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Auf gescheiterte Drogenbekämpfung folgt… noch mehr Drogenbekämpfung 🙄

Meine lieben Unterstützer*innen,

morgen in einer Woche bin ich zu einer Debatte eingeladen, die euch, bestimmt, so wie mich gestern die Anfrage, vom Stuhl hauen wird. :) Ich darf leider noch nicht öffentlich machen, worum es geht. Sie wird von den Veranstaltern als Überraschung geplant. Zur Debatte steht Frage “Alle Drogen legalisieren?”. Auf der Gegenseite sind keine Populisten, sondern, zwar nicht ganz abgeneigte, aber Eher-nein-Leute. Das wird nicht nur informativ und strittig in den interessanten Details, sondern bestimmt auch viel Spaß machen. Ich freue mich unendlich auf diese Chance, elementare Kernideen an ein unfassbar großes Publikum zu bringen. Es gibt keine Live-Übertragung, aber bald danach eine Aufnahme.

Das ist es zwar nicht, aber zur hypothetischen Überlegung und Vorbereitung: Angenommen ihr hättet 10 Minuten in der Tagesschau, um eure Wünsche für die deutsche Debatte und eine ideale Drogenpolitik unterzubringen. Was würdet ihr betonen? Welches Argument oder welcher Missstand braucht gerade am dringendsten eine große Bühne? Gebt mir das gerne bis kommenden Freitag (28.6.) mit!

Kriegen wir die gescheiterte “Drogenbekämpfung” allmählich doch mal klein?

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Eines meiner Kernanliegen für die Debatte ist, über die Bedeutung der aktuell wieder stark aufflammenden Strategie der “Drogenbekämpfung”, bzw. oft “Kriminalitätsbekämpfung” genannt, aufzuklären. Beispielsweise brauchen Forderungen aus der Hölle wie die aktuelle der Polizeigewerkschaft BDK (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), eine drogenpolitische Einordnung. Denn wenn der BDK & Co. von “neue[n] Wege[n] in der Bekämpfung Organisierter Kriminalität” sprechen, meinen sie nicht etwa eine Abkehr von den gescheiterten Strategien – sie meinen also nicht, sozialen, ökonomischen und antirassistische Ansätzen endlich Vorrang zu geben und die Realität des Interesses an illegalen Drogen anzuerkennen – sondern sie meinen damit, Öl ins Feuer zu gießen: Sie möchten den Verfassungsschutz in die “Bekämpfung der Organisierten Kriminalität” involvieren und, wie üblich, die angeheizte politische Debatte nutzen, um den Ausbau ihrer eigenen Ressourcen zu begründen.

“Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) fordert im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität eine Stärkung der Kriminalpolizei sowie den Einsatz der Verfassungsschutzbehörden. […] Der Interessenvertreter der Kriminalbeamten [Dirk Peglow] betonte die Vorteile einer engeren Verzahnung: „So hätten wir insbesondere im Bereich der Vorfeldermittlung und Gefahrenabwehr mehr Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung, die dazu beitragen würden, kriminelle Netzwerke zu erkennen und nachhaltig zu zerschlagen.“ (Zum Artikel (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre))

Als ob das Zerschlagen der illegalen Ökonomie mittels Aufrüsten der Strafverfolgung ein erreichbares Ziel wäre… Die Nachfrage nach Drogen ist ungebrochen und, dieses Kernanliegen will ich in der Debatte auch betonen, legitim! Die weitere finanzielle und rechtliche Ausstattung von Behörden zu diesem Zweck wird Konflikte und Gewalt verschärfen. Das lässt sich vorhersehen. Das ist bekannt. Das wissen wir aus über 50 Jahren globaler “Drogenbekämpfung”.

Der Verfassungsschutz soll also bundesweit in die Überwachung involviert werden (2 Bundesländer machen das schon! Bayern und Hessen wtf…). Der Verfassungsschutz ist eine Institution, deren Arbeitsweise begrenzt öffentlich nachvollziehbar ist; die angeblich die Trennung zur Polizei einhält; deren Rassismus ein unklares Ausmaß hat. Drogenpolitik wird so oft aus der Perspektive der Strafverfolgung (“wie viel davon ist gut?” usw.) debattiert, aber vielleicht passt es für das ingesamt wohl recht aufgeschlossene Publikum (und die Diskutant*innen) in 8 Tagen, anzuregen, man solle Drogenpolitik besser von den realen Lebenswelten von Menschen (statt Institutionen) her denken.

“Drogenkrieg, yay!”

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Innenministerin Nancy Faeser und weitere aus konservativen Lagern verschiedener Parteien sowie ein Teil der Medien spielen seit ein paar Monaten verstärkt Drogenkrieg. Möglicherweise, weil mit der teilweisen Entmystifizierung von Cannabis eine Lücke zur Verteufelung entstanden ist. Oder weil man mit dem Populismus gegen das CanG gelernt hat, was für ein populistisch wirksames Instrument das Wettern gegen “Drogen” und “Drogenkriminalität” ist. Man mobilisiert gegen öffentlich sichtbare Konsument*innen von Crack (also gegen armutsbetroffene, wohnungslose Konsumierende von rauchbarem Kokain; es ist eine andere Debatte als jene über die öffentlich meist unsichtbaren Konsumierenden von Pulver-Kokain). Und man dreht die ewig gleiche Leier seit über 50 Jahren gegen den Drogenhandel und beschwört eine Strafverfolgung herauf, die nichts anderes anrichten wird außer weiteren Schäden und eine weitere Ausweitung von Befugnissen für Strafverfolgungsbehörden, die sie wie auch immer gegen die Bevölkerung einsetzen können. Transparenz, Rechenschaft und Aufarbeitung sind ja nicht ihre Stärken. Aber das alles auch noch basierend auf der ungerechtfertigten Unterscheidung nach legalen und illegalen Drogen. Auch das ist wohl immer wieder wichtig, in Erinnerung zu rufen oder zu erklären.

In einigen anderen Ländern hat man schon länger entdeckt, was für ein geeignetes politisches Instrument die Drogenkriegsführung ist, um sich Macht zu sichern und Befugnisse für Überwachung und Polizeipräsenz auszuweiten, die rechtsstaatlich eigentlich so umfassend und flexibel nicht vorgesehen sind. Die “Drogenbekämpfung” ist fabelhaft geeinget, solche Gesetzesänderungen anzuregen, weil sie von einem großen Teil der Bevölkerung gesellschaftlich akzeptiert oder gewollt ist und sie sich praktisch hauptsächlich gegen marginalisierte und arme Menschen und Minderheiten richtet, also sich die meisten Meinungsführer*innen in öffentlichen und politischen Debatten selbst eher nicht angesprochen fühlen. Und nicht zuletzt ist auch zu beachten, dass der “Drogenkrieg” von einigen Verantwortlichen mit wohligem Gewissen unter anderem gut meinend geführt wird. Wie es die vorherige CSU-Drogenbeauftragte und Daniela Ludwig 2021 im Deutschlandfunk-Interview (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) ausgedrückt hat:

DLF: Führen wir den Kampf gegen die Drogen? Den Krieg gegen die Drogen?

Daniela Ludwig: „Ja, führen wir“, sagt Ludwig. „Und dafür werbe ich auch. Und da bin ich mit Horst Seehofer sehr auf einer Linie. Wir müssen einfach davon wegkommen zu glauben, dass das Drogengeschäft so das an der Straßenecke ist.“

Was lässt sich machen?

Aufklären

Was dagegen hilft, ist, jetzt mit unserem Wissen über die schweren Folgen des inzwischen international als gescheitert anerkannten Drogenkriegs Gesellschaft, Politik und Medien über den Alltag der Strafverfolgung aufzuklären. Ebenso wie Bürgerrechtsorganisationen und andere menscherechts-orientierte Bewegungen und Mulitplikator*innen, die vermutlich vor allem infolge des Stigmas in der Bildung und in den Institution und dem Tabu, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, bislang zu wenig über den Alltag und die individuellen und gesellschaftlichen Funktionen und Folgen der “Drogenbekämpfung” wissen, um eine Position zu entwickeln, die ihrer Haltung entspricht.

2 neue #MyBrainMyChoice-Projekte

Kommenden Mittwoch (26. Juni) ist Weltdrogentag. Die My Brain My Choice Initiative wird zwei neue partizipative Projekte launchen, mit denen wir mit dem kollektiven Wissen von stigma- und kriminalisierungserfahrenen Personen einen sinnvollen Weg nach vorne entwickeln und in den politischen, öffentlichen, fachlichen und medialen Debatten längerfristig bereitstellen und vertreten werden. Ihr werdet herzlichst eingeladen sein, in den nächsten Monaten (punktuell oder längerfristig) mitzuwirken!

26. Juni: Fotoaktion für den Global Day of Action

Wir werden am Weltdrogentag außerdem als Teil des Global Day of Action Selfies in Social Media teilen, in denen wir uns mit dem Hashtag #SupportDontPunish positionieren. Die Fotoaktion (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) macht seit mehreren Jahren weltweit sichtbar, dass sich in sämtlichen Ländern der Welt, global vernetzt, Menschen für das Ende der Strafverfolgung und die Wahrung der Gesundheitsrechte einsetzen.

Macht ihr mit? Schickt mir euer Foto, z.B. mit dem ausgedruckten Logo (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) an philine@mybrainmychoice.de (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), oder einfach nur ein Selfie von euch, auf dem (MBMC-Mitwirkender) Goeran und ich das Logo platzieren werden. Gebt Bescheid, ob ihr namentlich genannt und verlinkt werden möchtet oder nicht. Sich mit dem Thema zu zeigen, ist natürlich eine Entscheidung, die man abwägen muss. Aber vielleicht können wir ja dennoch Leute unter euch gewinnen, die zur Fotoaktion beitragen. Wir würden uns freuen!

Mit besten Grüßen aus Berlin (und Montag bis Mittwoch in Bielefeld)
Eure Philine

PS: Letztes Mal habe ich von den Correlation-Workshops mit Péter Sárosi von der Rights Reporter Foundation erzählt. Hier sind nun alle Aufnahmen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Auch die neueste über Medienarbeit ist sehr sehenswert!

Bild: Uriel Soberanes (Unsplash)

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