Ich, Nachrichtendienstler – Teil 1
In einem vergangenen, fast vergessenen Leben war ich Nachrichtendienstler.
Natürlich werde ich von Lesern oft danach gefragt. Die meisten können sich nichts darunter vorstellen. Weshalb ich versprochen habe, das auf der neuen Plattform einzulösen.
Im ersten Teil werde ich einige Grundsätzlichkeiten zu Nachrichtendiensten und Geheimdiensten erklären. Im zweiten Teil (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) werde ich erzählen, wie ich dazu gekommen bin. Und im dritten Teil werde ich versuchen zu vermitteln, wie das praktisch aussah. Und was ich da so gemacht habe.
Der Archetyp eines Spions ist James Bond. Er hat sich so im Bewusstsein der Allgemeinheit festgekrallt, dass sich alles an ihm messen lassen muss.
Sicher, einige wenige Menschen dieser Art gibt es auf der Welt. Aber das läuft völlig anders, als die meisten Menschen es sich so vorstellen. Der durchschnittliche Geheimdienstler oder Nachrichtendienstler erfüllt wohl eher das Bild eines Beamten. Und vor allem funktioniert er im Team.
Keiner der vielen Menschen, die ich in diesem Bereich kennen gelernt habe – von Analysten über den Militärischen Abschirmdienst bis zu Leuten aus anderen „Services“ der NATO – geht damit hausieren. „Insider“ backen kleine Brötchen und sind damit zufrieden, nicht auf dem Tron zu sitzen. Sondern flüsternd daneben zu stehen. Man wird weder rich noch famous.
Die meisten sind recht kreativ, eine Stellenausschreibung eines privaten Unternehmens würde sicher „Out oft he box“-Denken angeben. Und sehr viele sind eigentlich absolute Kindsköpfe. Und ich stehe dazu.
Ein Geschäft so alt wie die Menschheit
Jeder Staat ab einer Einwohnerzahl, die höher liegt als die von Andorra oder Gelsenkirchen, hat Nachrichtendienste.
Die USA sind völlig durchgeknallt, die haben gleich 18. Was aber auch nicht überraschend ist, die USA haben auch 18.000 verschiedene Polizeibehörden.
Das führt zu dem glücklichen Umstand, dass man sehr viel am Beispiel der USA erklären kann.
Diese Dienste haben zwei Aufgabenfelder.
Zum einen das „ausspionieren“ anderer, die so genannte Aufklärung.
Das macht auch vor Staaten nicht halt, die man diplomatisch als befreundet bezeichnet. Das zu glauben ist eine Illusion. Das wissen wir nicht erst, seit der NSA-Affäre 2013.
Die Logik derer, die Deutschland als Vasallen der USA sehen, geht komischerweise nie soweit zu fragen, warum die USA überhaupt einen Staat „ausspionieren“ müssen, der angeblich ihr Vasall ist.
Beispielsweise ist bekannt, dass Ende der 1980er über den Betrieb des ICE mit Südkorea verhandelt wurde. Der französische Nachrichtendienst hat die deutschen Verhandelnden aufgeklärt. Die Ergebnisse flossen in die Verhandlungen mit Südkorea ein. Heute fährt Südkorea TGV, das französische Pendant.
Durch die geleakten Pentagon Papers wurde auch wahrscheinlich, dass die USA nach wie vor das deutsche Verteidigungsministerium aufklären. Interessant scheint vor allem das wirtschaftliche Verhältnis zu China zu sein.
Das ist übliches Business. Es liegt nahe, dass das zu Verschwörungsmythen geradezu einlädt. Doch dieses Geschäft läuft schon immer und wird immer laufen. Ephialtes von Trachis führte die Perser an den Thermopylen vorbei über einen Gebirgspfad in den Rücken der Spartaner um Leonidas.
Das zweite Aufgabenfeld ist zu verhindern, dass andere Staaten Informationen aus dem eigenen Staat abschöpfen. Das ist die Abwehr.
Auch da wird natürlich nicht Freund von Feind unterschieden. Es erscheint irgendwie logisch, aufgeregt wird sich darüber nicht.
Angriff und Abwehr, Abschirmen und Abschöpfen
Diese Aufgaben sind nicht immer strikt geteilt. Die National Security Agency beispielsweise, die erst durch Edward Snowdens Enthüllungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Als sie längst der größte Geheimdienst der USA waren. Die kümmert sich um beides.
Die CIA ist natürlich die bekannteste Behörde, taucht sie doch in jedem zweiten amerikanischen Film auf. Die NSA nicht. Denn die sind so geheim, die wissen nicht einmal selber, dass es sie gibt. Und sie stehen in dem Ruf, auch mal gerne Einfluss auf Filmproduktionen zu nehmen, wenn ihnen etwas nicht passt. Da nimmt man als Drehbuchautor lieber die CIA, die das zum Teil sogar unterstützt.
Die Hauptaufgaben der NSA sind die Wirtschaftsspionage (Strategic Mission J) und die Überwachung von fremdländischen Politikern (Strategic Mission K).
Es verursacht bei mir immer ein mitleidiges Lächeln, wenn irgendwelche Verschwörungsmythologen, Reichsbürger oder andere Spinner öffentlich von der CIA fabulieren. In dem Wissen, dass Fort Meade (Hauptsitz der NSA) ihr Posting oder Video längst mitgeschnitten hat. Langley (Hauptsitz der CIA) würde an der Türe klopfen.
Die CIA erkennt man daran, dass zwei Leute mit Kaki Hosen und verspiegelten Sonnenbrillen am Flughafen Islamabad aus dem Flieger steigen und fragen, ob jemand Englisch spricht. (Das Bild stammt übrigens nicht von mir, sondern von einem ehemaligen CIA-Mitarbeiter.)
Die NSA erkennt man nicht. Die ist schon da. Im Netz. In den Handys. Im sprachgesteuerten Wecker.
Fairerweise muss man aber dazu anmerken, dass der Schwerpunkt der NSA auf dem Digitalen liegt. Der Schwerpunkt der CIA auf dem Abschöpfen menschlicher Quellen. (HUMINT = Human Intelligence)
Zu viele Daten
Eine zusätzliche Trennung der Geheimdienste und Nachrichtendienste findet durch die Unterscheidung von zivil und militärisch statt.
Die militärischen Nachrichtendienste konzentrieren sich auf alles, was mit dem Militär zu tun hat. Auch außerhalb des Krieges. Damit haben CIA und NSA dann wieder weniger zu tun. Nicht Nichts, einfach weniger. Die Informationen der Dienste werden eh ausgetauscht.
Der militärische Nachrichtendienst der USA ist die Defense Intelligence Agency DIA. (Abwehr Nachrichtendienst Agentur) Nicht zu verwechseln mit der DEA, der Polizei für Drogen. Und jede Teilstreitkraft der USA hat wiederum einen eigenen Nachrichtendienst. Also das Heer, die Luftwaffe, die Marine und – Sonderfall – die Marines. Zusätzlich gibt es einen eigenen Nachrichtendienst für Aufklärung (National Reconnaissance Office, NRO), was wohl eher meinem früheren Fachbereich entsprechen würde. Und es gibt einen Nachrichtendienst, der sich eigens mit der Satelliten- Aufklärung befasst.
Gebe den USA ein paar Millionen Budget, und sie werden irgendwo ein Bürohaus bauen und einen neuen Nachrichtendienst gründen. Und so ernst ist diese Nummer auch zu nehmen. Denn die USA haben mehrfach eindrücklich bewiesen, dass ihre mit unfassbaren Geldern gepamperten Dienste auch nicht so viel mehr auf die Kette bekommen als andere.
Dazu muss man verstehen, wie die Informationen ausgewertet werden.
Bereits in den 1990ern gab es in Deutschland eine Liste von Wörtern, die am Telefon ausgesprochen dazu führten, dass in Pullach (Sitz des BND) ein Tonband ansprang. Beispielsweise „Bin Laden“ oder „Kalaschnikow“.
Inzwischen sind durch die Digitalisierung so viele Daten verfügbar, dass die Nachrichtendienste gar nicht hinterherkommen.
Wenn die NSA also auf der ganzen Welt Telefonate mitschneidet… Ja wer soll die denn alle mithören, um Himmels Willen? Da kommt man auch mit den 40.000 Mitarbeitern nicht weit, selbst wenn die alle wie in dem typischen Bild der 70er Spione mit Kopfhörern vor einem Tonbandgerät sitzen und mitschreiben. (DDR eher die 80er) Selbst mit Automatisierung sind das Millionen von Stunden täglich. Hunderttausende Seiten, die niemand lesen kann. Die Datenflut ist zu beschaffen, aber nicht mehr auszuwerten.
Mit einigen Kumpels und „Seilschaften“ scherze ich gerne bei Telefonaten „Der arme Operator, der sich unseren Scheiß anhören muss“. Der nimmt seine Jacke, steuert die nächste Bar an, lässt sich volllaufen und weint in sein Kissen. (In den USA rennt er mit einer AR-15 in ein Kino oder eine Schule. Das machen die da so. Die haben eine andere Kultur des Frustabbaus.)
Nachrichtendienst und Geheimdienst
Und eine weitere Unterscheidung ist die Bezeichnung „Nachrichtendienst“ und „Geheimdienst“. Was häufig, selbst von Wikipedia - und von Medien sowieso - synonym verwendet wird. Was aber für einen Profi etwas völlig anderes ist.
Ein Nachrichtendienst besorgt Nachrichten. Er nutzt dazu zum weitaus größten Teil so genannte offene Quellen.
Ich kann dazu keine wirklichen Angaben machen. Es unterscheidet sich auch, beispielsweise zwischen zivil und militärisch. Aber so aus der Lamäng wurde ich schätzen, dass mindestens 98% der Daten aus offenen Quellen stammen. Der Unterschied zu anderen ist, dass Nachrichtendienste diese systemisch und systematisch auswerten und archivieren.
Dazu gehören heutzutage auch Social Media, Presseberichte, Homepages und Pressemitteilungen.
Der Ukraine Krieg ist der erste größere Krieg, in dem diese Faktoren in einer solchen, massiven Wucht zum Einsatz kommen.
Die häufigste Frage ist, woher ich meine Informationen bekomme. Nicht wenige scheinen zu glauben, dass ich selber ständig russische MilBlogger verfolge oder gar Kontakte in Russland habe. Das ist nicht nötig. Es wird ja frei Haus geliefert. Wenn man weiß, wie es geht.
Der Schlüssel ist OSINT, die „Open Source Intelligence“ („Aufklärung offener Quellen“). Als Beispiel nenne ich immer das ISW, das Institute for the Study of War. Da macht es auch nichts, dass das ISW in den USA sitzt und zumindest am Anfang während des Irak Krieges von der Rüstungsindustrie aus der Taufe gehoben wurde. Es ist inzwischen eine gemeinnützige Organisation, die derzeit täglich Updates mit Quellenangaben und Karten veröffentlicht.
Eine andere Plattform ist Oryx, die Veröffentlichungen auf Social Media tracken, verifizieren und veröffentlichen. Was natürlich recht lückenhaft sein muss. Aber das wissen nun auch die eingesetzten Soldaten. Und posten ganz bewusst Bilder mit Geodaten, wenn sie beispielsweise einen feindlichen Panzer zerstört haben. Und so wird der Informationsfluss von Oryx durch diesen Mechanismus immer zuverlässiger. Und das alles wird auch Auswirkung auf kommende Kriege haben.
Ich bin recht sicher, dass die russischen Soldaten nicht darauf vorbereitet waren. Da die ukrainische Artillerie bereits mehrfach Einheiten ausgeknipst hat, weil irgendein Blitzgescheiter Fotos auf VK gepostet hat. (VK oder VKontakte ist das russische Pendant zu Facebook, natürlich in staatlicher Hand.)
Spione, Agenten, Operationen und James Bond
Das, was eigentlich als Geheimdienst bezeichnet wird, ist ein winziger Bruchteil. Das ist der Teil, in dem dann auch mal Agenten in andere Länder fahren und jemanden ausknipsen. Oder verdeckte Operationen durchführen.
Deshalb spricht man auch allgemein von der „Operativen“.
Dabei muss man in der Wortwahl aber auch bitte wieder unterscheiden.
Ein Spion ist jemand, der verdeckt Informationen an einen Geheimdienst gibt.
Der in der Geschichte der Bundesrepublik krasseste Fall eines Spions war Günter Guillaume. Ein Mann wie das gemeißelte Gegenteil von James Bond: Untersetzt, spießbürgerlich, Anzüge von der Stange. Er war Jahre zuvor von der DDR in die SPD eingeschleust worden und landete tatsächlich mal im Bundeskanzleramt. Der Skandal und der Rücktritt von Willy Brand überwogen bei weitem den Nutzen, die die DDR aus seinen Informationen zog.
Spione sind Zivilisten. Zumindest ist mir kein einziger Fall bekannt, in dem es anders gewesen wäre. Vielleicht waren sie mal Soldaten oder wurden aus dem Militär rekrutiert. Aber in der Regel sind es die, die die deutsche Bürokratie und die Medien inzwischen auch „V-Leute“ nennen.
Agenten sind diejenigen, die im operativen Einsatz diese Menschen führen. Wobei durch die geläufigen Anglizismen inzwischen jeder „Agent“ genannt wird. Selbst Versicherungsvertreter sind im US-Englischen teilweise „Agent“. (Vergl.: „Agentur“) Bekannter ist der aus der NVA inzwischen geläufige deutsche Begriff „Führungsoffizier“.
Zu diesen Operativen gehört beispielsweise die Operation Ajax der CIA und des britischen MI6. Um es so kurz zu halten wie es geht und die Story es nicht verdient:
Der demokratisch gewählte Präsident des Iran Mohammad Mossadegh wurde durch Einflussnahme gestürzt. Weil er das iranische Öl verstaatlichen wollte, das zuvor in amerikanische und britische Börsen geflossen ist. Das führte wiederum zur Revolution, Ayatollah Khomeini kam an die Macht und das Ergebnis sehen wir heute in den Nachrichten über Kopftuchzwang und Drohnenangriffe auf die Ukraine.
Diese Aktion, zusammen mit Watergate und Iran-Contra, fliegt den Amis bis heute um die Ohren und hat das Bild der CIA, die überall ihre Finger drin hat, weltweit nachhaltig geprägt.
Man kann vieles an den USA kritisieren. Und seid Nixon eh. Was aber herausstechend ist, ist die Einstellung: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“ Die US-Außenpolitik denkt so weit, wie ein Pferd scheißt. Und sie weigert sich beharrlich, dazuzulernen.
Diese professionellen Unterscheidungen vorausgesetzt, würde ich beispielsweise die NSA auch als Nachrichtendienst bezeichnen.
Die NSA und die CIA sind auch nicht unbedingt dafür bekannt, dass sie im Ausland andere Leute ausknipsen. Das wäre eher der Stil von Israel, es gibt eine lange Liste von Anschlägen des Mossad. (Einheit Caesaria)
Und natürlich Russland. Ich habe bereits im März eine Liste von Russen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und Überläufern veröffentlicht, die unter merkwürdigen Umständen zu Tode gekommen sind.
Diejenigen, die so etwas wiederum „operativ“ durchführen, sind meist Soldaten oder ehemalige Soldaten. Die für den jeweiligen Geheimdienst einen Auftrag ausführen. Und sicherlich auch entsprechend fortgebildet werden. Aber kaum ein Geheimdienst unterhält Einheiten solcher Soldaten. Vielleicht mit Ausnahme der russischen GRU und des israelischen Mossad.
Diese Spionage-Romantik endete spätestens in den 1960ern.
Ein passender Vergleich wären vielleicht das Bundeskriminalamt oder Europol. Die selber – vereinfacht - gar keine bewaffneten Polizisten haben. Wie der Laie sich das so vorstellt. Sondern die ermitteln und sagen dann den Polizeibehörden oder dem SEK vor Ort Bescheid.
Ich denke, für unsere Zwecke ist das Bild viel zutreffender, als James Bond.
Der BND und Scheinfirmen
In der Bundesrepublik haben wir drei Nachrichtendienste.
Zum ersten haben wir den Bundesnachrichtendienst, den BND. Er ist der Auslandsnachrichtendienst Deutschlands. Und er hat im Ausland einen sehr guten Ruf. Anders, als das in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Die Deutschen sind traditionell echt gut in dem Job. Gestapo, Stasi, bessere Referenzen kann man kaum haben.
Der BND wurde gegründet von dem ehemaligen Leiter „Fremde Heere Ost“ Generalmajor Reinhard Gehlen, weshalb er auch lange Zeit nur „Organisation Gehlen“ genannt wurde. Sein Sitz war im bereits erwähnten Pullach, was in Nachrichtendiensten lange als Synonym verwendet wurde. Inzwischen sitzt er in einem romantischen Betonklotz in Berlin. Mit vielen Außenstellen.
Eine der so genannten Legenden des BND war beispielsweise die „Studiengesellschaft zur Förderung wissenschaftlicher Arbeiten m.b.H.“ (Als „Legende“ bezeichnet man eine falsche Vita, es wird auch für Scheinfirmen verwendet.) Das war keine Studiengesellschaft, sondern der BND.
Das „Amt für Auslandsfragen“ und das „Amt für Militärkunde“ waren oder sind auch solche Legenden.
Die „Zeman Flugtechnik und Logistik München GmbH“ ist für das Flugzeug des Präsidenten des BND zuständig, die „LCAS Logistics-Coordination & Assessment Service Hohenstein & Hagen GmbH“ war vor allem in Priština im Kosvo tätig. Die Zahlungen für den Informanten Rafid Ahmed Alwan kamen von einer Firma namens „Thiele und Friedrichs“ in München. Und die „Hauptstelle für Befragungswesen“, die Flüchtlinge und Asylbewerber befragt, wird auch nicht vom Einwohnermeldeamt geleitet.
Das sollte man mal im Hinterkopf behalten, wenn Medien und Wagenknecht darüber fabulieren, dass „die Spur“ der Sprengung von Nord Stream über Firmen in Polen „in die Ukraine führt“.
Es ist ohne Übertreibung mitleiderregend und zum Fremdschämen, was da von Leuten öffentlich salbadert wird. Geheimdienste drucken „echte“ Ausweise selber und gründen Firmen.
An dieser Stelle muss ich erneut ein sehr grundlegendes Prinzip der Nachrichten- und Geheimdienste einwerfen: das „need to know“. Jeder Einzelne muss, darf und soll nur das wissen, was er für seinen Job braucht.
Ich würde sehr viel Geld darauf wetten, dass viele Menschen inzwischen für den BND gearbeitet haben, ohne zu wissen, dass sie für den BND gearbeitet haben.
Als ich – gleichsam durch Leserinnen und Leser genötigt – zum „MilBlogger“ wurde, wurde ich oft gefragt, ob ich das alles erzählen darf. Dazu kann ich immer nur sagen: Was ich erzähle stammt aus offenen Quellen, ist verjährt oder ist von mir, als winziges Rädchen im Getriebe, so unwichtig, dass da kein Hahn mehr nach kräht. Ich weiß schon ganz gut, was ich erzählen kann.
Einige Dinge erzähle ich nicht. Ich verspreche aber, dass die für die Allgemeinheit so wenig spektakulär sind, dass es sicher nicht lohnt, da irgendein Fass aufzumachen.
Die anderen zwei Beiden
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ist die deutsche Spionage-Abwehr im Inneren. Dazu gehören wiederum die Landesämter für Verfassungsschutz.
Der Verfassungsschutz wird tätig, wenn die demokratische Ordnung der Bundesrepublik im Inneren, aber auch von außen bedroht ist. Er verfügt aber über ähnliche Mittel wie der BND.
Denken wir einmal kurz darüber nach, ob der sich wohl – wie jüngst behauptet – mit so etwas wie einem Böhmermann-Bericht abgeben würde.
Und der Dritte im Bunde ist der MAD, der Militärische Abschirmdienst. Seine Aufgaben sind vor allem, die Verfassung gegenüber dem Militär im Inland zu verteidigen. Sein Sitz ist in Köln.
Diese Aufgabenverteilung ist sehr offensichtlich ein Erbe der Erfahrungen aus dem Dritten Reich.
Mit dem MAD hatte ich mehrfach zu tun. Beispielsweise musste ich zwei Überprüfungen durchlaufen, um mit Geheimunterlagen umgehen zu dürfen.
Der BND gehört direkt zum Kanzleramt, der Verfassungsschutz zum Innenministerium und der MAD natürlich zum Verteidigungsministerium.
Trotzdem treffen sich alle drei wöchentlich im Bundeskanzleramt. Diese Runde wird üblicherweise einfach nur „Große Lage“ genannt. Dann weiß jeder Bescheid. Es ist offiziell die „Präsidiale Lage“ weil da die Präsidenten der Dienste zusammenkommen. Und deshalb ist der Bundeskanzler immer der am besten informierte Politiker in Deutschland. Irgendwelche Bundestags-Hinterbänkler wissen auch nicht mehr als Du oder ich.
Die militärische Aufklärung
Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass die Bundesrepublik gar keinen militärischen Geheimdienst zur Aufklärung hat. Beim BND arbeiten zwar einige hundert Soldaten in Zivil. Sie tragen keine Uniform und sind an das Kanzleramt ausgeliehen. Aber das ist ja irgendwie nicht das Gleiche.
Das ist auch gar nicht nötig. Denn auch in anderen Staaten sind diese „Aufklärer“ primär Soldaten. Nur gehören sie auch weiterhin zu den normalen Streitkräften. Die Grenzen verschwimmen an der Stelle mehr, als sie es bei Abwehr und Aufklärung, militärisch und zivil, eh schon tun.
Auch ich rannte mal in zivil mit einem Köfferchen mit Handschelle dran rum. Was bei einem olivfarbenem Auto und einem Fahrer in Uniform so geheim und sinnvoll ist, wie ein Laden für Übergrößen mit neutralen Einkaufstüten.
Ich war Auswerter, spezialisiert auf die russische Überwasser-Flotte. Und eigentlich ganz normaler Soldat. Und wie es dazu kam, erzähle ich im nächsten Teil (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).