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Der Libanon: Ein kleiner Reiseführer

Dieser Beitrag sollte eigentlich als Teil des kommenden Newsletter erscheinen. Er ist aber aufgrund der Komplexität so lang geworden, dass ich mich spontan dazu entschlossen habe, ihn quasi als Werbegeschenk ohne Bezahlschranke zu veröffentlichen.

Der restliche Newsletter wird u.a. ukrainisches Shaping, die russische Luftraumüberwachung, den Sudan und den Kaukasus enthalten. Und Kujat. Und warum die Medien einen anderen Krieg berichten, als ich ihn sehe. Und Kujat.
Hab ich Kujat erwähnt?

Also betrachten wir für einen Augenblick den Libanon. Damit sich nachher nicht wieder alle wundern, wenn es da losgeht.

Die Anfänge des heutigen Libanon

Der Libanon gehörte zum Osmanischen Reich, das den Ersten Weltkrieg verloren hat. Genau wie die Region Palästina. Danach gehörte es mit Syrien zum Völkerbundmandat Frankreich.
Das ermöglichte ihm ab 1926 eine weitestgehend eigenständige Republik zu entwickeln, 1941 wurde er unabhängig.
Seit seiner Gründung 1948 befindet der Libanon sich dauerhaft im Kriegszustand mit Israel.

Um den Libanon wenigstens halbwegs verstehen zu können, muss man wissen, dass er schon seit ewigen Zeiten multiethnisch und multireligiös ist. Das wurde nicht durch eine „Besatzungsmacht“ und durch willkürliche Grenzziehungen der „Kolonialmächte“ verursacht.
Vermutlich eignet der Libanon sich daher nicht so gut für Uni-Besetzungen.

Stark vertreten sind im Libanon die maronitischen Christen, die auch im Süden Syriens vertreten sind. Deren Geschichte geht bis ins 7. Jahrhundert zurück, als die orthodoxe Kirche sich von der katholischen abspaltete. Sie blicken, wie die Kopten in Ägypten, auf eine lange und selbstbewusste Geschichte zurück. Und sie erkennen den Papst an. Das ist keine Splitter-Sekte am Ende der Welt.

Durch die islamische Expansion kamen natürlich auch Sunniten und Schiiten im 7. Jahrhundert in den Libanon. Daneben leben dort auch Alewiten, Beduinen, Drusen, Palästinenser, Griechisch-Orthodoxe und einige mehr. Es ist ein Flickenteppich.
Das Osmanische Reich hat diesen Druckkochtopf 400 Jahre lang verschlossen gehalten.

Bis in die 1970er lief das alles ganz ok. Es gab zwar immer mal Krisen und Scharmützel, aber nichts Weltbewegendes. Bis in die 1980er galt die Hauptstadt Beirut als Paris des Nahen Ostens. Und gilt es bis heute vor allem bei Investoren.
Und dann ging alles irgendwie fürchterlich den Bach runter.

Mit Palästina ging es los

1964 wurde die PLO, die palästinensische Befreiungsorganisation, gegründet. Die war nicht islamistisch (im Gegensatz zur späteren Hamas), sondern sozialistisch. Und so kam es zur Lagerbildung. Wer im Libanon pro-Palästina war, war eher links. Wer gegen Palästina, Sozialismus und eher westlich orientiert war, war eher rechts.

1967 wurde Israel erneut angegriffen.
Genauer gesagt kam Israel dem Angriff zuvor. Aber niemand bestreitet, dass es ein Angriff geworden wäre. Dieser Sechstagekrieg führte dazu, dass Israel den Gazastreifen (Ägypten) und das Westjordanland (Jordanien) besetzte.

Auch Jordanien hatte den Krieg verloren. Doch die Palästinenser wollten weiterkämpfen. Zu der Zeit hatten sie etwa 100.000 Mann unter Waffen, die jetzt natürlich nach Jordanien auswichen. Dadurch sah das eh schon gedemütigte Jordanien seine Autorität in Frage gestellt. Und so kam es zum jordanischen Bürgerkrieg, zum so genannten „Schwarzen September“.

Diese Palästinenser, wie sie sich inzwischen nannten, waren die, die bei der Olympiade in München den Terroranschlag verübten. Und deren Drahtzieher daraufhin vom Mossad gejagd und getötet wurden, die Abteilung Caesarea.

Und das ist der Grund, warum Palästinenser in Jordanien (etwa 2,6 Millionen) Bürger zweiter Klasse sind. Einige haben nicht einmal Bürgerrechte.

Der libanesische Bürgerkrieg

Jordanien vertrieb also diese PLO-Kämpfer. Und die gingen dann mehrheitlich in den Libanon. Denn da lebten schon viele Palästinenser. Und so wurde in der Zeit auch die schiitische Hisbollah gegründet.
1975 kam es dann zum Bürgerkrieg. Der 15 Jahre anhalten sollte.

Ursächlich dafür waren auch gesellschaftliche Verwerfungen.
Jeder hielt sich nun an die Clans, die Ethnie und die Religion, aus denen er stammte. Die Christen formten die Phalangisten, Syrien griff ein, um seine Autorität zu festigen und 1982 haute Israel dazwischen, weil es immer wieder angegriffen wurde. Der erste Libanonkrieg, also ein Krieg im Bürgerkrieg. Es war ein Chaos. Und ist es noch.

Ein Tipp am Rande: Einer der beeindruckendsten und nachhaltigsten Filme, die ich je gesehen habe, ist dokumentarische Trickfilm Waltz with Bashir. Er wurde mehrfach ausgezeichnet. Ich empfehle aber dringend, sich zuvor etwas über das Massaker von Sabra und Schatila zu informieren.

Die Geflechte und Abläufe innerhalb der libanesischen Eliten lesen sich wie ein Buch über die späten römischen Kaiser. Inklusive Mordanschläge durch die Prätorianer und Syrien. Es ist nicht verwundernswert, dass viele damit überfordert sind.
Um es nicht zu lang werden zu lassen…

Die Situation heute

Im Libanon herrscht Konfessionalismus.
Das bedeutet, jedes höhere politische Amt steht von vorn herein einer Gruppe zu. Der Präsident muss immer ein Christ sein, der Chef der Regierung immer ein sunnitischer Moslem, der Präsident des Parlaments immer ein schiitischer Moslem, der Chef der Streitkräfte immer ein Christ, und so weiter.

Und das führt natürlich dazu, dass die obersten Vertreter jeder Interessensgruppe sich zu allererst um ihre eigenen Leute kümmern. Weil sie sonst keine Stimmen bekommen.
So kommt es, dass derzeit eine galoppierende Korruption das Land lähmt. Die Gründe würden hier jeden Rahmen sprengen. Mit Libanesischen Pfund kann man sich das Bad tapezieren; wer in Dollar bezahlen kann, hat alles. Ein Pfund ist derzeit etwa ein tausendstel Cent wert. Und wenn Ihr dies lest, vermutlich weniger.

Die Regierung in Beirut ist weitestgehend handlungsunfähig.
Die Explosion im Hafen von Beirut ist auf diese Handlungsunfähigkeit zurückzuführen. Sowohl der christliche Präsident als auch der sunnitische Ministerpräsident waren darüber informiert, dass da fast 3000 Tonnen Ammoniumnitrat lagert. Weil ein russischer Schiffseigner die Fahrt durch den Suezkanal nicht zahlen konnte und das eh schrottreife Schiff dann einfach da verrotten ließ.

Die Hisbollah

Die Ordnung in Beirut wird vor allem durch das Militär aufrechterhalten, das tendenziell eher rechts und christlich geführt ist.
Im Süden hat die Hisbollah aber inzwischen eine Parallelgesellschaft aufgemacht. Einen Staat im Staat, ohne genau definierte Grenzen. Sie sitzt sogar im Parlament, wird aber dennoch von vielen Staaten als Terrororganisation eingestuft.

Foto: Ansprachen des Hisbollah-Cehfs Nasrallah werden im Libanon wie Public Viewing zum Fußball gefeiert.

Die Hisbollah finanziert sich ungehemmt und allgemein bekannt durch Schmuggel, wofür sie libanesische und palästinensische Auswanderer in anderen Staaten nutzt.
Inzwischen ist eine weitere Einnahmequelle dazu gekommen: Captagon (Fenetyllin) ist ein Amphetamin und wird auch als Kokain des kleinen Mannes bezeichnet. Man geht davon aus, dass viele der Terroristen vom 10/7 auf Captagon waren.

Das Captagon wird mehrheitlich in Syrien produziert. Ganz offiziell, vermutlich staatlich. Von dort aus wird es über das libanesische Netzwerk der Hisbollah in die Welt verteilt.
Die Sphäre der Hisbollah geht vor allem in Südamerika weit über die der italienischen Organisierten Kriminalität hinaus. Die Mafia hat keine Artillerieraketen.
Die Einnahmen der Hisbollah dürften in die Milliarden gehen.

1992 wurde in Buenos Aires in Argentinien ein Bombenattentat auf die israelische Botschaft verübt. Zwei Jahre später wurde ein Bombenattentat auf die Zentrale der jüdischen Gemeinde verübt. Insgesamt starben über 100 Menschen.
Die Attentäter wurden identifiziert, es handelte sich um Leute der Hisbollah und des Iran.
Ein Bericht des Mossad, der u.a. von der südamerikanischen Plattform Infobae geprüft und veröffentlicht wurde, zeigt, dass etwa ein Dutzend der Hintermänner inzwischen als unbescholtene Bürger in Brasilien leben.

Key Points

Kommen wir vor diesem Hintergrund also zu den wichtigsten Fragen.

Wie ist die Hisbollah bewaffnet?

Die Hisbollah ist weit besser bewaffnet als die Hamas. Sie wird offiziell vom Iran unterstützt. Obwohl die UN bereits 2004 die Auflösung ihres militärischen Flügels per Resolution angeordnet hat.

Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Hisbollah daraus mehr militärische Stärke entwickeln kann. Da ihre Kämpfer sicher nicht viel besser ausgebildet sind.
Sie verfügt u.a. über iranische Fadschr-3, welche die Hamas begrenzt auch hatte. Darüber hinaus aber u.a. über russische Katjuscha und chinesische PHL-81. Alles in größerer Stückzahl.
Geschmuggelt wurden diese zumeist über das syrische Damaskus, weshalb Israel den dortigen Flughafen mehrfach angegriffen hat.

Am Samstag hat die Hisbollah nach israelischen Angaben 140 Raketen auf Israel abgeschossen. Was glaubwürdig ist. Die Hisbollah spielt die Zahlen eher hoch, die israelischen Zahlen sind eher neidrig angesetzt.

Kommt es zum Krieg?

Es ist längst Krieg.
Im Grunde ist seit der Gründung Israels Krieg.
Hunderttausende Israelis sind evakuiert. Das Ausmaß dessen, was dort täglich passiert, wird von den Medien nicht wiedergespiegelt.

Es gibt keine allgemein anerkannte Grenze zwischen Israel und dem Libanon. Die Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates von 2006 schreibt eine entmilitarisierte Zone im Süden des Libanon vor. Worauf die Hisbollah ebenfalls einen großen Haufen macht.

Israel schreckt derzeit noch vor einer Bodenoffensive im Libanon zurück. Völkerrechtlich kann sie nichts davon abhalten. Und da die Hisbollah eher militärische Strukturen aufweist, würde das dann wohl mehr dem gleichkommen, was der Laie so bei einem Krieg erwartet.

Inzwischen fliegt Israel auch gezielte Luftschläge im nördlicheren Libanon und in Syrien. Sie hat dort viele Hisbollah-Kämpfer ausgeschaltet: u.a. Sami Taleb Abdullah und jüngst Muhammad Neamah Naser, die vergleichbar im Rang von Generälen standen.

Seitdem sind auch amerikanische Flugzeugträger im östlichen Mittelmeer präsent. Zunächst die USS Ford, nun war es gerade die Eisenhower.
Die Tagesschau titelte bei letzterer, sie würde „abgezogen“. Tatsächlich wurde die vor der Küsten des Jemen gegen die Huthi abgelöst und lief dann ins Mittelmeer.
Nicht vergessen: Zu einem Flugzeugträger gehört immer ein ganzer Verband: ein Versorger, ein Kreuzer der Ticonderoga Klasse („Tico“, 400 Mann Besatzung), mindestens ein Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse, vermutlich ein oder zwei U-Jäger, usw. Mit einem solchen Verband sind mal eben 10.000 Soldaten unterwegs. Mit einer Kampfkraft, welche die Streitkräfte der meisten Länder dieser Welt übersteigt.
Das hatte nur den Zweck, dem Iran zu sagen: Haltet euch raus!

Persönlich denke ich, dass Israel nicht reingehen wird. Was mich aber auch nicht überraschen würde, wenn es doch passiert.
Wer einmal sieht, was Israel da gerade in Bereitschaft (Verfügungsraum) aufgefahren und sogar Einheiten aus Gaza abgezogen hat… ich warte täglich auf die Meldung.
Und wenn es doch so kommt, denke ich, dass die Entscheidung dafür nach internationaler Absprache getroffen wurde.

Wie würde der Iran reagieren?

Die Hisbollah ist die Basis des Iran am Mittelmeer. „Not amused“ wäre untertrieben.

Ich sehe derzeit aber keine Anzeichen, dass der Iran das Wagnis eingehen würde, Israel voll anzugreifen. Vielleicht mal wieder ein Luftschlag, wie er bereits recht erfolglos versucht wurde.

Im Libanon eingreifen können sie eh nicht full scale, dafür haben sie keine Kapazitäten.

Wie würden andere reagieren?

Der Staat Libanon ist hilflos. Er würde militärisch gar nicht reagieren.
Ich kann es mir nicht vorstellen, aber wenn, würde das Militär sich eher auf die Seite Israels stellen. Was einen erneuten Bürgerkrieg zur Folge hätte.

Spannend dürfte das Verhalten Syriens werden. Ob es sich berufen fühlt, einzugreifen.
Derzeit glaube ich das aber nicht. Denn das syrische Regime ist nicht nur geschwächt und hat mit sicher selber genug zu tun. Es hätte im Libanon auch nichts zu gewinnen.

Wahrscheinlicher ist, dass die einzelnen Interessengruppen erneut zu den Waffen greifen. Befeuert von der derzeitigen Wirtschaftskrise.
Das syrische Assad-Regime würde die Hisbollah, die sein Captagon verbimselt, ebenso unterstützen, wie der Iran.

Und nun überlegen wir einmal kurz, wie Waffen schnell vom Iran in den Libanon kommen…
Über den Irak.
Wo der dschihadistische Widerstand derzeit immer häufiger die US-amerikanischen Basen angreift (aus dem Kopf glaube 2023 über 200 Mal) und manchmal sogar Raketen auf Israel schießt.

Und das wäre der Flächenbrand. Nicht, dass der Iran selber Israel nennenswert angreift.

Warum erklären die Medien das nicht?

Wenn Ihr Euch jetzt wundert, warum die Medien das nicht so berichten, kann ich nur antworten, was ich immer antworte: Es ist systemisch.

Der Libanon alleine ist wahnsinnig komplex. Wie man sieht.
Nachrichtenmedien verwursten aber kurze Meldungen. Das ist ihr Job. Das ist ok.

Hinzu kommt, dass man für eine Einschätzung zumindest ein gerüttelt Maß an strategischem Verständnis haben muss. Völlig abgesehen von den politischen Zusammenhängen. Und das haben die meisten Journalisten nun einmal nicht.
Man muss sich das also zusammenklauben.

Israel wird handeln müssen

Ich möchte nicht spekulieren. Ich möchte nur verdeutlichen, was passieren kann, wo die tatsächlichen Gefahren liegen und wie Militärs denken.

Nein, das alles wird keinen weltweiten Krieg, geschweige denn einen Atomkrieg auslösen. Bitte bleiben Sie bei sich.
Aber es verdeutlicht wie komplex die ganze Lage ist. Und wo die wirklichen Gefahren liegen.

Unabhängig davon, ob Israel in den Libanon geht, werden die Angriffe auf Israel aus dem Irak zunehmen.
Und die Hisbollah kann ihre Angriffe auf Israel noch lange durchhalten. Die Regierung erscheint auch hier konzeptlos. Israel wird über kurz oder lang irgendwie mit der Situation umgehen müssen. Ein Staat kann nicht dauerhaft Hunderttausende evakuiert halten und unter Raketenbeschuss zur Tagesordnung übergehen.

Sujet Krieg

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