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Hartes Pflaster für Händler

Warum an der Dresdner Straße wieder eine Laden-Besitzerin aufgeben muss – und was das mit Freitals Hauptstraße zu tun hat

Sabine Tara-Schunk muss ihre Laden schließen.

Der Geruch von Seife liegt noch in der Luft, doch die weißen Regale sind leer. Sabine Tara-Schunk hat sie ausgeräumt. Seit dem 3. August ist ihr Laden auf der Dresdner Straße in Potschappel geschlossen. „Seifenblase“ heißt er – nun ist ist sie geplatzt.

„Wenn nicht einmal die Miete reinkommt, ist Weitermachen töricht. Oder Wahnsinn“, sagt Sabine Tara-Schunk. Das Atelier für Seifen und anderes Handgemachte war ihr Traum. Nun muss die frühere Erzieherin das, was sie vor über einem Jahr mühsam aufgebaut hat, auflösen. Einige Regale sind verschenkt, andere in der Presse. Der Grund ist einfach und für sie schmerzhaft zugleich: Es fanden zu wenig Kunden in ihren Potschappeler Laden, die besondere Seifen und Kurse zum Selbermachen zu schätzen wissen.

Sabine Tara-Schunk sitzt an ihrem Atelier-Tisch. Hier gießt sie ihre besonderen Seifen. Und blickt oft hinaus auf die Dresdner Straße. Das Ende ihres Ladens hat ganz sicher nicht nur mit dieser Hauptader Freitals zu tun – aber ohne sie ist es auch nicht erklärbar. „Ich empfinde die Dresdner Straße gar nicht als Geschäftsstraße“, sagt sie. „sondern als Durchfahrtsstraße. Und so lange sie eine Durchfahrt ist – wer will da verweilen?“ Durch ihr Schaufenster sieht Sabine Tara-Schunk den kleinen Platz mit dem Kopfwaschbrunnen gegenüber. „Dort sitzt fast nie jemand. Es ist zu laut.“

Auch für sie selbst. Oft schließt sie die Tür ihres Geschäfts. Einladend ist das dann weniger. Was helfen würde? „Eine Entschleunigung würde der Straße gut tun“, sagt Sabine Tara-Schunk.

Auch auf dem Fußweg wäre das eine gute Idee. „Ich sagte oft zu meinen Kunden: Passen Sie auf, wenn Sie hier aus dem Laden treten! Radfahrer kommen hier auf dem Fußweg.“ Denn vor ihrem Laden gibt es keinen Radstreifen.

Manche Läden stehen auf der Dresdner Straße leer.

Die Dresdner Straße: Gut fünf Kilometer lang, ungezählte Läden reihen sich an ihr, ein Bummel von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende würde gut eine Stunde brauchen, ohne Pause. Wäre die Dresdner Straße ein Lebewesen, dann würde sie Sabine Tara-Schunk so beschreiben: „Sie ist etwas Hektisches, was sich ganz schmal macht, eiskalt ist – und an manchen Stellen ein bisschen Sonne abbekommen hat.“ Ihr Laden liegt offenbar nicht an solch einer Stelle.

Die Dresdner hat viele Gesichter. Sie ist nicht auf einen Nenner zu bekommen. Und auch die Lage der Händler an ihr ist es nicht. „Ein wirkliches Laden-Sterben haben wir hier nicht“, sagt Anja Fischer, die als Quartiersmanagerin seit drei Jahren im Auftrag der Stadt die Geschäftsstraße in Deuben beleben soll. „Es haben einige Geschäfte zugemacht – aber an ihrer Stelle gibt es meist eine neue Nutzung als Gewerberäume, auch wenn das nicht immer das klassische Ladengeschäft ist.“ Etwa als Lager oder auch als Imbiss. In der Tat finden sich auf Immobilien-Portalen im Internet kaum freie Ladenflächen in Freital.

Als Quartiersmanagerin versucht Anja Fischer mit Aktionen wie einer Kinder-Straßen-Rallye oder zum Nikolaustage neue Kundschaft anzulocken. Aber sie macht sich auch keine Illusionen: „Die Dresdner Straße hat wahnsinnig große Distanzen. Und klassische Laufkundschaft gibt es hier schon lange nicht mehr. Die Läden halten sich über Stammkundschaft.“

Das zeigen auch die Antworten auf ihre Befragung der Händler im letzten Jahr. Das vielleicht wichtigste Ergebnis: 68 Prozent der antwortenden Deubener Geschäftsleute halten ihre eigene Situation für gut oder sogar sehr gut, nur 21 Prozent für schlecht. Die allgemeine Lage des Einzelhandels in Deuben aber schätzen 42 Prozent als schlecht ein – und nur 25 Prozent gut. Von den Händlern genannte Kritikpunkte: Lärm, weite Wege und wenig Laufkundschaft.

Die “Bürger für Freital” rufen zum Einkauf im Laden auf.

Das beobachtet auch Sabine Tara-Schunk aus ihrem Seifen-Laden in Potschappel. „Es sind hauptsächlich alte Menschen, die hier vorbei gehen. Und natürlich die, die hier arbeiten.“ Sie weiß, dass immer mehr Menschen im Internet kaufen. Mit ihren Seifen geht Sabine Tara-Schunk nicht online, bewusst nicht.

„Wir haben uns vor einigen Jahren irgendwie verloren“, sagt sie und denkt an die Corona-Pandemie. „Ein Laden kann auch ein Ort der Begegnung sein, es geht nicht nur um das Kaufen. Wie oft haben sich Kunden hier an den Tisch gesetzt und wir haben gequatscht über Gott und die Welt. Das war schön.“

Jetzt muss Sabine Tara-Schunk packen. Auf der Dresdner fluten die Autos hin und her wie jeden Tag. In ihrem Laden lehnen dunkle Bilder mit leuchtenden Farben, Sabine Tara-Schunk versucht, die Trauer aus sich herauszumalen. Ihre letzten von Hand gegossenen Seifen reifen noch zwischen den Resten ihres Geschäfts und verströmen ihre Düfte. Auf Mittelaltermärkten der Region wird Sabine Tara-Schunk sie verkaufen und im November auf dem Handwerkermarkt im Freitaler Kulturhaus.

Was dann kommt? „Keine Ahnung“, sagt sie. „Der da oben wird schon etwas für mich haben.“

Andreas Roth

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