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Wir sind noch ganz beseelt vom Start unseres Podcasts und den vielen tollen Rückmeldungen von unseren ersten Hörer*innen.

Falls Du die News verpasst hast: Gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung haben wir den „Pod der guten Hoffnung“ gestartet. Hier geht’s zur ersten Folge (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) – mit einem der renommiertesten Klimaforscher der Welt: Wolfgang Lucht.

Heute haben wir eine weitere wichtige Stimme aus der Wissenschaft zu Gast: Deutschlands bekannteste Energieökonomin Claudia Kemfert – zum mittlerweile dritten Neujahrsinterview in der Treibhauspost.

Vielen Dank an alle Partnerorganisationen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und an alle Steady-Mitglieder, die unsere Arbeit ermöglichen.

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Die Menschheit lebt für drei Planeten

Ab 2025 könnten die weltweiten Emissionen im Energiebereich endlich sinken. Gleichzeitig müssen auch Teile der Wirtschaft schrumpfen, sagt Claudia Kemfert im Interview. ~ 7 Minuten Lesezeit

Hallo Claudia, in unserem Neujahrsinterview (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) vor einem Jahr hast du Deine Utopie für 2023 beschrieben. Wie fällt zwölf Monate später dein Reality Check aus?

Ich bin leider eher ernüchtert. Es wäre deutlich mehr möglich gewesen. Zwar wächst der Ausbau erneuerbarer Energien, aber nicht mit dem nötigen Turbo. Und es fließen noch immer viel zu viele Investitionen in fossile Energien, auch aus Deutschland. Ein 9-Euro-Ticket ist leider auch nicht mehr im Gespräch. 

Immerhin wird es das 49-Euro-Ticket in diesem Jahr weiterhin geben. Das ist besser als gar nichts, aber immer noch viel zu teuer, vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen. Es geht in Trippelschritten vorwärts. 

Manchmal fühlt es sich sogar an, als würden wir Rückschritte machen. Kommen wir denn momentan überhaupt voran?

Wir machen drei Schritte vor und zwei zurück. Das wird bei Weitem nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erfüllen. Im Gebäudesektor sinken die Emissionen nicht, im Verkehr steigen sie sogar. Dass die Emissionen in Deutschland insgesamt sogar in erforderlichem Ausmaß zurückgehen, ist zwar erfreulich, liegt jedoch nicht an guter Klimapolitik, sondern daran, dass insbesondere die Industrie aufgrund der Energiekrise verstärkt Gas eingespart hat. 

Claudia Kemfert ist Abteilungsleiterin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Seit über 20 Jahren forscht sie zu Energie und Klima. 📸Thorsten Futh (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Außerdem kommen Kohlekraftwerke weniger zum Einsatz, da der CO₂-Preis in Europa recht hoch ist, was erstmal eine gute Nachricht ist. Und beim Ausbau der erneuerbaren Energien haben wir erfreulicherweise Fortschritte gemacht. Trotzdem: Wir hinken noch immer beim Erreichen fast aller Ziele hinterher, sei es bei Wärmepumpen, Elektrowagen, Ladesäulen oder beim Wasserstoff-Ausbau.

Laut IEA stehen wir bei der Energiewende weltweit kurz vor einem Wendepunkt: Bis 2030 wird ihr Anteil von 30 auf fast 50 Prozent steigen, so die Prognose. Und ab 2025 könnten die weltweiten CO₂-Emissionen im Energiebereich endlich sinken. Heißt das, wir können ein wenig aufatmen?

Eine optimistische Prognose, die durchaus eintreten kann. Die Märkte entwickeln sich glücklicherweise in die Richtung, dass erneuerbare Energien immer preiswerter werden und damit deutlich wirtschaftlicher als die fossilen. 

Wenn endlich weniger in fossile Energien investiert wird und stattdessen nur noch in Erneuerbare, genauso wie in Elektromobilität, den ÖPNV und in energetische Gebäudesanierung, dann kann der Wendepunkt wirklich gelingen.

Die Stimmung in der Gesellschaft ist extrem angespannt, wir erleben einen beängstigenden Rechtsruck in Deutschland und darüber hinaus. Wie hängt das Erstarken der Rechten mit der Klimakrise zusammen?

Der Rechtsruck passiert ja sogar weltweit. Dahinter stecken Desinformation und soziale Spaltung. Das Weltwirtschaftsforum in Davos hat kürzlich vor beidem als global größte Risiken gewarnt. 

Fünf der zehn weltweit größten Risiken betreffen mittelfristig Klimafolgen und Planetare Grenzen. 📸: Global Risks Report 2024 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Es werden weiterhin Fake News über die Klimakrise und Hetzkampagnen gegen Wissenschaftler*innen verbreitet und damit Zweifel an Wissenschaft und politischen Maßnahmen gesät. Mit gezielten Hass- und Hetzkampagnen wird die Gesellschaft gespalten und die Demokratie gefährdet.

Dieser Hass fällt auf fruchtbaren Boden, oder?

Ja, denn die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Eine jüngst veröffentlichte Studie von Oxfam zeigt, dass die fünf reichsten Männer der Welt ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppelt haben, während es bei den ärmsten fünf Milliarden Menschen zurückging.

Die perfiden Hetzattacken funktionieren. Leider.

Dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird, hat fatale Folgen. Soziale Unruhen nehmen zu, die Demokratie ist in Gefahr. Menschen, die wenig haben, können mit polemischen Anti-Klimaschutz-Parolen leicht aufgehetzt werden.

Die Umverteilung nach ganz oben geht weiter. 📸: Oxfam Inequality Report (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

Solche Fake News sind eine ernste Gefahr. Absichtlich werden Demokratien angegriffen und dem Gemeinwohl geschadet. Das wird von den wenigsten wirklich verstanden und gesehen. Die perfiden Hetzattacken funktionieren. Leider.

In einem deiner Forschungsprojekte geht es aktuell um sozialen Ausgleich beim Klimaschutz. Wie wichtig wäre die Einführung eines Klimagelds?

Ich halte es für sehr wichtig. Besonders wenn der CO₂-Preis weiter steigt und damit auch die Belastungen für Menschen mit niedrigem Einkommen zunehmen. Nicht nur unsere Studien zeigen, dass ein nach Einkommen gestaffeltes Klimageld diese Menschen besonders entlasten kann.

Wir bräuchten, wenn wir weitermachen wie bisher, drei weitere Planeten in Reserve.

Das sollte aber nicht alles sein, sondern nur eine Komponente von Vielen. Wir benötigen auch einen attraktiven und preiswerten ÖPNV – da sind wir wieder beim 9-Euro-Ticket – und vor allem auch finanzielle Unterstützung für die energetische Gebäudesanierung.

Robert Habeck sagte kürzlich auf einer Konferenz, dass er von Suffizienz und Degrowth – also kurz gesagt: weniger Produktion und Konsum – nicht viel halte. Du hast entgegnet, dass wir uns unbedingt mit diesen Konzepten beschäftigen müssen. Warum ist das wichtig?

Ohne Suffizienz wird es nicht gehen. Suffizienz darf aber nicht gleichgesetzt werden mit Degrowth. 

💌 Ausgabe #49 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): Wie hängen Wirtschaftswachstum und Erderhitzung miteinander zusammen?

Kannst Du den Unterschied kurz erklären?

In manchen Bereichen brauchen wir Wachstum – bei Bildung, Gesundheit oder Umweltschutz. Ich würde sagen: Das Ziel ist ein Wandel hin zu einer vorsorgeorentierten Postwachstumsökonomie. 

Das musst Du jetzt erst recht erklären.

Wir leben in den Industriegesellschaften weit über unsere Verhältnisse und bräuchten, wenn wir weitermachen wie bisher, drei weitere Planeten in Reserve. Das kann nicht gehen. 

In vielen Bereichen dürfen wir nicht weiter wachsen, sondern müssen schrumpfen. All die Bereiche, die das Klima und die Umwelt zerstören, unsere Gesundheit gefährden und uns insgesamt als Gesellschaft schaden, dürfen nicht weiter wachsen. 

Und gleichzeitig benötigen wir Suffizienz?

Ja, zum Beispiel im Energiebereich. Hier heißt Suffizienz vor allem: elektrifizieren. Vom Einsatz von Wärmepumpen in der Industrie und in Wohnhäusern über Elektromobilität auf Straße und Schiene bis hin zur Herstellung von grünem Wasserstoff für ausgewählte Industriebereiche.

Das wird den Stromverbrauch zwar deutlich steigen lassen. Trotzdem kann gleichzeitig der Primärenergieverbrauch – also die Energie, die wir für Heizen, Tanken oder aber die Erzeugung des Stroms benötigen – sinken. 

Woran liegt das?

Daran, dass das jetzige, konventionelle Energiesystem unglaublich ineffizient ist. Sehr viel Energie verpufft ungenutzt. Wenn die Effizienz steigt, dann sinkt insgesamt der Energiebedarf. Ein Elektromotor hat beispielsweise einen Wirkungsgrad von über 70 Prozent, im Gegensatz zum Verbrennungsmotor mit maximal 40 Prozent. 

Ohne Suffizienz wird es nicht gehen.

Suffizienz heißt auch, dass wir nicht den von manchen erträumten Szenarien folgen, überall unnötigerweise Wasserstoff einzusetzen. Dieser muss nämlich aufwändig hergestellt werden. Das ist nicht nur unvereinbar mit den Nachhaltigkeitszielen, sondern erhöht zudem die Kosten deutlich.

Hast du noch ein Beispiel? 

Ja, im Bereich Ernährung: Es wäre deutlich effizienter für den Energie- und Ressourcenverbrauch, wenn wir weniger Fleisch und dafür mehr pflanzliche Produkte essen würden. Ganz abgesehen davon wären wir wieder mehr im Einklang mit der Natur und unserer Gesundheit.

Als kleiner Ausblick zum Schluss: Wenn es um mögliche Durchbrüche beim Klimaschutz geht – welche Termine und Ereignisse sind 2024 in Deinem Kalender rot markiert?

Auf jeden Fall die nächsten Klimakonferenzen, sowohl die UNFCCC in Bonn im Juni als auch die Haupt-Klimakonferenz im Dezember in Aserbaidschan. Und dann wäre da noch der 30. Welttag gegen Wüstenbildung und Dürre, der kurz danach in Deutschland stattfindet.

Und natürlich die Europawahl am 9. Juni und die US-Wahlen im November. Es wird in vielerlei Hinsicht ein aufregendes und hoffentlich gutes Jahr fürs Klima.

Liebe Claudia, danke Dir für das Gespräch.

Was ist Deine Meinung zum Klimadilemma?

Unser neuer Podcast in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung ist an den Start gegangen: Jeden zweiten Mittwoch erscheint ab sofort eine neue Folge von „Pod der guten Hoffnung“.

Auch zu hören bei: Apple Podcasts (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) | Soundc (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)loud (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) | He (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)inrich-Böl (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)l-Stif (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)tung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Am Ende jeder Folge besprechen wir ein Klima-Dilemma. Was das sein soll? Hör doch am besten gleich mal rein:

Du kannst hier und jetzt selbst über das Klima-Dilemma abstimmen! Was meinst du?

Sollten wir uns mehr mit der Klimakrise beschäftigen, auch wenn es uns danach schlechter geht?

👍 Ja, auf jeden Fall. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

👎 Nein, lieber nicht. (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Die Auswertung unserer kleinen Community-Umfrage gibt’s in der nächsten Treibhauspost-Ausgabe. Die bekommst Du am 10. Februar – frisch gedruckt – in dein E-Mail-Postfach geliefert. Bis dahin!

Herzliche Grüße
Julien & Manuel

Treibhauspost-Partner (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

💚 Herzlichen Dank für die Unterstützung an alle Treibhauspost-Partner:

🤝 Mehr über unsere klima-engagierten Partnerorganisationen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

💌 Außerdem danken wir allen Mitgliedern, insbesondere Eckart v. H., Malte K., Gabriele S., Yannic W., Michael K., Susanne B., Johanna T., Harry L., Maren W., Birgit J., Max H., Jennifer S., Astrid K., Günter R., Ingke P., Derek B., Judith G., Lukas L., Christopher K., Martin D., Svenja G., Ruth L., Jonas K., Benedikt S., Frank W., Chris B., Anna G., Jeremiah B., Jörg A., Brigitte K., Alex K., Valeska Z., Hans Christian M., Elke J., Lari H., Thomas K., Ulrich S., Sigurd M., Peter B., Malte N., Martin V., Macha B., Familie E., Petra F., Birgit S. & K. F., Beate H., Antje H., Konrad H., Volker H., Markus H., Stefanie J., Oliver K., Joanna K., Klemens K., Alois K., Reto L., Annika N., Johannes P., Ralf R., Isabel S., Sabine S., Guido S., Annette T., Daniela T., Kurt W. und Anett W., die uns mit den höchsten Beträgen supporten!

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