sachsen-Anhalt? In seiner Landtagsrede erklärt er, dass er dem Bauhaus gern “die sogenannte ‘um-1800-Bewegung’” entgegensetzen würde. Die habe sich an dem Baustil orientierte, der um das Jahr 1800 gepflegt wurde. “Mit dem 1802 eröffneten Goethe-Theater in Bad Lauchstädt hat Sachsen-Anhalt ein Bauwerk, das diesem Stil vollumfänglich entspricht”, sagt Tillschneider noch.

Die Zeit fasst es so zusammen: “Inhaltlich sind die Moderne-Kritik des Kampfbunds und die der AfD identisch: vermeintlicher Internationalismus, Verachtung von Tradition und regionaler Identität, industrialisierte Entfremdung.” 1933 zerschlugen dann die Nationalsozialismus die Bauhaus-Schule - zu undeutsch, zu links, zu international.

🏗️ Architektur als Metapolitik und Geschichtsrevisionismus

Wie sich am Bauhaus-Beispiel zeigt, ist auch die Architektur längst neurechtes Einflussgebiet. Ja, auch die “langsamste aller Künste” könne für Metapolitik verwendet werden, erklärte schon 2019 Architekturtheoretiker Stephan Trüby in einem Interview mit der Zeit (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre):

“Gemeint ist, dass man erst den kulturellen Raum beherrschen muss, um dann am Ende auch faktisch regieren zu können. Zu diesem metapolitischen Raum gehören Mode, Kunst, Theater – und nicht zuletzt auch die Architektur.” Rechtspopulistische bis rechtsextreme Gruppierungen würden solche Überlegungen anstellen, um sich so in ihren Gesellschaften zu verankern.

Das Erringen der kulturellen Hegemonie ist Voraussetzung für politische Macht. Darüber haben wir schon oft geschrieben (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) - es ist das erklärte Ziel der Neuen Rechten. In Kurzform: Es geht darum, die eigene Ideologie in vorpolitische Räume einsickern zu lassen und diese damit zu normalisieren. Die Strategie, die Neurechte dafür nutzen, ist die Metapolitik. Ihr Ziel ist es, die Stammtische, Kirchengruppen, Sportvereine, kulturelle Begegnungsstätte also, zu erobern und dort überall neurechtes Denken zu verbreiten und damit neurechtes Handel vorzubereiten.

Ein Beispiel, das Trüby für diese Strategie in der Architektur nennt, sind sogenannte Rekonstruktionen alter Gebäude (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Dieser Vorgang sei zunächst nicht rechts oder links und ihn habe es schon immer gegeben, “aber wenn wir die jüngere Geschichte Deutschlands anschauen, dann fallen da schon viele Rekonstruktionsinitiativen auf, die aus rechtspopulistischen Milieus angestoßen wurden” - wie die “Neue Frankfurter Altstadt”. Die parlamentarische Initiative ging laut Trüby auf den neurechten Publizisten Claus Wolfschlag zurück. Der hat unter anderem für die Junge Freiheit und Sezession geschrieben und den Text “Heimat bauen” im vom ehemaligen NPD-Funktionär Andreas Molau herausgegebenen Sammelband “Opposition für Deutschland” verfasst. Darin steht: “Wer von Volk und Heimat reden will, kann von der Architektur (in und mit welcher das Volk ja schließlich lebt) wohl nicht schweigen.” (S.114 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))

In einem Beitrag für die FAZ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) erklärt Trüby, dass sich die Rekonstruktionsarchitektur deshalb in Deutschland zu einem “Schlüsselmedium der autoritären, völkischen, geschichtsrevisionistischen Rechten” entwickelt. Die Geschichte umschreiben - dieses Ziel bestätigt laut Trüby auch Wolfschlag in einem weiteren seiner Texte, in dem er das Ende des “Schuldkults” mit Hilfe einer “Wiedergewinnung des historischen Bauerbes” erreichen wolle.

Es sollen also Spuren des Nationalsozialismus und damit auch der eigenen Schuld durch “bruchlosen” Wiederaufbau gelöscht werden - wofür sich vor allem geschichtsträchtige Symbolbauten eignen. Der Architektur-Dozent Philipp Oswalt erklärt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), dass Rekonstruktionen ebensolcher Symbolbauten “besonders geeignet für eine nationalistische, autoritäre sowie völkische Identitätspolitik” seien. Das habe sich schon im Deutschen Kaiserreich bei Projekten wie dem Wiederaufbau der Marienburg, der Wartburg oder der Hohkönigsburg zeigt. Ziel sei es gewesen, “die vermeintliche historische Identität und den Wesenskern einer Nation bzw. behaupteten Volksgemeinschaft zum Ausdruck” zu bringen.

Ein zweites Ziel originalgetreuer Rekonstruktionen ist es, “Brüche und Zerstörungen” unsichtbar zu machen und durch das vermeintlich “Wahre, Schöne und Gute (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” zu ersetzen. Oswalt sagt:

“Ein optisch perfekter Nachbau der einseitigen Gestalt von Nationalsymbolen verdrängt nicht nur die Veränderungen über die Zeit, die viel Wesentliches über Geschichte vermitteln, sondern idealisiert den Ausgangspunkt, mit dem man sich durch den exakten Nachbau uneingeschränkt identifiziert.”

Das ist laut Stephan Trüby bei der Neuen Frankfurter Altstadt geschehen: Die sei auf Initiative eines Rechtsradikalen “zu einem aalglatten Stadtviertel mit scheinbar bruchlosen Wiederholungsarchitekturen” geworden, zum “unterkomplexen Heile-Welt-Gebaue”, das dabei helfe, eine alternative Vergangenheit zu erschaffen, in der “der Nationalsozialismus, die deutschen Angriffskriege und der Holocaust allenfalls Anekdoten” seien.

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