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PBN-News mit Politiker:innen, die das Sparen lieber anderen überlassen

Ihr Lieben,

ja, ist denn heut’ schon Donnerstag?

Nö, keine Sorge. Ihr habt noch ausreichend Zeit, alle Geschenke und veganen Gänse zu besorgen. Doch bevor sich zum Ende der Woche hin endgültig die Vorweihnachtsfreudenseeligkeit über uns legt, wollte ich noch kurz ein Thema droppen, das in meinem Hinterkopf herumspukt, seitdem Philipp und ich im Frühjahr die Prenzlauer Berg Nachrichten zurückübernommen haben.

Als vor vier Wochen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)in Berlin der Sparhammer fiel, dachte ich: Jetzt muss ich das aber wirklich mal recherchieren.

Bitteschön.

Thema der Woche: Bürgerbüros ohne Bürger:innen

Worum geht's?

Seit 2014 dürfen die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses Büros in ihren Wahlkreisen unterhalten – um durch mehr Nähe zwischen Bürger:innen und Politik die Demokratie zu stärken (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Zudem sollte damit die Platznot im Parlamentsgebäude gelindert und manche Schreitische ausgelagert werden. Für viele Politiker:innen und ihre Mitarbeitenden ist das Kiezbüro aber ein zusätzlicher Bürostandort.

150 solcher Büros gibt es mittlerweile in ganz Berlin, 13 davon in Pankow.

Jedes Jahr kosten sie das Land Berlin über sieben Millionen Euro. Doch ob sie ihren Zweck erfüllen und Volk und Politik wirklich einander näher bringen, hat in den zehn Jahren seit der Einführung nie jemand überprüft.

Warum ist das wichtig?

Berlin fehlen im kommenden Jahr drei Milliarden Euro. Der Senat möchte an Kultur, Sozialem und der Sanierung von Schulen sparen. Aber nicht bei sich selbst.

Von den Einsparungen der Koalition sei der für die Bürofinanzierung zuständige Bereich des Haushalts nicht betroffen, erklärt eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen.

Jeden Tag gehe ich zwischen Arbeit, Kita und Zuhause an unterschiedlichen Kiezbüros vorbei. Oft sind sie geschlossen. Manchmal sitzen einzelne Mitarbeitende zusammen. Ab und an ist auch die AGH-Mitglied selbst da. Nur Bürger:innen sehe ich dort fast nie.

Was sind die konkreten Kosten?

In diesem Jahr sind 7,1 Millionen, im kommenden 7,6 Millionen Euro auch für die Finanzierung der Büros vorgesehen. Das Geld kommt dabei aus mehreren Töpfen:

  • Jedem AGH-Mitglied steht pro Monat eine “allgemeine Kostenpauschale” von 3.184 Euro (Erhöhung 2025 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) auf 3229 Euro) zur Verfügung. Davon müssen Porto- und Fahrtkosten, aber auch die Kiezbüros bezahlt werden. Insgesamt stehen in diesem Jahr 6,45 Mio. Euro dafür im Haushalt bereit. Im kommenden sind es 7,1 Mio. Euro.

  • Alle Abgeordneten, deren Büro-Bruttowarmmieten über 1.000 Euro liegen, wird die Kostenpauschale erhöht. Dafür sind 2024 und 2025 jeweils 180.000 Euro vorgesehen.

  • Zudem hat das Land Berlin in diesem Jahr 507.000 (2025: 338.000) Euro für die Ausstattung der Büros eingeplant. Bezahlt werden können davon Möbel, Computer oder auch kleinere Reparaturen.

Darüber hinaus erhält jedes MdA aktuell bis zu 7.325 Euro monatlich für bis zu vier Mitarbeitende. Je mehr Standorte man bespielen möchte, desto mehr Mitarbeitende benötigt man.

Was sagen die Politiker:innen?

Insgesamt habe ich acht Anfragen rausgeschickt. Fünf Büros haben geantwortet, drei trotz Nachfrage nicht.

Diese fünf eint, dass sie die Bedeutung der Büros für die Vernetzung in den Kiezen betonen. Dass sie eine Vielzahl von Aktivitäten anführen, von der Mieter:innen-Beratung bis zur Kleidertauschparty. Und dass sie sehr schwammig werden, wenn es darum geht, Auslastung und Erfolg ihrer Angebote zu beziffern. Eine Besucher:innen-Statistik führt niemand.

Konkret:

Tino Schopf (SPD) scheint sehr umtriebig und hat die Anfrage am schnellsten beantwortet. Er öffnet sein Büro in der Bernhard-Lichtenberg-Straße Dienstag bis Freitag von 10-18 Uhr, auf Anfrage auch ab 7 Uhr. Er organisiert Kiezspaziergänge und bietet Miet- und Rentenberatung an. Am Wochenende macht er auch mobile Sprechstunden, etwa am Arnswalder Platz oder am Mühlenberg-Center. Wer auf seine Website (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) schaut, sieht, dass er die meisten Termine für Bürger:innen aktuell außerhalb seines Büros anbietet.

Louis Krügers (Grüne) Büro in der Berliner Straße kostet 1.000 Euro Miete, plus Wasser, Strom und Büroinfrastruktur. Er bzw. sein Team bieten zweimal in der Woche Sprechstunden (Mi 10-18, Fr 12-15 Uhr) sowie einzelne Aktionen an, von Lesungen über Wohnzimmerkonzerte bis zum Naturkosmetik-Workshop. Dann kommen bis zu 50 Menschen (mehr passen laut Krüger auch nicht rein). “Ich weiß, dass es für viele Überwindung kostet, einfach in ein Politiker_innen-Büro zu gehen. Aber ich möchte jede_n ermutigen, diesen Schritt zu wagen.”

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Daniela Billig und Andreas Otto (Grüne) teilen sich gemeinsam mit dem grünen Bundestagsmitglied Stefan Gelbhaar ein Büro in der Prenzlauer Allee. (Solche Kombinationen sind ausdrücklich erlaubt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Die Kostenpauschale für die Landespolitiker:innen sinkt dann um 150 Euro.) Es wird von "mehreren hundert Menschen im Jahr" besucht. Etwa alle drei Monate wird eine neue Ausstellung in den Büroräumen eröffnet. Zum Langen Tag der Stadtnatur werden auch mal gemeinsam Nistkästen gebastelt. Zudem gebe es regelmäßige Sprechstunden, auch mobil, sowie Saubermach-Aktionen in den Kiezen, heißt es aus dem Büro. Auf der Website (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) von Daniela Billig finden sich aktuell unter “Termine” nur Sitzungen im Abgeordnetenhaus. Andreas Otto verweist auf die Möglichkeit (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) zur direkten Ansprache per Mail oder Telefon.

Als praktische Erfolge durch den direkten Kontakt zwischen Politik und Wählenden werden etwa die Suche nach neuen Räumen für eine Kita oder die Umsetzung einer verkehrsgefährdenden Litfaßsäule genannt. Die Abgeordneten und Mitarbeitenden teilen sich nach einem Reise-nach-Jerusalem-Prinzip die Schreibtische im Abgeordnetenhaus und dem Büro. Fiele letzteres weg, hätten nicht mehr alle einen Arbeitsplatz.

Katrin Seidel (Linke) empfand die Anfrage als "Kontrolle, ob ihre Mitarbeitenden auch arbeiten". Im Gespräch stellte sich heraus, dass diese, im Gegensatz zu vielen anderen, kein zusätzlichen Arbeitsplätze im Abgeordnetenhaus haben. Seidels Team bietet zweimal im Monat Sozial- und Mietberatung, sie selbst regelmäßig Sprechstunden an. Zudem dient der Standort als Geschäftsstelle der Pankower Linken. Auch das ist erlaubt (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), solange Räumlichkeiten und Personal getrennt bleiben.

Johannes Kraft (CDU) schrieb: “Die aktuelle Terminlage lässt eine (auch auf Schätzungen basierende) Beantwortung Ihrer Fragen nicht zu.” Er lud aber zu einem Besuch seines Büros im kommenden Jahr ein. Auf seiner Website findet sich unter Termine (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) einmal im Monat eine Bürgersprechstunde im Büro. Zudem stand dort in der Adventszeit ein Weihnachtswunschbaum für gute Zwecke.

Julianes Kommentar:

Politik in die Kieze zu tragen ist eine tolle Idee. Doch selbst die Abgeordneten scheinen nicht davon überzeugt zu sein, dass ein Büro dafür das richtige Werkzeug ist. Oder warum sonst stellen sie sich freiwillig vor das Mühlenberg-Center oder den nächsten Rewe, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen?

Die Büros wurden eingeführt, um Politik und Bürger:innen wieder mehr zusammenzubringen. Doch was dafür getan wird, ist bislang komplett vom Engagement der einzelnen Abgeordneten und deren Mitarbeitenden abhängig. Es gibt keine Mindeststandards für Öffnungszeiten oder Angebote und niemand kontrolliert, wie viele Menschen diese nutzen.

Ob die Büros für mehr Nähe sorgen, wurde in zehn Jahren nie überprüft.

Ebenso wurde nicht evaluiert, ob in Zeiten des Homeoffices im Abgeordnetenhaus immer noch Platznot herrscht. Stattdessen finanzieren wir mit unserem Steuergeld 150 Einzelbüros, oft in Innenstadtlage zu entsprechenden Preisen.

Manche setzen, wie Andreas Otto und Daniela Billig, zwar auf Synergien. Aber bei 150 Büros für 159 Abgeordnete ist da noch Luft nach oben. Denkbar wären etwa Politik-Hubs, die die demokratischen Parteien gemeinsam bespielen und so für vielfache Aktions-Power, geteilte Kosten sorgen. Das ganze könnte ja auch cool sein und wirklich funktionieren. Das bisherige Arrangement tut das nicht.

Politiker:innen von SPD und CDU betonen dieser Tage gerne, wie wichtig das Sparen als gemeinsame Kraftanstrengung für Berlin ist. Dass wir alle effizienter arbeiten und uns von lieb gewonnenen Annehmlichkeiten verabschieden müssen.

Doch sich selbst nehmen sie davon aus.

So schafft man nicht mehr Nähe zwischen Bürger:innen und Politik. So schafft man Politikverdrossenheit.

Ihr habt eine Meinung? Erfahrung? Was zum Thema zu sagen? Schreibt mir gerne an redaktion@prenzlauerberg-nachrichten.de (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) oder hinterlasst eine Nachricht im

Machen

So. Das war’s für dieses Jahr. Ich danke euch allen fürs Mitlesen und Mitmachen, für die tollen Themen, den Austausch und freue mich auf alles, was 2025 kommen mag.

Wer sich (oder uns) noch rasch ein Weihnachtsgeschenk machen möchte, kann sehr gerne eine Mitgliedschaft abschließen und unsere Arbeit auch finanziell unterstützen.

Habt ein famoses Weihnachten. Wir sehen uns auf der anderen Seite.

Viele Grüße, auch von Philipp,

Juliane von den Prenzlauer Berg Nachrichten

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