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Die Klarinette: von keusch bis Klezmer

Die Instrumentenreihe in den Schleichwegen geht weiter mit zehn Mal Musik für Klarinette

Detail einer Klarinette (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)
Foto: Steffen Zahn, CC BY 2.0 (Flickr)

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Wenn man fragt, wie eine Klarinette klingt, bekommt man erstaunlich widersprüchliche Auskünfte. Für die einen ist sie ein Sinnbild für Ausgelassenheit und gute Laune, wenn sie loslegt, muss man grinsen. Für die anderen hat sie lyrische (also “gesangliche”) Qualitäten und passt besonders gut zu einer sanften, vielleicht melancholischen Stimmung. Und dann gibt es die jüdische Klezmermusik, in der beides zusammenkommt: Man erkennt die typischen Klarinettenseufzer in dieser Musik sofort – und wenn nicht, hör dir unten das Beispiel mit dem Klezmer-Meister Giora Feidman an (es ist wie alle in diesem Text erwähnten Stücke unten verlinkt).

Tatsächlich mag eine Erklärung für die sehr unterschiedliche Wahrnehmung des Charakters der Klarinette darin liegen, dass es nicht die Klarinette gibt. Wenn nichts dazu gesagt wird, ist meist die sogenannte B-Klarinette gemeint. Es gibt aber über ein Dutzend verschiedene Arten von Klarinetten, die teils sehr unterschiedlich schwer zu spielen sind. In einem Sinfonieorchester finden sich neben zwei sogenannten B-Klarinetten noch zwei A-Klarinetten (die einen Halbton tiefer klingt) und für manche Werke braucht es auch noch eine kleine Es-Klarinette und eine Bassklarinette. Je nach Tonart ist die eine leichter zu spielen als die andere (hier wird genauer erklärt, warum (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)).

Eine dritte Eigenschaft, die mit der Klarinette assoziiert wird, ist der manchmal sehr “keusche” Ton. Das ist erstmal ein merkwürdiges Bild, aber wenn du dir den 2. Satz aus dem Mozart-Klarinettenkonzert anhörst (auch unten verlinkt), kannst du es dir vielleicht vorstellen. Hier gibt es kein Vibrato (also kein Beben, kein Schwingen des Tons, wie man es bei Streichinstrumenten oft hört), es findet kein unnötiges Drama statt, der Ton klingt ganz rein und klar. Genau das kann gewünscht sein in einem Werk wie Mozarts Klarinettenkonzert, seinem letztem vollendeten Stück.

Erstaunlicherweise ist es aber auch die Klarinette, die mit ihrer sauberen Klangfarbe die ergreifendste Musik trägt, wie das Konzert für Klarinette und Streichorchester von Aaron Copland (wohin es einen eigenen Schleichweg gibt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)).

In ihrer heutigen Form ist die Klarinette eine Erfindung des 18. Jahrhunderts, sie ist also ein relativ junges Instrument, vergleicht man sie mit der viel älteren Geige oder dem Cello. Es ist wahrscheinlich Quatsch zu behaupten, dass deswegen auch noch im 20. Jahrhundert sehr viel tolle Klarinettenmusik geschrieben wurde – aber auffällig ist es schon! Da wäre zum Beispiel Ruth Gipps’ (sehr) spätromantische Klarinettensonate op. 45 von 1955, inspiriert von ihrem Mann, einem Klarinettisten. Und, kaum zu glauben, dass sie fast zeitgleich entstand: Francis Poulencs wilde und extrem unterhaltsame Sonate für Klarinette und Klavier ist von 1962.

Diese neuere Klarinettenmusik, so unterschiedlich sie auch ist, steht auf den Schultern der großen Klarinettenwerke des 19. Jahrhunderts, darunter den Fantasiestücken op. 73 von Robert Schumann (von 1849) und dem Klarinettenquintett in b-moll op. 115 von Johannes Brahms (1891/92). Wie Mozarts Klarinettenkonzert ist auch dies ein Spätwerk. Brahms hatte sein Testament bereits aufgesetzt (lebte dann aber zum Glück noch etliche Jahre – komponierend! – weiter).

Die Klarinette ist mit ihrem klaren, reinen Ton etwas für die ernsteren, späteren Lebenstage? Kann man auch nicht sagen, denkt man nur George Gershwins “Rhapsody in Blue”. Es ist kein Stück ausdrücklich für Klarinette, aber es wäre ziemlich undenkbar ohne das Klarinettenglissando am Anfang, also das Raufrutschen des Tons. Hör es dir gleich mal an!

Im Folgenden verlinke ich die kompletten Klarinetteplaylist: für YouTube, Spotify und Apple Music:

https://www.youtube.com/playlist?list=PLBOdcxZKcdRVaNtTsZumr5nDKhmk4Tudd (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)https://open.spotify.com/playlist/2JvNaiEHChPvnz95OFACI1?si=64c2329ce9fa43ad (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)https://music.apple.com/de/playlist/10x-klarinette-schleichwege-zur-klassik/pl.u-WabZpEjs9ZX9b (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Wie klingt die Klarinette für dich? Ich freue mich, von dir zu hören. Zahlende Schleichwege-Mitglieder können hier in die Kommentare schreiben, alle anderen gerne per Mail.

Herzliche Grüße aus Berlin
Gabriel

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